"Wir zeigen eine brüchige Moderne in Weimar"
Flachdachvisionen, Sitzmöbel oder Wagenfeld-Lampe: Das 1919 in Weimar gegründete Staatliche Bauhaus bekommt an seinem Ursprungsort ein repräsentatives Museum aus Glas und Beton. Dieses Museum der Moderne wird bewusst neben dem Gauforum aus der Nazi-Zeit platziert.
Hellmut Seemann: "Man muss Weimar auf den Kopf stellen, dann tritt die Moderne zutage."
Der Präsident der Klassik Stiftung Weimar, Hellmut Seemann, spielt gern mit Worten und Bildern. Hier ist es ein konkretes Bild, das "W" für Weimar gedreht ergibt das "M" für die Moderne.
Hellmut Seemann: "Da ist schon was dran in dem Sinne, dass man mit der Ablehnung der Moderne des Bauhauses in Weimar durchaus auch eine Ablehnung eigentlich aller Gesichtspunkte des Modernen wahrnehmen kann. Und gleichzeitig sind hier immer Leute gewesen, die genau deswegen hierher kamen, um diese Moderne zu entwickeln."
Und wahrscheinlich muss die Klassik Stiftung in den kommenden Jahren auch einen Kopfstand machen, um all das einzulösen, was das neue Bauhaus-Museum allein durch seinen Standort mit sich bringt. Denn der Neubau, dessen Richtfest gerade begangen wurde, steht nicht irgendwo. Lange wurde der Standort in Weimar äußerst kontrovers diskutiert. Nun fragt man sich eher, ob das Bauhaus Museum Weimar überhaupt irgendwo anders hätte platziert werden können als genau dort, wo die Moderne des 19. und 20. Jahrhunderts schon ihre Spuren, Schneisen und Verheerungen hinterlassen hat.
Der Präsident der Klassik Stiftung Weimar, Hellmut Seemann, spielt gern mit Worten und Bildern. Hier ist es ein konkretes Bild, das "W" für Weimar gedreht ergibt das "M" für die Moderne.
Hellmut Seemann: "Da ist schon was dran in dem Sinne, dass man mit der Ablehnung der Moderne des Bauhauses in Weimar durchaus auch eine Ablehnung eigentlich aller Gesichtspunkte des Modernen wahrnehmen kann. Und gleichzeitig sind hier immer Leute gewesen, die genau deswegen hierher kamen, um diese Moderne zu entwickeln."
Und wahrscheinlich muss die Klassik Stiftung in den kommenden Jahren auch einen Kopfstand machen, um all das einzulösen, was das neue Bauhaus-Museum allein durch seinen Standort mit sich bringt. Denn der Neubau, dessen Richtfest gerade begangen wurde, steht nicht irgendwo. Lange wurde der Standort in Weimar äußerst kontrovers diskutiert. Nun fragt man sich eher, ob das Bauhaus Museum Weimar überhaupt irgendwo anders hätte platziert werden können als genau dort, wo die Moderne des 19. und 20. Jahrhunderts schon ihre Spuren, Schneisen und Verheerungen hinterlassen hat.
Zwischen Neuem Museum, Weimarhallenpark und Gauforum
Das Bauhaus-Museum Weimar steht am äußersten Rand der Innenstadt, zwischen dem Neuen Museum, einem Neorenaissance-Bau, dem etwas vernachlässigten Weimarhallenpark, Teil des Kulturprojekts des frühen 20. Jahrhunderts, und dem monströsen, alle Maße sprengenden Gauforum der Nationalsozialisten. In Sichtweite überragt der "Lange Jakob" aus den 70er Jahren alles Umstehende und versucht durch schlichte Höhe, sich das Gauforum optisch zu unterwerfen. Erfolglos.
Das Bauhaus-Museum Weimar soll nun antreten, das Unvereinbare und Disparate zu strukturieren, zu formieren und zu erklären. Hellmut Seemann ist optimistisch:
"Natürlich reicht es nicht aus, auf den Wiegenplatz des Bauhauses hinzuweisen und zu glauben, dann hätte man seine Aufgabe erfüllt, sondern das Entscheidende ist, dass wird das Bauhaus-Museum direkt neben das Gauforum stellen und damit eine Zuspitzung der Geschichte des 20. Jahrhunderts in Weimar sichtbar machen können, wie sie derzeit von den Touristen überhaupt nicht wahrgenommen wird."
Das Bauhaus-Museum soll das Zentrum eines neuen Kulturquartiers werden, eine Kulturquartiers der Moderne, das auch noch die ganze Moderne in den Blick nimmt:
"Wir zeigen eine doppelte Moderne; wir zeigen eine brüchige Moderne in Weimar, und das bedeutet: Der Weimarer Modernebegriff kann kein rein positiver Modernebegriff sein, sondern er muss die Moderne, wie sie sich in Weimar zeigte, einerseits als eine umkämpfte Moderne zeigen; er muss aber eben auch zeigen, dass die Moderne Beziehungen zum extremistischen Lager hat."
