Richard Thaler: Misbehaving - Was uns die Verhaltensökonomik über unsere Entscheidungen verrät
Aus dem Englischen von Thorsten Schmidt, Siedler Verlag, München 2018, 512 Seiten, 28 Euro
Für Geld macht der Mensch eben doch nicht alles
Der Mensch und das liebe Geld – eine innige Beziehung, in der es nicht nur rational zugeht. Der Wirtschaftspsychologe Richard Thaler fasst in "Misbehaving" die Forschungen der Verhaltensökonomie zusammen, welche die menschliche Unvernunft beim Umgang mit Geld ergründet.
Im Bestreben, eine möglichst harte Wissenschaft mit mathematischen Methoden zu sein, hat die klassische Ökonomie dort stark vereinfacht, wo die meisten Unwägbarkeiten drohten: bei den menschlichen Akteuren. Sie hat den Homo oecomomicus erfunden, den rationalen Agenten auf den Märkten, den egoistischen Nutzenmaximierer. Seine spezifische Rationalität sollte ökonomisches Handeln so berechenbar machen wie den Flug eines Steines nach den Fallgesetzen.
Richard Thaler jedoch begann bereits als junger Wissenschaftler, Fälle zu sammeln, die "Anomalien" bildeten gegenüber der orthodoxen Lehre. "Misbehaving" – das bedeutet, dass wirkliche Menschen oft nicht so rational agieren, wie es das Modell des Homo oeconomicus vorsieht.
Zum Beispiel die New Yorker Taxifahrer. Weil es Tage gibt, an denen die Nachfrage höher ist und die Geschäfte besser laufen, wäre es "rational", an solchen Tagen mehr zu arbeiten, um mehr zu verdienen und dadurch schlechte Tage auszugleichen, an denen die Fahrer die Arbeitszeit reduzieren könnten. Stattdessen verhalten sie sich genau umgekehrt: Sie setzen sich zumeist ein Tageslimit, nach dem sie aufhören. Mit dem Effekt, dass sie an Tagen, an denen es gut läuft, wenig arbeiten, an schlechten dafür umso länger.
Richard Thaler jedoch begann bereits als junger Wissenschaftler, Fälle zu sammeln, die "Anomalien" bildeten gegenüber der orthodoxen Lehre. "Misbehaving" – das bedeutet, dass wirkliche Menschen oft nicht so rational agieren, wie es das Modell des Homo oeconomicus vorsieht.
Zum Beispiel die New Yorker Taxifahrer. Weil es Tage gibt, an denen die Nachfrage höher ist und die Geschäfte besser laufen, wäre es "rational", an solchen Tagen mehr zu arbeiten, um mehr zu verdienen und dadurch schlechte Tage auszugleichen, an denen die Fahrer die Arbeitszeit reduzieren könnten. Stattdessen verhalten sie sich genau umgekehrt: Sie setzen sich zumeist ein Tageslimit, nach dem sie aufhören. Mit dem Effekt, dass sie an Tagen, an denen es gut läuft, wenig arbeiten, an schlechten dafür umso länger.
Verlust schmerzt mehr als Gewinn freut
Oder der Endowment- beziehungsweise Besitztumseffekt, den Thaler als erster beschrieben hat: Menschen tendieren dazu, ein Gut, das sie bereits besitzen, höher zu bewerten als dasselbe Gut, wenn sie es erst erwerben müssten. Das Wissen um diesen Effekt kann bei einer realistischen Preisfindung helfen. Irrational ist auch die "Verlustaversion", nach der die Freude über 100 gewonnene Euro geringer ist als der Schmerz über 100 verlorene. Deshalb trennen sich Menschen meist nicht von verlustbringenden Anlagen, sondern werden eher noch risikobereiter, in der Hoffnung, den Verlust wieder auszugleichen.
Thaler analysiert solche "Irrationalitäten" in der amerikanischen Immobilienkrise, beim Entscheidungsverhalten in Spielshows oder beim Wettkampf um das größere Büro unter seinen Kollegen in Chicago, wo jeder zusätzliche Quadratmeter mehr professoralen Status bedeutet. Man lernt bei der Lektüre zudem einiges über die Täuschungen der inneren Buchführung und die Tricks des Rabatts in der Konsumwelt.
Absurditäten bei den Aktienkursen
Im Kontext der klassischen Ökonomie haben Thalers Thesen provokant gewirkt. Anderswo mag man es eher selbstverständlich finden, dass Menschen auch andere Motive als ihren materiellen Nutzen haben und oft "unvernünftig" agieren. Mehr noch: Das Misstrauen in die Rationalität der Finanzmärkte ist weit verbreitet. Wer glaubt denn ernsthaft daran, dass Aktien immer den "richtigen Wert" eines Unternehmens widerspiegeln? Von daher sind Thalers Ausführungen über manche Kurs-Absurditäten zwar im Detail interessant, im Ergebnis aber wenig verblüffend. Er selbst sieht die Verhaltensökonomik als Korrektur eines vereinfachten Menschenbildes und einer illusionären Rationalitätsgläubigkeit – als "differenziertere Version der Volkswirtschaftslehre, in der fehlbare Menschen im Mittelpunkt stehen".
"Misbehaving" erzählt die Geschichte der Verhaltensökonomik, von den rebellischen Anfängen bis zu den Nobelpreisen. Da erfährt man nebenbei viele Interna des amerikanischen Campus-Betriebs und schulterklopfende Anekdoten aus Thalers illustrem Gelehrten-Netzwerk, zu dem weitere Berühmtheiten und Bestsellerkönige gehören wie Alvin E. Roth und Daniel Kahneman. So interessant sich viele Passagen lesen – mit 500 Seiten ist dieses Buch sehr in die Breite gegangen.