Dadurch, dass wir zwei Profis in der Familie hatten, stand das nie zur Debatte, dass ich auch Profi würde und vor allen Dingen auch deshalb, weil mir die Arbeit im Büro wirklich viel Spaß gemacht hat.
Rita Drees
Mit 2432 Siegen fuhr Rita Drees Prämien in zweistelliger Millionenhöhe ein. © imago / Marius Schwarz / imago sportfotodienst
55 Jahre im Sulky
07:00 Minuten
Die heute 81-Jährige sammelte Auszeichnungen wie andere Leute Briefmarken. 2020 fuhr Rita Drees ihr letztes Rennen. Danach war Schluss, pandemiebedingt. Und so endete die Laufbahn der weltweit siegreichsten Amateurfahrerin so gut wie unbemerkt.
Im Mittelpunkt steht das Pferd. So hat es Rita Drees aus Epe in der Nähe von Gronau an der niederländischen Grenze schon immer gehalten. 55 Jahre lang war sie als Amateurfahrerin auf den Trabrennbahnen im In- und Ausland unterwegs. Die Erinnerung an ihre Anfänge sind eine Reise in eine andere Zeit.
„Das war 1965, schon sehr lange her inzwischen. Ich habe damals die Amateurfahrerprüfung gemacht und anschließend dann auch Rennen gefahren. Wobei man natürlich sagen muss: Es gab damals Amateurfahren für Herren und Amateurfahren für Damen. Und wir Damen waren eigentlich froh, wenn wir dann einmal im Monat ein Rennen hatten. Das sieht heute natürlich total anders aus.“
Als Zweijährige schon im Sulky
1978 wurden die Wertungen bei den Championaten zusammengeführt. Für Rita Drees machte das keinen Unterschied. Sie siegte einfach weiter, gewann insgesamt vierzehn Mal das Amateur-Championat. Das Leben mit und hinter den Pferden im Sulky wurde ihr in die Wiege gelegt.
„Ich war zwei Jahre alt, als ich schon mitgefahren bin auf dem Sulky zu Hause. Es war natürlich im Krieg. Aber dann nachher war das insofern klar: Mein Onkel war Profi, mein Bruder ging in die Lehre, wurde also auch Profi und ich war dann eben Amateur und hab dann die Unterstützung bekommen und habe auch wirklich sehr, sehr gute Pferde gefahren.“
In der Regel wurden die von ihrem Bruder Eckhard trainiert, der Trainer, Züchter und Profifahrer ist. Für Rita Drees, Jahrgang 1942, sollte es erst über einen kleinen Umweg auf die Rennbahnen gehen.
Vormittags Büro, nach Feierabend Rennbahn
„Das musste sein. Dafür hat Muttern sich eingesetzt. Hat gesagt, Du lernst erst irgendetwas, einen Beruf, in dem Du später auch selbständig arbeiten kannst. Und ich habe dann eine kaufmännische Lehre gemacht als Industriekaufmann, um das Wissen für Büroarbeit zu haben. Habe dann aber sehr lange beim Hauptverband und Vorgängern gearbeitet.“
Praktischer ging es kaum! Beim Hauptverband für Traberzucht, der damals noch in Kaarst in der Nähe von Düsseldorf saß, hatte sie die Pferde vormittags auf dem Schreibtisch, nach Feierabend ging es dann auf die Rennbahnen im Rheinland und im Ruhrgebiet. Dinslaken, Recklinghausen, Mönchengladbach, Gelsenkirchen – bis auf einen Tag in der Woche fand an jedem Abend irgendwo ein Rennen statt. Wozu also selbst Profi werden?
Ihren Lohn investierte sie darin, zu den Bahnen zu kommen und anderer Leute Pferde zu fahren. In der Regel erfolgreich. Zuverlässige Statistiken gibt es erst seit 1980 im Trabrennsport, vorher wurden nur Siege dokumentiert, keine Platzierungen und auch keine Teilnahmen. Schätzungen zufolge hat Rita Drees zwischen vier und einem zweistelligen Millionenwert an Sieg- und Platzierungsprämien eingefahren. Für sie selbst als Amateurfahrerin blieb davon:
„Absolut nichts. Das ist so im Trabrennsport, dass der Besitzer das Preisgeld des Pferdes erhält und je nach dem, was der Trainer für einen Vertrag hat, der finanziell beteiligt ist. Damals war immer eine Regel, zehn Prozent gingen an den Trainer und das andere ging an den Besitzer.“
2432 Siege in 55 Jahren
Die heute 81-jährige sammelte Auszeichnungen wie andere Leute Briefmarken. Gewann 2003, mit 61, das Finale der Deutschen Amateurmeisterschaft. Weitaus schwerer tut sie sich damit, ihre Erfolge zu gewichten.