In Weimar wird es weniger die russische avantgardistische Revolutionskunst sein, sondern die architektonische Brutalität des einzig fertiggestellten Gauforums der Nationalsozialisten und das, wofür es steht: Normierung, Gleichschaltung und Ausschluss alles angeblich Fremden. Am Ende industrielle Massenvernichtung des Fremden – auch sie ein Projekt der Moderne. Im Jahr 2020 wird so im Gauforum nebenan die Ausstellung über die Zwangsarbeit im Nationalsozialismus eröffnen.
"Wir zeigen eine doppelte Moderne; wir zeigen eine brüchige Moderne in Weimar, und das bedeutet: Der Weimarer Modernebegriff kann kein rein positiver Modernebegriff sein, sondern er muss die Moderne, wie sie sich in Weimar zeigte, einerseits als eine umkämpfte Moderne zeigen; er muss aber eben auch zeigen, dass die Moderne Beziehungen zum extremistischen Lager hat."
In Weimar wird es weniger die russische avantgardistische Revolutionskunst sein, sondern die architektonische Brutalität des einzig fertiggestellten Gauforums der Nationalsozialisten und das, wofür es steht: Normierung, Gleichschaltung und Ausschluss alles angeblich Fremden. Am Ende industrielle Massenvernichtung des Fremden – auch sie ein Projekt der Moderne. Im Jahr 2020 wird so im Gauforum nebenan die Ausstellung über die Zwangsarbeit im Nationalsozialismus eröffnen.
Mit dem Gauforum im Rücken wird sich das in den sanften Hang gebaute Bauhaus-Museum aber auch zum angrenzenden Park öffnen und selbst das präsentieren, wofür es mit seinem Namen steht: Die Geschichte des Bauhauses, das 1919 in Weimar entstand und schon sechs Jahre später nach Dessau weiterzog. Doch auch die äußerst wenigen Öffnungen, die der strenge Quader der Berliner Architektin Heike Hannada für einen Blick nach draußen zulässt, orientieren sich streng an der historischen Umgebung.
Heike Hannada: "Und da ist natürlich die Beziehung zum Gauforum das eine Thema, aber das andere Thema ist natürlich auch der Lange Jakob. Auf der anderen Seite dann, wenn man die Treppen hoch geht, dann der Blick in den Park, also wo man dann auf der Werkstattebene sich richtig in den Baumkronen befindet, auch ein wunderbarer Raum. Und im obersten Geschoss gibt es zwei Öffnungen. Man befindet sich über den Dächern der Stadt. Und das eine ist das Gymnasium. Aber das andere ist im Hintergrund der Buchenwald-Turm."
Heike Hannada: "Und da ist natürlich die Beziehung zum Gauforum das eine Thema, aber das andere Thema ist natürlich auch der Lange Jakob. Auf der anderen Seite dann, wenn man die Treppen hoch geht, dann der Blick in den Park, also wo man dann auf der Werkstattebene sich richtig in den Baumkronen befindet, auch ein wunderbarer Raum. Und im obersten Geschoss gibt es zwei Öffnungen. Man befindet sich über den Dächern der Stadt. Und das eine ist das Gymnasium. Aber das andere ist im Hintergrund der Buchenwald-Turm."
"Bauhaus-Pädagogik ist geprägt von vielen einzelnen Biografien"
Für die Ausstellung im Bauhaus-Museum zeichnet Ulrike Bestgen verantwortlich. Im Erdgeschoß will sie die Topographie der Moderne, in die sich der Neubau einbettet, erklären, und das Woher und Wohin der bekanntesten Bauhaus-Protagonisten.
Ulrike Bestgen: "Im ersten Obergeschoß, die Schausammlung beginnt dort, mit dem Thema 'neuer Mensch'. Wir können in unseren Sammlungen ja hervorragend darstellen, wie diese Neue-Mensch-Konzeptionen, ausgehend von Nietzsche, über die Lebensreform, das Mensch-Pathos des Expressionismus bis zum mechanischen Menschen viele Menschenbilder, wie sie dort entwickelt werden in dieser Zeit des Bauhauses. Dort geht es natürlich auch um die Bauhaus-Pädagogik, die ja fälschlicherweise immer als ein zusammenhängendes Konzept dargestellt wird, aber geprägt ist von vielen einzelnen Biografien."
Die zweite Etage zeigt das neue Bauen, das neue Wohnen, wie vom Bauhaus erfunden, und die Bühne als dessen Kreativitätszentrum. Die Etagen sind dabei – anders als es der strenge Monolith von außen erwarten lässt – luftig und offen miteinander verbunden.
