Richter kritisiert neues Sexualstrafrecht

Ein unnötiger Schnellschuss

Ein Buch zum Strafrecht liegt in einem Gericht in Berlin.
Der Bundestag hat einer Verschärfung des Sexualstrafrechts zugestimmt. © picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Matthias Jahn im Gespräch mit Marianne Allweiss und André Hatting |
Zu schnell und zu weit geschossen: Der Strafrechtler Matthias Jahn fällt ein kritisches Urteil über das vom Bundestag verabschiedete neue Sexualstrafrecht. Dieses sei im Hauruck-Verfahren verabschiedet worden - ohne abschließenden Bericht der Experten-Kommission.
Matthias Jahn, Strafrechtler an der Goethe-Universität Frankfurt und Richter am Oberlandesgericht, kritisiert die Neuregelung des Sexualstrafrechts. Etliche Aspekte schössen weit übers Ziel hinaus. Auch wenn zu begrüßen sei, dass es nun klarere Regelungen für Grapscher gebe, so sei die Neujustierung doch im Ganzen nicht wirklich gut durchdacht.
Als Grundproblem betrachtet Jahn, dass es künftig allein nur noch um den Willen des Opfers gehen solle. "Und da liegt das Hauptproblem. Denn in dem Moment, wo gehandelt wird, weiß der Beschuldigte - jedenfalls nicht sicher- und weiß möglicherweise auch noch gar nicht sicher das Opfer, ob es wirklich eines ist. Und diese Ambivalenz, die löst der Entwurf nicht richtig auf."

Nicht zu Ende gedacht

Jahn betonte, er teile die Meinung seiner Fachkollegin Monika Frommel, wonach es in der Gesellschaft bereits einen deutlichen Konsens für "Nein heißt Nein" gebe. Die Neujustierung sei also in etlichen Punkten ein unnötiger Schnellschuss. Kritisch sehe er vor diesem Hintergrund auch die Tatsache, dass die vom Bundesjustizministerium eingesetzte Expertenkommission aus Wissenschaftlern und Praktikern ihren Ergebnisbericht noch gar nicht vorgelegt habe: "Das halte ich für schädlich und das dementiert auch in gewisser Weise den Ansatz des Ministeriums. Und die Tatsache, dass das von einer breiten Koalition getragen wird, jedenfalls von Vertreterinnen und Vertetern von CDU/CSU und SPD, bedeutet noch nicht, dass es allein deshalb richtig sein muss."
Grünen-Politiker wie Renate Künast hätten Recht, wenn sie beispielsweise die Neuregelung bei sogenannten Gruppentaten kritisierten. Demnach kann künftig auch ein an der Tat unbeteiligtes Gruppenmitglied für die Straftat mitverantwortlich gemacht werden.
"Dass hätte erst von den Wissenschaftlern und den Praktikern ausdiskutiert werden müssen." Nun sei es Aufgabe der Strafrechtspfleger, die gröbsten Ungerechtigkeiten des Entwurfes abzumildern.
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