Ringen um den Fiskalpakt: Versöhnliche Signale aus der Koalition
Beim Streit um den Fiskalpakt wird die Koalition in bestimmten Punkten der Opposition entgegenkommen, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Otto Fricke. So werde man sich "in bestimmten Teilen im Bereich Wachstum bewegen". Allerdings betont er: "Es darf kein Schachern und kein Basar sein".
Hanns Ostermann: Das Wort hat beste Chancen, Unwort des Jahres zu werden: Fiskalpakt. Klingt wie eine bittere Medizin und schmeckt auch den wenigsten, erst vier Staaten haben Ja gesagt: Griechenland, Portugal, Slowenien und Rumänien, und auch in Frankreich und Deutschland sind die strengeren Haushaltsregeln noch längst nicht unter Dach und Fach.
Otto Fricke ist Parlamentarischer Geschäftsführer und haushaltspolitischer Sprecher der FDP, guten Morgen, Herr Fricke!
Otto Fricke: Einen wunderschönen letzten Maimorgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Heute entscheiden die Iren über den Fiskalpakt. Mit welchem Ergebnis rechnen Sie?
Fricke: Also, nach dem, was wir einerseits an Nachrichten bekommen, andererseits aber auch durch persönliche Gespräche auch bekommen, weil man über die Zeit doch europäische Kollegen kennenlernt, sieht das ganz gut aus, dass wir mit den Iren die Nummer Fünf sozusagen auf dem Weg zu der berühmten Zwölf haben, die wir brauchen von den 17 Euro-Ländern für den Fiskalpakt.
Ostermann: Drehen wir den Spieß um: Was würde ein Nein bedeuten?
Fricke: Na ja, ein Nein würde bedeuten erst einmal, dass das Inkrafttreten des Fiskalpaktes weiterhin möglich ist, deswegen hat man ja auch vereinbart auf europäischer Ebene, dass zwölf von 17 ratifizieren müssen, um ein Inkrafttreten zu erreichen. Für Irland selber bedeutet es aber, dass Irland keine Mittel am Ende aus dem ESM bekommen kann, weil der Fiskalpakt – und das ist die wichtige Verbindung – quasi die Voraussetzung dafür ist, dass über den ESM zukünftig geholfen werden kann.
Ostermann: Das ist ja nicht alles. Denn käme es zu einem Nein, dann wäre das doch ein hoch symbolischer Akt, denn Irland ist das einzige Land, in dem die Bevölkerung abstimmt?
Fricke: Ist richtig, es ist – und das hatten wir bei Irland ja schon mal – natürlich immer eine Signalwirkung, wenn ich solche Abstimmungen habe. Da kann man jetzt drüber hadern und sagen, ich als Parlamentarier finde das aber besser, wenn das Parlament entscheidet. Nein, sage ich aber da, das ist die Aufgabe, die Bevölkerung steht hier vor einer schwierigen Entscheidung und sie steht insbesondere in Irland vor einer schwierigen Entscheidung.
Es gibt den Ausdruck in Irland: Na ja, uns wird die Pistole an den Kopf gehalten und wir sollen jetzt dem Fiskalpakt zustimmen, weil wir ja schon so finanziell schlecht dastehen durch die Bankenkrise, die wir in Irland haben. Ich würde aber da antworten, das Problem ist, die Pistole ist erst in die Hand gekommen dadurch, dass ein Land sich über Jahre verschuldet hat und ins Risiko gegangen ist, anstatt vorsichtig zu wirtschaften und vor allen Dingen finanziell nicht mehr zu machen als das, was ein vernünftiger Kaufmann macht, nämlich das Geld ausgeben, was man auch wieder zurückzahlen kann.
Ostermann: Kritiker des Fiskalpakts, Herr Fricke, kann man ja dadurch ins Boot holen, dass man Wachstumsimpulse setzt. Welche sollten das sein?
Fricke: Na ja, erst mal keine Ausgabenwachstumsimpulse. Also, das ist das Erste, was man erst mal sagen muss: Wachstum nach dem Motto "Ich gebe jemandem einen Kredit, dann gibt der mehr Geld aus, deswegen wächst der ökonomisch und dann ist alles wieder gut" wäre ja dasselbe, was wir schon gemacht haben, in grün.