Ulrike Bestgen: "Und oben, im dritten Obergeschoss, die Frage: Was bleibt? Dargestellt an den drei Direktoren Gropius, Mies und Meyer. Die Frage heute, was bleibt heute? Deshalb werden wird dort auch einen Wechselausstellungsraum einrichten, der aber ganz gezielt immer wieder versucht, Fragestellungen auf ihre Relevanz von heute zu überprüfen."
Im besten Fall gelingt dass dem Bauhaus-Museum Weimar: Nicht zur historisierenden Ausstellungsfläche für Flachdachvisionen, unbequemen Sitzmöbeln und der Wagenfeld-Lampe zu werden, sondern die Idee, die Vision aufzunehmen, die Ulrike Bestgen auch nach 100 Jahren nicht veraltet erscheint.
Ulrike Bestgen: "Wie wollen wir wohnen, wie wollen wir siedeln? Welche Formen des Gemeinwesens wollen wir entwickeln? Das kann man sehr gut ins Heute übertragen. Wir reden heute von Diversität der Ideen, individuelle Lebenskonzepte, Ästhetisierung des Alltags, Mobilität, Rückzug, viele andere Fragen, an die man anschließen kann."
Vom Bauhaus-Museum nicht einsehbar, aber in wenigen Minuten zu erlaufen, steht das Neue Museum von 1869. Dort will die Klassik Stiftung die Vorgeschichte des Bauhauses präsentieren: Die Namen Henry van de Velde, Harry Graf Kessler, Carl Alexander, Friedrich Nietzsche, aber auch Elisabeth Förster-Nietzsche sollen hier für den Aufbruch in eine Moderne stehen, die nicht nur ins Helle und Lichte weist. Sondern auch auf das Gauforum, in das der Besucher unmittelbar tritt, verlässt er das Neue Museum.
Ulrike Bestgen: "Im ersten Obergeschoß, die Schausammlung beginnt dort, mit dem Thema 'neuer Mensch'. Wir können in unseren Sammlungen ja hervorragend darstellen, wie diese Neue-Mensch-Konzeptionen, ausgehend von Nietzsche, über die Lebensreform, das Mensch-Pathos des Expressionismus bis zum mechanischen Menschen viele Menschenbilder, wie sie dort entwickelt werden in dieser Zeit des Bauhauses. Dort geht es natürlich auch um die Bauhaus-Pädagogik, die ja fälschlicherweise immer als ein zusammenhängendes Konzept dargestellt wird, aber geprägt ist von vielen einzelnen Biografien."
Die zweite Etage zeigt das neue Bauen, das neue Wohnen, wie vom Bauhaus erfunden, und die Bühne als dessen Kreativitätszentrum. Die Etagen sind dabei – anders als es der strenge Monolith von außen erwarten lässt – luftig und offen miteinander verbunden.
Ulrike Bestgen: "Und oben, im dritten Obergeschoss, die Frage: Was bleibt? Dargestellt an den drei Direktoren Gropius, Mies und Meyer. Die Frage heute, was bleibt heute? Deshalb werden wird dort auch einen Wechselausstellungsraum einrichten, der aber ganz gezielt immer wieder versucht, Fragestellungen auf ihre Relevanz von heute zu überprüfen."
Im besten Fall gelingt dass dem Bauhaus-Museum Weimar: Nicht zur historisierenden Ausstellungsfläche für Flachdachvisionen, unbequemen Sitzmöbeln und der Wagenfeld-Lampe zu werden, sondern die Idee, die Vision aufzunehmen, die Ulrike Bestgen auch nach 100 Jahren nicht veraltet erscheint.
Ulrike Bestgen: "Wie wollen wir wohnen, wie wollen wir siedeln? Welche Formen des Gemeinwesens wollen wir entwickeln? Das kann man sehr gut ins Heute übertragen. Wir reden heute von Diversität der Ideen, individuelle Lebenskonzepte, Ästhetisierung des Alltags, Mobilität, Rückzug, viele andere Fragen, an die man anschließen kann."
Vom Bauhaus-Museum nicht einsehbar, aber in wenigen Minuten zu erlaufen, steht das Neue Museum von 1869. Dort will die Klassik Stiftung die Vorgeschichte des Bauhauses präsentieren: Die Namen Henry van de Velde, Harry Graf Kessler, Carl Alexander, Friedrich Nietzsche, aber auch Elisabeth Förster-Nietzsche sollen hier für den Aufbruch in eine Moderne stehen, die nicht nur ins Helle und Lichte weist. Sondern auch auf das Gauforum, in das der Besucher unmittelbar tritt, verlässt er das Neue Museum.