Ritterleben und Folterspäße
Kaum zu glauben, aber beim Rossini-Festival in Pesaro, das seit 32 Jahren ausschließlich Werke Rossinis zeigt, ist noch immer Neues zu entdecken.
2011 wird zum ersten Mal in Pesaro szenisch das "Dramma per musica" Adelaide di Borgogna vorgeführt, eingebettet in die Feiern zu 150 Jahre "Italia unità". Die Oper ist eine Apotheose Kaiser Ottos, des ersten deutschen Königs, der auch Kaiser von Italien wurde. In Rossinis Oper schlichtet er in der Burg Canossa am Gardasee Nachfolge-Streitigkeiten nach dem Tod Lothars, des jungen Königs von Italien und heiratet dessen Witwe Adelaide. Kaiser Otto I. ist eine Hosenrolle, in Pesaro militärisch mit großem Helm ausgerüstet, gesungen von der Altistin Daniella Barcellona. Das relativiert den Militarismus dieser Oper ein wenig.
Allerdings richtig zünden kann die Neuentdeckung nicht, was nicht zuletzt an der Inszenierung von Pierr'Alli liegt. Sie vermischt 19. Jahrhunderts und Mittelalter und illustriert mit Videoclips aus dem Ritterleben und Gefechten in einer inzwischen ein wenig altmodisch erscheinenden Ästhetik das Geschehen. Der ironische Gestus wirkt dabei etwas aufgesetzt: ein Ritterturnier mit Regenschirmen, ein hektisches Winken mit Taschentüchern zur Begrüßung des Kaisers.
Sieht man von den verblüffend in pianissimo zurückgenommenen Klagen Adelaides durch die Austrialierin Jessica Pratt ab und ihren Liebesduette mit dem Kaiser, also mit Daniella Barcellona, sowie einem Ausbruch des tenoralen Bösewichts Bogdan Mihai, enttäuscht vor allem, wie unentschieden von Inszenierung und musikalischer Leitung (Dimitrij Jurowski) das romantische Geschehen erzählt wird. Pathetisch, banal, komisch, ernst?
Ganz anders hingegen die zweite Premiere: "Mosè in Egitto", vor 25 Jahren bereits einmal in Pesaro gezeigt. Festspielgeschichte hat aber 1997 vor allem eine spätere französische Fassung dieser Oper geschrieben, "Moïse et Pharaon" in der Inszenierung von Graham Vick, der den alten Sportpalast in eine Bühnenlandschaft umbaute, eine Bibliothek, die beim Marsch durch das Rote Meer unter Wasser gesetzt wurde.
War es bei "Moïse et Pharao" das Leben der Hebräer, von dem aus das Geschehen betrachtet wurde, ist es nun in "Mose in Egitto" das Los der Ägypter. Mit einer der großen Plagen, die Gott über die Ägypter gesandt hat, der "großen Dunkelheit" beginnt auch diese Fassung. Im neuen Sportpalast, einem hässlichen riesigen Bau, der nun dem Rossini-Festival als Festspielhaus dient, hat sich das Volk der Hebräer und Ägypter eingerichtet: Internetcafés, Nachrichtenstudios, mit Kleinbussen herbeigekarrte Terroristen, Soldaten und ihre Folterspäße. Und dazwischen Politiker, die mit immer neuen und dann wieder sogleich zurückgenommenen Versprechen in diesem Katastrophenszenario agitieren.
An den Lousiana Superdome, das Sportstadion, in dem die Opfer des Hurrican Katrina Zuflucht fanden, erinnert das Sportstadion in Pesaro, und das Geschehen an die aktuellen Ereignisse in Libyen und Ägypten 2011 (Bühne: Stuart Nunn). Es ist ein Ambiente, das die Energie von Rossinis Musik freisetzt, voll Spannung, gerade auch in den melancholischen Stellen, dirigiert von Roberto Abbado. Sonia Ganassi, die Hebräerin, und Dmitry Korchak, der hinterlistige Sohn des Pharao, die sich gleichwohl zärtlich lieben: ein Paar voll problematischer Leidenschaft, und vor allem Alex Esposito als Pharao ein moderner Politiker: ein Bariton voller Brillanz und plötzlicher kraftvoller Wut.