Wachstumsimpulse heißt mehr: Wo sind eigentlich in den letzten Jahren – das kann man heute wirklich dann sagen, auf der ganzen Welt –, wo ist da Wachstum und warum entstanden? Und dann merkt man, dass in westlichen Ländern mit unserer Struktur Wachstum dort entstanden ist, wo ich eben auch die Struktur verändert habe.
Ich brauche also strukturell Veränderungen, um strukturelles Wachstum zu erzeugen. Das kann im Bereich Investitionen sein, das kann durch bestimmte Bildungsmaßnahmen sein, das muss aber – siehe Deutschlands Wachstum, das sage ich immer wieder, dank der Agenda 2010 –, das kann aber auch und muss aber auch strukturelle Veränderung im Sozialbereich sein.
Ostermann: Strukturbonds allein reichen der SPD nicht und die brauchen Sie für die entsprechenden Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Welche Angebote machen Sie der Opposition?
Fricke: Na ja, erst mal macht man natürlich das Angebot der Vernunft. So eine Art Schachern nach dem Motto "Ich gebe euch hier eine Milliarde mehr an Verschuldung, damit es ein kurzfristiges Wachstum gibt, und dann macht ihr dafür da oder dort mit", das wird es nicht sein. Wir brauchen die Sozialdemokraten, die hier in einer Verantwortung sind, für die entsprechende Zweidrittelmehrheit beim Fiskalpakt im Bundestag und Bundesrat, das ist klar.
Das heißt auch – und das Zeichen wird ausdrücklich auch gegeben –, wir gucken, an welcher Stelle können wir sowohl auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene Wachstum erzeugen, welche Strukturen sind überkommen, veraltet, wo müssen wir Anreize schaffen, um Verbesserungen hinzubekommen, wie wird – und die aktuelle Diskussion haben wir ja –, wie werden wir möglicherweise auch im Energiebereich durch gezielte Investition, durch gezielte Verbesserung der Regeln etwas tun?
Aber alleine nach dem Motto "mehr Geld" - nein. Da setze ich dann auch auf die Vernunft der Sozialdemokraten, die das auch gezeigt haben – manche sagen das mit Häme – beim Thema Eurobonds, wo sie erst dafür waren und dann nach längerem Überlegen und Argumentation erkannt haben, dass das nicht der Weg ist.
Ostermann: Ein Streitpunkt bleibt die Finanztransaktionssteuer. Die SPD will sie, auch die Kanzlerin und der Finanzminister, nur die FDP verteidigt die Londoner City an der Seite Großbritanniens. Ist der Preis nicht letztlich viel zu hoch?
Fricke: Ach, wenn es denn so schön wäre! Also, ich finde die Londoner City ja nett, aber sie ist für einen Bundestagsabgeordneten sicherlich kein Grund, um zu sagen, das muss ich jetzt so machen. Deswegen ist der Punkt eins: Erstens, wir sind bereit, eine Finanztransaktionssteuer zu machen, wenn wir sie jedenfalls so hinbekommen, dass sie nicht dazu führt, dass sie den gesamten Standort Frankfurt – und das sind auch ein paar Hunderttausend Arbeitsplätze – kaputt macht, das wollen wir auf keinen Fall.
Und zweitens, wenn wir in Europa dafür auch die entsprechenden Stimmen bekommen. Und da sind wir dann als Liberale komischerweise nicht mehr alleine, das hat ja dann auch Herr Finanzminister Schäuble, aber auch die Bundeskanzlerin auf den letzten Gipfeln gemerkt: Es gibt hier in vielen Ländern erheblichen Widerstand. Was nicht heißt – ausdrücklich gesagt –, was nicht heißt, dass, wenn wir eine gemeinsame Lösung finden, etwa – und auch das war FDP-Vorschlag –, wenn wir auf europäischer Ebene schlicht eine Kopie der britischen Stempelsteuer machen – da gibt es nämlich eine –, so wie sie in der City ist, dann machen wir das, da sind wir auch zu bereit.
