Werner Seelenbinder

Wie der Ringer Widerstand gegen Hitler leistete

04:21 Minuten
Ringer Werner Seelenbinder, Widerstandskämpfer in der NS-Zeit
Werner Seelenbinder erreichte bei den Olympischen Spielen 1936 den vierten Platz. © dpa / picture alliance / akg-images
Von Steffen Hudemann |
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Er war ein erfolgreicher Ringer und vertrat Deutschland bei vielen internationalen Wettkämpfen. Gleichzeitig war Werner Seelenbinder ein Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Vor 80 Jahren wurde er hingerichtet.
Noch drei Jahre zuvor war er gefeierter Deutscher Meister im Ringen, doch nun ist Werner Seelenbinder ausgezehrt, abgemagert auf 60 Kilo. Nach mehr als zwei Jahren in Zuchthäusern und Konzentrationslagern schreibt er im Gefängnis in Brandenburg an der Havel seine letzten Zeilen. 

Ich habe in der Zeit meiner Haft wohl alles durchgemacht, was ein Mensch so durchmachen kann. Krankheit und körperliche und seelische Qualen, nichts ist mir erspart geblieben.

Werner Seelenbinder

Die Hoffnung aber gibt der Widerstandskämpfer auch in der dunkelsten Stunde nicht auf.

Ich weiß aber, dass ich in den Herzen von Euch und auch bei vielen Sportanhängern einen Platz gefunden habe, den ich immer darin behaupten werde.

Werner Seelenbinder

Wenig später ist Werner Seelenbinder tot. Gerade mal 40 Jahre alt. Ermordet mit dem Fallbeil, weil er sich dem NS-Terror entgegenstellte.

Geboren wird Werner Seelenbinder 1904 in Stettin. Er wächst in Berlin-Friedrichshain auf. Die Mutter stirbt früh, er kümmert sich um die jüngeren Geschwister, arbeitet als Hilfstischler, Hotelpage und Hausdiener.

Berolina in Berlin-Neukölln war sein Verein

Seine Leidenschaft findet er im Arbeiter-Sportklub Berolina in Neukölln. Hier trainiert er Ringen und Gewichtheben. Und er befasst sich mit den Werken von Karl Marx und Lenin.

1928 fährt er zur Spartakiade nach Moskau.
Am Sportfest der Sowjetunion, das Konkurrenz und Ergänzung zu den Olympischen Spielen sein sollte, nehmen Athleten aus ganz Europa teil. Seelenbinder holt als einziger Deutscher einen Sieg als Ringer im Halbschwer-Gewicht. 

Wenig später tritt er der Kommunistischen Partei, der KPD, bei. Und er wird zum erbitterten Gegner des aufkommenden Nationalsozialismus. 1933 - die Nazis haben inzwischen die Macht übernommen - wird Seelenbinder erstmals Deutscher Meister: Bei der Siegerehrung verweigert er den Hitlergruß.

Trotz dieses Eklats darf Seelenbinder weiter für Deutschland antreten.

Hitler: „Ich verkünde die Spiele von Berlin als Feier der 11. Olympiade neuer Zeitrechnung als eröffnet …“

1936 qualifiziert er sich für die Olympischen Spiele und wird Vierter. Im Fall eines Medaillengewinns, so berichten es Freunde später, hatte er sich erneut vorgenommen, den Hitlergruß zu verweigern.

Er baute ein Netz von NS-Widerstandsgruppen auf

Dazu kommt es nicht. Stattdessen hilft er, in den folgenden Jahren ein Netz von Widerstandsgruppen in Betrieben aufzubauen, nutzt seine Reisen als Sportler für Kurierdienste und als Verbindungsmann ins Ausland.

1942 fliegt die Gruppe auf. Seelenbinder wird festgenommen. 1944 verurteilt ihn der berüchtigte Volksgerichtshof zum Tode.

Nach dem Ende der NS-Herrschaft werden vor allem in der DDR zahlreiche Straßen, Schulen und Sportstätten nach ihm benannt.

Die Werner-Seelenbinder-Halle in Ost-Berlin ist über viele Jahre Veranstaltungsort für Parteitage der SED, aber auch für Radrennen, Handballspiele und in den Achtzigern zunehmend für Konzerte: Peter Maffay, Rio Reiser, Depeche Mode.

Die Halle wird 1992 abgerissen. Der Name Werner Seelenbinder aber steht bis heute für einen Sportler, der seinen mutigen Widerstand mit dem Leben bezahlte.

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