Sorge um Türkei-Kooperationen in der Wissenschaft
Massenentlassungen, Verhaftungen, Reisebeschränkungen: Auch die türkische Wissenschaft leidet unter den Folgen des Putschversuchs. Was bedeutet das für die Kooperation mit Deutschland? Die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth spricht über ihre Erfahrungen im Kuratorium der Türkisch-Deutschen Universität.
Seit dem gescheiterten Putschversuch ist die Türkei in Aufruhr. Massenhafte Entlassungen und Verhaftungen sind beunruhigend; ebenso das Annullieren von 10.000 Reise-Genehmigungen und die Aufforderung an international arbeitende Akademiker, ins Land zurückzukommen. Plötzlich ist nicht mehr sicher, ob Wissenschaftskooperationen in vollem Umfang aufrecht erhalten werden können und wie sich die Zusammenarbeit mit türkischen Institutionen verändert. Was bedeutet die aktuelle Situation etwa für die Türkisch-Deutsche Universität, die vor zwei Jahren in Istanbul eröffnet wurde?
Diese Maßnahmen seien auch für die Türkisch-Deutsche Universität alarmierend gewesen, sagt die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) im Deutschlandradio Kultur. Sie ist Mitglied des Kuratoriums der Hochschule. Der Stopp für Auslandsreisen sei inzwischen wieder aufgehoben, Entlassungen habe es bislang nicht gegeben, so Süssmuth. Doch: "Nach wie vor ist die Phase der Suche nach verdächtigen Personen - und die Suche insbesondere nach den der Gülen-Bewegung Angehörenden - nicht abgeschlossen." So seien - wie bei allen Universitäten - die Dekane aufgefordert worden, zurückzutreten, bis sie überprüft seien - und dann möglicherweise wieder neu bestellt würden. "Dieser Vorgang läuft noch. Aber unser Rektor geht davon aus, dass die beiden Dekane zurückkehren werden." Süssmuth betonte aber, dass sich das lediglich auf den aktuellen Stand beziehe: "Ich kann nicht ausschließen, dass noch Maßnahmen eintreten können, die bislang noch nicht bekannt gegeben worden sind."
Abstimmung zwischen Bildungseinrichtungen notwendig
Der Austausch sei im Augenblick - zumindest für die Türkisch-Deutsche Universität - nicht behindert, erklärt Süssmuth. Damit meine sie, "dass bisher keine Interventionen im Bereich der Lehre oder auch der Kontakte zu deutschen und türkischen Unternehmen in Istanbul und darüber hinaus eingetreten sind". Im Augenblick laufe die Hochschule normal und es seien auch keine "Stoppschilder" bei der geplanten Erweiterung der Studiengänge zu erkennen.
Eine Abstimmung unter den großen deutschen Bildungseinrichtungen - etwa mit der Universität mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) - sei notwendig, betonte Süssmuth. "Weil wir immer auch wieder auch feststellen, dass wir mit Informationen arbeiten, die wir dann in Kürze widerrufen müssen. Denn mitunter fehlen einfach die Informationen. Das sage ich nicht in vorwurfsvollem Ton. Transparenz ist ja sehr begrenzt im Augenblick. Da achten wir jetzt schon darauf - auch in Zusammenarbeit mit dem DAAD - dass wir Informationen erst weitergeben, wenn wir ein paar Tage gewartet haben und nochmal überprüft haben, trifft das jetzt zu oder nicht."