Ostermann: Herr Fricke, aber die SPD scheint bei der Finanztransaktionssteuer nun wirklich hart zu bleiben. Das heißt doch auch, dass der Fiskalpakt möglicherweise bei uns nicht unterzeichnet wird?
Fricke: Also, die Möglichkeit besteht immer. Hier sind – das ist das Interessante bei Zweidrittelmehrheiten –, hier ist eben nicht nur die Regierung allein in der Verantwortung, so nach dem Motto: Jetzt macht mal, guckt mal, wie ihr mit eurer Koalition das durchbekommt. Sondern hier gibt es auch eine Verantwortung der Opposition. Das ist schwierig, da wird es auch viele Gespräche geben auch jetzt in den Nichtsitzungswochen, die wir haben, wird schon weiter vorbereitet.
Und noch mal: Ich setze da auch auf Einsicht und natürlich – das ist klar –, da muss sich die Koalition auch an bestimmten Teilen im Bereich Wachstum bewegen, versucht sie auch, wird sie auch. Nur, es darf kein Schachern und kein Basar sein. Ich glaube aber auch, das will keiner der Beteiligten.
Ostermann: Aber das Verbot von Leerverkäufen hat doch gezeigt, dass es sich lohnen kann, voranzugehen. Viele sind Angela Merkel später gefolgt, warum das nicht in Bezug auf die Finanztransaktionssteuer?
Fricke: Das ist vollkommen richtig. Wir haben jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt so viele, die gefolgt sind. Dass Leerverkäufe aber weiterhin weit möglich sind, hat nichts an der Gefahr der ganzen Sache geändert. Das heißt, wir haben zwar symbolisch etwas gemacht und daraus könnte man dann ziehen, guck mal, wir haben was getan. Nur, der tatsächliche Erfolg ist, dass diese Geschäfte jetzt auf anderer Ebene und auch in anderen Bereichen, in anderen Ländern stattfinden. Was in einem elektronischen Markt keine Rolle spielt, ob das Ding nun ein Elektron ist, das aus Frankfurt kommt, oder ob es eines ist, das aus Singapur kommt.
Nein, ich will keine Scheinlösung, die FDP will an der Stelle vernünftige Lösungen, deswegen sind wir ja auch gerade dabei. Und auch da gehen wir vor, dass wir versuchen, den Hochgeschwindigkeitshandel jetzt zu unterbinden mit vernünftigen Lösungen.
Und dann noch was bei der Frage der Besteuerung: Mit einer Finanztransaktionssteuer – und auch da erkenne ich Einsicht bei der SPD – darf ich ja auf keinen Fall diejenigen treffen, die für ihre Altersvorsorge über einen Pensionsfonds, über ein Versorgungswerk, über eine betriebliche Altersvorsorge agieren, die darf ich damit nicht treffen. Würde sie aber treffen. Solche Details muss man dann auch besprechen.
Mit Schlagworten kann man zwar schön Werbung machen und vielleicht auf den ersten Blick Stimmen bekommen, aber nicht auf den zweiten.
Ostermann: Die Schlagwörter gelten hin und wieder ja auch für Ihre Partei!
Fricke: Ja!
Ostermann: Otto Fricke war das, der haushaltspolitische Sprecher der FDP. Herr Fricke, danke Ihnen für das Gespräch!
Fricke: Ich habe zu danken und wünsche einen schönen Tag!
Ostermann: Ihnen auch, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Fricke: Also, nach dem, was wir einerseits an Nachrichten bekommen, andererseits aber auch durch persönliche Gespräche auch bekommen, weil man über die Zeit doch europäische Kollegen kennenlernt, sieht das ganz gut aus, dass wir mit den Iren die Nummer Fünf sozusagen auf dem Weg zu der berühmten Zwölf haben, die wir brauchen von den 17 Euro-Ländern für den Fiskalpakt.
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Ostermann: Das ist ja nicht alles. Denn käme es zu einem Nein, dann wäre das doch ein hoch symbolischer Akt, denn Irland ist das einzige Land, in dem die Bevölkerung abstimmt?