„Tja, ich kann mich an den allerersten Sieg noch sehr, sehr gut erinnern. Aus den anderen ein Rennen besonders herauszunehmen, ist schwierig. Ich habe damals die Europameisterschaft gewonnen in Dänemark, eigentlich mit Außenseitern. Es war natürlich absolut eine Überraschung und über die lange Zeit, die ich gefahren habe, kam immer mal wieder ein Rennen zustande, dass man sagt: Meine Güte, dass das heute gegangen ist.“
Es ging genau 2432 mal. So viele Rennen hat Rita Drees gewonnen, darunter zweimal die Europameisterschaft. 1981 erhielt sie als erste Trabrennfahrerin das Silberne Lorbeerblatt.
Immer weniger Bahnen und Pferde
Sie habe immer zugesehen, dass das Pferd und sie gesund aus dem Rennen rauskommen und die Besitzer einigermaßen zufrieden sind, hat sie einmal gesagt. Ein Pferd ist für sie Partner, kein Sportgerät.
„Ich würde erstmal sagen, das Verständnis auf der einen Seite fürs Pferd. Weil ich mich also wirklich immer sehr um den Charakter auch gekümmert habe. Und die Erfahrung, die ich durch das viele Rennenfahren gewonnen habe. Dass man das Pferd in seinem Können, in seinen Stärken und Schwächen erkannt hat und dann versucht, das Beste im Rennen daraus zu machen.“
Während ihrer 55 Jahre im Sulky hat sich einiges gewandelt, auch auf dem Geläuf selbst:
„Ja, das Entscheidende ist, glaube ich, für mich, dass die Rennen ganz anders gelaufen werden. Früher hat man mehr geguckt, wo die Stärken und die Schwächen seines Pferdes liegen. Und heute geht es nur darum, eine gute Lage zu finden im Rennen und dann am Ende mit vorne zu sein.“
„Ja, das Entscheidende ist, glaube ich, für mich, dass die Rennen ganz anders gelaufen werden. Früher hat man mehr geguckt, wo die Stärken und die Schwächen seines Pferdes liegen. Und heute geht es nur darum, eine gute Lage zu finden im Rennen und dann am Ende mit vorne zu sein.“
Alles andere in ihrem Sport hat sich auch geändert. Bahnen wurden geschlossen, es gibt immer weniger Pferde sowie Fahrer und mit den Siegprämien kann sich ein Pferd nicht mehr selbst tragen.
Unspektakuläres Karriereende
Der Niedergang des Trabrennsports hierzulande liege: „In erster Linie aus meiner Sicht an den eigenen Fehlern. Denn sie haben irgendwie die Zeit verpennt. Wenn ich dran denke, Frankreich, die haben alle eine landesweite Wette. Und bei uns ist das das Lotto und die Sportwette ist mehr oder weniger unter den Tisch gefallen.“
2020 hat Rita Drees ihr letztes Rennen gefahren. Ohne zu wissen, dass es ihr letztes sein würde. Es ergab sich während der Pandemie irgendwie und so endete die Laufbahn der weltweit siegreichsten Amateurfahrerin mit 78 Jahren so gut wie unbemerkt. Was zu ihr passt. Denn sie ist keine, die mit ihren Erfolgen hausieren geht. Auch wenn sie gern und lebhaft von ihnen berichtet. Wenn sie gefragt wird. Nach wie vor verfolgt sie ihren Sport, vor Ort und mehr noch im Internet. Das stille Ende im Sulky gefällt ihr. Noch ein Rita Drees- Abschiedsrennen auf der Trabrennbahn in Gelsenkirchen? Sie lächelt kopfschüttelnd. „Nein, nein, das ist so schon in Ordnung, wie das gelaufen ist. Das brauchen wir nicht.“