Riesenzwerge. Riesensärge

Von Helmut Böttiger · 27.12.2011
Bürgerliches Mädchen triftt mittellosen Schriftsteller: Die Beziehung zwischen Gisela Elsner und Klaus Roehler repräsentiert wie kaum eine andere die Zwänge und Hoffnungen der 50er-Jahre. Sie zerbricht an den sozialen Unterschieden, aber auch an schriftstellerischer Konkurrenz.
Am 27. November 1954 treffen sich auf einem Studentenball in Erlangen die 17-jährige Schülerin Gisela Elsner aus dem neureichen Wirtschaftsbürgertum und der acht Jahre ältere Porzellandreher Klaus Roehler, der gerade sein Studium der Germanistik beginnt. Damit beginnt eine Liebesgeschichte, die wie kaum eine andere die Zwänge und Hoffnungen der 50er-Jahre repräsentiert. Bekannt wurde sie durch Oskar Roehler, dem Sohn, der mit seinem Film "Die Unberührbare" sowie seinem Roman "Herkunft" die symbolische Kraft des Lebens seiner Eltern künstlerisch bearbeitet hat.

Die konkreten Quellen zeigen vor allem, wie sehr es um Klassenunterschiede ging und um eine rigide Sexualmoral. Gisela Elsners Eltern versuchen jahrelang, die in ihren Augen nicht standesgemäße Beziehung zu dem mittellosen Roehler zu untergraben: Sein Vater betreibt eine kleine Fabrik für Gartenzwerge und wirkt nicht ernst zu nehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass Roehler Ambitionen hegt, freier Schriftsteller zu werden. In den Angriffen des Elsnerschen Elternpaars – der Vater ist Direktor eines Siemens-Werks – kommen der Geist des Wirtschaftswunders und eine äußerst repressive Intellektuellenfeindschaft zum Ausdruck.

Die Beziehung zerbricht an den äußeren Umständen, aber auch an schriftstellerischer Konkurrenz. Klaus Roehler hat 1958 mit einem ersten Erzählungsband großen Erfolg, scheitert dann aber an den Erwartungen des Betriebs. Elsner tritt die Flucht nach vorn an und inszeniert sich als femme fatale, sie erregt 1964 mit ihrem Roman "Die Riesenzwerge" große Aufmerksamkeit, endet als Exzentrikerin aber im gesellschaftlichen Abseits. Die Dokumente und Briefe aus den ersten Jahren der Beziehung zwischen Elsner und Roehler zeigen ihre verzweifelten Befreiungsversuche, aber auch die Unmöglichkeit, in den bestehenden Verhältnissen glücklich zu werden.