Fricke: Ist richtig, es ist – und das hatten wir bei Irland ja schon mal – natürlich immer eine Signalwirkung, wenn ich solche Abstimmungen habe. Da kann man jetzt drüber hadern und sagen, ich als Parlamentarier finde das aber besser, wenn das Parlament entscheidet. Nein, sage ich aber da, das ist die Aufgabe, die Bevölkerung steht hier vor einer schwierigen Entscheidung und sie steht insbesondere in Irland vor einer schwierigen Entscheidung.
Es gibt den Ausdruck in Irland: Na ja, uns wird die Pistole an den Kopf gehalten und wir sollen jetzt dem Fiskalpakt zustimmen, weil wir ja schon so finanziell schlecht dastehen durch die Bankenkrise, die wir in Irland haben. Ich würde aber da antworten, das Problem ist, die Pistole ist erst in die Hand gekommen dadurch, dass ein Land sich über Jahre verschuldet hat und ins Risiko gegangen ist, anstatt vorsichtig zu wirtschaften und vor allen Dingen finanziell nicht mehr zu machen als das, was ein vernünftiger Kaufmann macht, nämlich das Geld ausgeben, was man auch wieder zurückzahlen kann.
Ostermann: Kritiker des Fiskalpakts, Herr Fricke, kann man ja dadurch ins Boot holen, dass man Wachstumsimpulse setzt. Welche sollten das sein?
Fricke: Na ja, erst mal keine Ausgabenwachstumsimpulse. Also, das ist das Erste, was man erst mal sagen muss: Wachstum nach dem Motto "Ich gebe jemandem einen Kredit, dann gibt der mehr Geld aus, deswegen wächst der ökonomisch und dann ist alles wieder gut" wäre ja dasselbe, was wir schon gemacht haben, in grün.
Wachstumsimpulse heißt mehr: Wo sind eigentlich in den letzten Jahren – das kann man heute wirklich dann sagen, auf der ganzen Welt –, wo ist da Wachstum und warum entstanden? Und dann merkt man, dass in westlichen Ländern mit unserer Struktur Wachstum dort entstanden ist, wo ich eben auch die Struktur verändert habe.
Ich brauche also strukturell Veränderungen, um strukturelles Wachstum zu erzeugen. Das kann im Bereich Investitionen sein, das kann durch bestimmte Bildungsmaßnahmen sein, das muss aber – siehe Deutschlands Wachstum, das sage ich immer wieder, dank der Agenda 2010 –, das kann aber auch und muss aber auch strukturelle Veränderung im Sozialbereich sein.
Ostermann: Strukturbonds allein reichen der SPD nicht und die brauchen Sie für die entsprechenden Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Welche Angebote machen Sie der Opposition?
Fricke: Na ja, erst mal macht man natürlich das Angebot der Vernunft. So eine Art Schachern nach dem Motto "Ich gebe euch hier eine Milliarde mehr an Verschuldung, damit es ein kurzfristiges Wachstum gibt, und dann macht ihr dafür da oder dort mit", das wird es nicht sein. Wir brauchen die Sozialdemokraten, die hier in einer Verantwortung sind, für die entsprechende Zweidrittelmehrheit beim Fiskalpakt im Bundestag und Bundesrat, das ist klar.
Das heißt auch – und das Zeichen wird ausdrücklich auch gegeben –, wir gucken, an welcher Stelle können wir sowohl auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene Wachstum erzeugen, welche Strukturen sind überkommen, veraltet, wo müssen wir Anreize schaffen, um Verbesserungen hinzubekommen, wie wird – und die aktuelle Diskussion haben wir ja –, wie werden wir möglicherweise auch im Energiebereich durch gezielte Investition, durch gezielte Verbesserung der Regeln etwas tun?
Aber alleine nach dem Motto "mehr Geld" - nein. Da setze ich dann auch auf die Vernunft der Sozialdemokraten, die das auch gezeigt haben – manche sagen das mit Häme – beim Thema Eurobonds, wo sie erst dafür waren und dann nach längerem Überlegen und Argumentation erkannt haben, dass das nicht der Weg ist.
Ostermann: Ein Streitpunkt bleibt die Finanztransaktionssteuer. Die SPD will sie, auch die Kanzlerin und der Finanzminister, nur die FDP verteidigt die Londoner City an der Seite Großbritanniens. Ist der Preis nicht letztlich viel zu hoch?