So unterschiedlich der Eindruck beider Aufführungen, die Reaktion des Publikums war bei beiden gleich. In den Applaus für die Regisseure mischten sich auch viele wütende Buhrufe.
Informationen des Rossini Opera Festival Pesaro (ital./engl.)
Allerdings richtig zünden kann die Neuentdeckung nicht, was nicht zuletzt an der Inszenierung von Pierr'Alli liegt. Sie vermischt 19. Jahrhunderts und Mittelalter und illustriert mit Videoclips aus dem Ritterleben und Gefechten in einer inzwischen ein wenig altmodisch erscheinenden Ästhetik das Geschehen. Der ironische Gestus wirkt dabei etwas aufgesetzt: ein Ritterturnier mit Regenschirmen, ein hektisches Winken mit Taschentüchern zur Begrüßung des Kaisers.
Sieht man von den verblüffend in pianissimo zurückgenommenen Klagen Adelaides durch die Austrialierin Jessica Pratt ab und ihren Liebesduette mit dem Kaiser, also mit Daniella Barcellona, sowie einem Ausbruch des tenoralen Bösewichts Bogdan Mihai, enttäuscht vor allem, wie unentschieden von Inszenierung und musikalischer Leitung (Dimitrij Jurowski) das romantische Geschehen erzählt wird. Pathetisch, banal, komisch, ernst?
Ganz anders hingegen die zweite Premiere: "Mosè in Egitto", vor 25 Jahren bereits einmal in Pesaro gezeigt. Festspielgeschichte hat aber 1997 vor allem eine spätere französische Fassung dieser Oper geschrieben, "Moïse et Pharaon" in der Inszenierung von Graham Vick, der den alten Sportpalast in eine Bühnenlandschaft umbaute, eine Bibliothek, die beim Marsch durch das Rote Meer unter Wasser gesetzt wurde.
War es bei "Moïse et Pharao" das Leben der Hebräer, von dem aus das Geschehen betrachtet wurde, ist es nun in "Mose in Egitto" das Los der Ägypter. Mit einer der großen Plagen, die Gott über die Ägypter gesandt hat, der "großen Dunkelheit" beginnt auch diese Fassung. Im neuen Sportpalast, einem hässlichen riesigen Bau, der nun dem Rossini-Festival als Festspielhaus dient, hat sich das Volk der Hebräer und Ägypter eingerichtet: Internetcafés, Nachrichtenstudios, mit Kleinbussen herbeigekarrte Terroristen, Soldaten und ihre Folterspäße. Und dazwischen Politiker, die mit immer neuen und dann wieder sogleich zurückgenommenen Versprechen in diesem Katastrophenszenario agitieren.
An den Lousiana Superdome, das Sportstadion, in dem die Opfer des Hurrican Katrina Zuflucht fanden, erinnert das Sportstadion in Pesaro, und das Geschehen an die aktuellen Ereignisse in Libyen und Ägypten 2011 (Bühne: Stuart Nunn). Es ist ein Ambiente, das die Energie von Rossinis Musik freisetzt, voll Spannung, gerade auch in den melancholischen Stellen, dirigiert von Roberto Abbado. Sonia Ganassi, die Hebräerin, und Dmitry Korchak, der hinterlistige Sohn des Pharao, die sich gleichwohl zärtlich lieben: ein Paar voll problematischer Leidenschaft, und vor allem Alex Esposito als Pharao ein moderner Politiker: ein Bariton voller Brillanz und plötzlicher kraftvoller Wut.
So unterschiedlich der Eindruck beider Aufführungen, die Reaktion des Publikums war bei beiden gleich. In den Applaus für die Regisseure mischten sich auch viele wütende Buhrufe.
Informationen des Rossini Opera Festival Pesaro (ital./engl.)