Ritter von der traurigen Gestalt

Von Christian Linder |
Don Quijote - wer kennt ihn nicht, den Ritter von der traurigen Gestalt, der auf einem alten Klepper zusammen mit seinem Knappen Sancho Pansa durch die spanischen Lande zieht, ein kurioses Abenteuer nach dem anderen erlebt, gegen Windmühlen und allerlei Gespenster kämpft und zwischendurch über Gott und die Welt redet.
"El Ingenioso Hidalgo Don Quixote de la Mancha", "Der sinnreiche Junker Don Quijote de la Mancha", Roman des spanischen Schriftstellers Miguel de Cervantes, hat nicht nur einen Mythos, sondern auch den modernen Roman begründet. Modern geblieben ist dieser Mythos, weil die Parabel des Romans zum ersten Mal in der Geschichte der Literatur in die imaginären Innenwelten eines Menschen hineingeleuchtet hat, in die Welt jener phantastischen, auch tragisch-komischen Verrücktheiten, in denen Menschen ihr Leben erfinden und sich eine Wirklichkeit zu geben versuchen.

Den Kampf gegen Windmühlen kennt natürlich jeder. Als "Donquijoterie" ist er zum Sprichwort geworden. Don Quijote nannte der spanische Schriftsteller Miguel de Cervantes seinen traurigen Helden in dem gleichnamigen Roman, dessen erster Teil am 11. Oktober 1605 erschien, damals gleich zum Bestseller avancierte und bis heute einen großen Mythos der Literatur und des Lebens prägte.

Welche Verrücktheiten die Menschen ins Leben hineintreibt, hat Cervantes am Beispiel seines traurigen Ritters Don Quijote in einer heiteren, oft parodistisch wirkenden Gelassenheit erzählt. Die schon vor Jahrhunderten untergegangene Welt des Rittertums ist für Don Quijote immer noch reale Wirklichkeit. Lesend träumt er sich in diese alte Welt hinein. In Wirklichkeit heißt Cervantes Held Alonso Quijano, aber das ist natürlich kein Traumname für einen mutigen Ritter.

Das Programm steht fest. Ein Ritter braucht einen Knappen, und den findet Don Quijote in dem Bauern Sancho Pansa. Ein ungleiches Paar: Don Quijote stammt aus altem, wenn auch verarmtem Adel, eine hoch gewachsene, dürre Gestalt, durch und durch vergeistigt, während der kleine, rundliche Sancho Pansa aus dem "Volk" kommt, ein Plebejer und begeisterter Verfechter aller körperlichen Freuden, zu denen vor allem Essen und Trinken gehören. Vertritt Don Quijote die Welt der Ideen, so nimmt Sancho Pansa die Realität wahr und vertritt sozusagen ihr Prinzip.

Da ist das kuriose und von der Umgebung belächelte Paar unterwegs zum ersten Abenteuer. Windmühlen stehen in der Landschaft herum, und Don Quijote sieht in ihnen feindliche Riesen, die vernichtet werden müssen. Aber das sind doch keine Riesen, sagt Sancho Pansa, das sind doch nur Windmühlen. Don Quijote lässt sich nicht beirren und nimmt den Kampf auf, reitet auf seinem klapprigen Pferd, mit kampfuntauglicher Lanze und einem grotesken, zusammengeflickten Helm gegen die vermeintlichen Riesen an.

Wie sich das ungleiche Paar Don Quijote und Sancho Pansa zusammenrauft und in langen Gesprächen, die neben den grotesk-ironisch geschilderten Handlungsszenen den anderen Inhalt des Romans ausmachen, sich zwischen den beiden Helden eine Freundschaft entwickelt und der Größenwahn Don Quijotes, seine oft tragisch erscheinende Besessenheit dank Sancho Pansas relativierendem Humor ein menschliches Antlitz bekommt, ist die "eigentliche" Botschaft des Miguel de Cervantes.

Der 1547 in Alcalá de Henares geborene Cervantes wusste aus eigener Erfahrung, wovon er sprach: von den Widersprüchen des Lebens, seinen Anachronismen, vom Kampf der Ideen gegen die Realität, von erträumten Siegen und den Niederlagen, in denen alle Träume versinken. Erst als Cervantes, nach mehreren Schreibversuchen - frühe Theaterstücke konnten mit dem Werk Lope de Vegas nicht konkurrieren - den Mythos des Don Quijote erfunden hatte, wurde er ein innerlich freierer Mensch, versöhnt mit seinen oft maßlosen Erwartungen an die Welt.

Auch Don Quijote gewährt er am Ende dieses Erlebnis der Versöhnung, er darf wieder Alonso Quijano werden, "el Bueno", der Gute, wie man ihn nennt. Vierhundert Jahre ist das jetzt her, dass Miguel de Cervantes seinen Don Quijote auf eine abenteuerliche Lebensreise schickte, ihn die Schönheit, aber auch die Gefährlichkeit der Illusion entdecken ließ und zugleich die Genugtuung in der Freundschaft mit Sancho Pansa. Wir sind nicht allein in der Welt, lautet die trostreiche Botschaft von Cervantes' Roman, sondern in Gesellschaft.