Fricke: Ach, wenn es denn so schön wäre! Also, ich finde die Londoner City ja nett, aber sie ist für einen Bundestagsabgeordneten sicherlich kein Grund, um zu sagen, das muss ich jetzt so machen. Deswegen ist der Punkt eins: Erstens, wir sind bereit, eine Finanztransaktionssteuer zu machen, wenn wir sie jedenfalls so hinbekommen, dass sie nicht dazu führt, dass sie den gesamten Standort Frankfurt – und das sind auch ein paar Hunderttausend Arbeitsplätze – kaputt macht, das wollen wir auf keinen Fall.
Und zweitens, wenn wir in Europa dafür auch die entsprechenden Stimmen bekommen. Und da sind wir dann als Liberale komischerweise nicht mehr alleine, das hat ja dann auch Herr Finanzminister Schäuble, aber auch die Bundeskanzlerin auf den letzten Gipfeln gemerkt: Es gibt hier in vielen Ländern erheblichen Widerstand. Was nicht heißt – ausdrücklich gesagt –, was nicht heißt, dass, wenn wir eine gemeinsame Lösung finden, etwa – und auch das war FDP-Vorschlag –, wenn wir auf europäischer Ebene schlicht eine Kopie der britischen Stempelsteuer machen – da gibt es nämlich eine –, so wie sie in der City ist, dann machen wir das, da sind wir auch zu bereit.
Ostermann: Herr Fricke, aber die SPD scheint bei der Finanztransaktionssteuer nun wirklich hart zu bleiben. Das heißt doch auch, dass der Fiskalpakt möglicherweise bei uns nicht unterzeichnet wird?
Fricke: Also, die Möglichkeit besteht immer. Hier sind – das ist das Interessante bei Zweidrittelmehrheiten –, hier ist eben nicht nur die Regierung allein in der Verantwortung, so nach dem Motto: Jetzt macht mal, guckt mal, wie ihr mit eurer Koalition das durchbekommt. Sondern hier gibt es auch eine Verantwortung der Opposition. Das ist schwierig, da wird es auch viele Gespräche geben auch jetzt in den Nichtsitzungswochen, die wir haben, wird schon weiter vorbereitet.
Und noch mal: Ich setze da auch auf Einsicht und natürlich – das ist klar –, da muss sich die Koalition auch an bestimmten Teilen im Bereich Wachstum bewegen, versucht sie auch, wird sie auch. Nur, es darf kein Schachern und kein Basar sein. Ich glaube aber auch, das will keiner der Beteiligten.
Ostermann: Aber das Verbot von Leerverkäufen hat doch gezeigt, dass es sich lohnen kann, voranzugehen. Viele sind Angela Merkel später gefolgt, warum das nicht in Bezug auf die Finanztransaktionssteuer?
Fricke: Das ist vollkommen richtig. Wir haben jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt so viele, die gefolgt sind. Dass Leerverkäufe aber weiterhin weit möglich sind, hat nichts an der Gefahr der ganzen Sache geändert. Das heißt, wir haben zwar symbolisch etwas gemacht und daraus könnte man dann ziehen, guck mal, wir haben was getan. Nur, der tatsächliche Erfolg ist, dass diese Geschäfte jetzt auf anderer Ebene und auch in anderen Bereichen, in anderen Ländern stattfinden. Was in einem elektronischen Markt keine Rolle spielt, ob das Ding nun ein Elektron ist, das aus Frankfurt kommt, oder ob es eines ist, das aus Singapur kommt.
Nein, ich will keine Scheinlösung, die FDP will an der Stelle vernünftige Lösungen, deswegen sind wir ja auch gerade dabei. Und auch da gehen wir vor, dass wir versuchen, den Hochgeschwindigkeitshandel jetzt zu unterbinden mit vernünftigen Lösungen.
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Fricke: Ja!
Ostermann: Otto Fricke war das, der haushaltspolitische Sprecher der FDP. Herr Fricke, danke Ihnen für das Gespräch!
Fricke: Ich habe zu danken und wünsche einen schönen Tag!
Ostermann: Ihnen auch, danke!
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