Musiker oder Happy-Go-Lucky-Hilfsbeatle?
Die hundeäugige Proto-Zielscheibe für Schlagzeugerwitze Ringo Starr wird heute 75 Jahre alt. Seine Lebensgeschichte gleicht eher der eines Fußballprofis als eines Rockstars: Und gerade das macht ihn so liebenswürdig.
MUSIK: The Beatles – Tomorrow Never Knows
Als Ringo bei den Beatles einstieg (als Ersatz für deren schlechten Trommler Pete Best), war er der beste Schlagzeuger in Liverpool ... Aber als die netten Jungs dann berühmt wurden und Superstars, da wunderten sich doch alle über diesen schmächtigen, etwas schmierig wirkenden Schlagzeuger mit den traurigen Augen, dem fliehenden Kinn und der großen Nase: Er hieß Richard Starkey, aber er nannte sich schon lange Ringo Starr - wegen der vielen Ringe, die er an den Händen trug ("weil ich sie nicht durch die Nase krieg", sagte er.). Und wer so aussah wie Ringo, er musste wenigstens dem Namen nach ein Star sein; ein richtiger, mit Doppel-R.
MUSIK: The Beatles – Tell Me Why
Ringo war als einziger Beatle ein echtes Proletenkind, aus dem schäbigsten Viertel des schäbigen Liverpool, unten am Hafen. Als Kind hatte er zwei Jahre im Tuberkulose-Sanatorium verbracht, und die Ärzte hatten gesagt, er würde wohl sterben. Stattdessen starb ihm sein Vater weg, der Dockarbeiter, der dem Sohn im Wesentlichen nicht mehr hinterließ als eine ganz bewusste Selbstgenügsamkeit. Die wurde dann überaus deutlich, wenn Ringo sang...
MUSIK: The Beatles – Yellow Submarine
...aber auch im Gesamtgewese dieser Super-Mega-Hyper-Band: Ringo war der einzige Normale in einem Käfig voller Narren. Er erdete die unfassbar erfolgreichen Überflieger. Als die Beatles dann LSD aßen, nach Indien gingen und ernst wurden und Sachen sagten wie "Gott ist alles", da spielte Ringo einfach Billard. Und als der Zusammenbruch in Sicht kam, gab jeder jedem die Schuld. Nur Ringo hielt sich da raus und kümmerte sich lieber ums Trommeln. Und dabei war er großartig!
MUSIK: The Beatles – The End
Man hätte ihn an einem Kran hochziehen können – und er hätte dabei nicht den präzisen Rhythmus verloren. Vor allem aber hörte er mit dem üblichen Umm-tschak-umm-tschack des Rockschlagzeugs auf und fing an, virtuos zu trommeln: zum Beispiel mit den Tom-Toms und den Becken – den Gesang zu begleiten: egal, worin die Songschreiber gerade wieder herumwühlten – indischer Sitarmusik, Swingnummern oder Hardrock.
MUSIK: Ringo Starr - Photograph
Nach den Beatles machte Ringo dann alles Mögliche, was ihm gerade Spaß machte: vom eigenen Plattenlabel bis zum extravaganten Möbelgeschäft. Und alle paar Jahre brachte er neue Platten raus – meist ziemlich langweilige Studioalben, aber mit sechs, sieben Riesenhits darauf. Doch Mitte der Siebziger wurden seine Platten schlechter, stattdessen trat der stets bescheidene Neu-Kalifornier plötzlich dem internationalen Jet-Set bei, mit Saufgelagen um die Häuser in Hollywood und Monte Carlo.
Und das ging die ganzen Achtziger so: Identitätskrise! Aber weil Ringo immer eine sehr integre Person war, mit der alle gern trinken gingen, kamen auch alle angehüpft, als er (mit seiner Frau gemeinsam) eine Alki-E-Kur gemacht hatte und sagte: Jungs, ich bin trocken: Lasst uns mal wieder spielen!
MUSIK: Ringo Starr and his All Starrs Band – With A Little Help From My Friends
Und das zelebriert er jetzt seit zweieinhalb Jahrzehnten: das Rumtingeln mit seinen Ringo Starr All Starrs – jenem regelmäßig wechselnden Haufen von großartigen Musikern, deren Bands irgendwann ein paar mal in den Charts waren. Und wenn er keine Musik macht, heckt er mit seiner Frau (dem Ex-Bondgirl Barbara Bach, mit dem gemeinsam er seit 27 Jahren keinen Alkohol mehr zu sich genommen hat, auch keine anderen Drogen, keine Zigaretten, auch kein Fleisch) irgendwelche neuen Ideen aus und kümmert sich um die verschiedenen Hilfswerke, die sie gegründet haben. Oder bringt zum Beispiel voller Begeisterung ein Kinderbuch raus zu jenem Krakengarten, über den er für die Beatles eins seiner wenigen Stücke geschrieben hatte - und zwar, nachdem ihm der Kapitän der Yacht von seinem Freund, dem Grosskomiker Peter Sellers, vom Leben der Kraken erzählt hatte und davon, dass die sich unter Wasser vor ihren Höhlen eine Art Garten errichten, in dem sie ihre zusammengesammelten Habseligkeiten ausstellen...
Ja, so funktioniert Ringo Starr, der Mann mit dem todernsten Humor und dem großen Herzen, der nichts zu ernst nimmt außer der Trommelei – und dem Wert, gut zueinander zu sein.
MUSIK: The Beatles – Octopus's Garden