Fußball

Wie die USA und Mexiko ihre Rivalität ausleben

23:54 Minuten
Szene aus dem Fußball-Länderspiel USA gegen Mexiko im Allegiant Stadium, USA
Gerangel zwischen USA und Mexiko gibt es nicht nur auf dem Fußballplatz (hier eine Szene aus dem Spiel der beiden Teams im Jahr 2023). © dpa / picture alliance / Jorge Martinez
Von Ronny Blaschke |
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Die USA und Mexiko sind miteinander verflochten - auch im Fußball. Latinos prägen Mannschaften und Fankurven in US-Ligen. Doch die Fußballverbände streiten sich um Talente mit doppelten Staatsbürgerschaften. Wie wird die Rivalität die WM 2026 prägen?
Die Rose Bowl in Pasadena nahe Los Angeles gehört zu den größten Stadien in den USA. In wenigen Stunden soll hier das Derby zwischen den beiden Fußball-Erstligisten aus LA stattfinden, LA Galaxy und der LAFC.
Die Fläche vor der Rose Bowl gleicht einem Marktplatz. Der Geruch von Bratfett liegt in der Luft. Beliebt sind Hotdogs, Tacos, Burritos. Verkäufer werben mit heiseren Stimmen um Kundschaft, viele von ihnen sprechen Spanisch. Einige tragen das Trikot der mexikanischen Fußballnationalmannschaft.

Mexikos Heimspiele in den USA

„Oft kommen mexikanische Einwanderer in die USA, weil sie sich bessere Arbeitsbedingen erhoffen. Sie fühlen sich aber weiter mit ihrer Heimat verbunden. Im Fußball können sie diese Emotionen ausleben“, berichtet der Journalist Mike Woitalla, der für das Onlinemedium „Soccer America“ arbeitet
In der Region Los Angeles leben rund 18 Millionen Menschen, fast die Hälfte von ihnen ist hispanischer Herkunft. Besonders sichtbar und hörbar ist das im Stadion. Fußballfans stimmen Gesänge auf Spanisch an. Sie besuchen die Spiele ihrer Lieblingsklubs aus der Major League Soccer, der MLS. Aber sie freuen sich auch, wenn die Nationalmannschaft aus Mexiko in der Rose Bowl zu Gast ist, erzählt Mike Woitalla:
„Die mexikanische Nationalmannschaft bestreitet mehr Freundschaftsspiele in den USA als im eigenen Land. Häufig sind die Stadien ausverkauft. Der mexikanische Verband kann in den USA höhere Einnahmen erzielen.“

Bieterwettkampf um Doppelstaatler

Im Fußball sind die USA und Mexiko Partner und Rivalen zugleich. Ab den 1970er-Jahren trafen beide Nationalteams auch in LA aufeinander. Die Mehrheit im Stadion bejubelte die mexikanische Auswahl. Konservative US-Kommentatoren werteten das als Zeichen dafür, dass sich viele Amerikaner mexikanischer Herkunft nicht mit den USA identifizieren würden.
Der US-Fußballverband wünschte sich mehr Unterstützung für seine Mannschaft und verlegte Heimspiele gegen Mexiko in Städte, wo weniger Latinos leben. Aber das war nicht der einzige Streitpunkt, sagt Mike Woitalla:
„1998 hat die mexikanische Regierung ihre Einbürgerungsregeln geändert. So konnten US-Amerikaner mexikanischer Herkunft auch die mexikanische Staatsbürgerschaft beantragen. Sie durften nun in Mexiko Grundstücke und Immobilien erwerben. Dieses neue Gesetz brachte den Fußball beider Länder näher zusammen. Die Verbände der USA und Mexikos streiten sich oft um Spieler, die beide Staatsbürgerschaften haben.“

Fußball als Treffpunkt der weißen Mittelschicht

Die Zusammensetzung der Zuschauer auf den Tribünen und die Nationalteams verdeutlichen die Migrationsbewegungen in Nordamerika. Das ist eine relativ neue Entwicklung. Bis heute sind die USA das einzige westliche Industrieland, in dem der Fußball nicht die beliebteste Sportart ist.
Und es gibt noch einen Unterschied zu anderen Fußballnationen wie Deutschland, England oder Brasilien. Im US-Breitensport gilt Fußball als Treffpunkt der weißen Mittelschicht. Die vergleichsweise wenigen Jugendvereine können für ihre Mitgliedschaften stattliche Beiträge aufrufen. Reisekosten, Übernachtung, Ausrüstung: Da können für Eltern jährlich tausende Dollar zusammenkommen. 

In LA trainieren acht Mannschaften auf einem Platz

Deutlich wird das in der Metropole Los Angeles. In Downtown LA ist Armut so sichtbar wie sonst selten in den Vereinigten Staaten. Rund 70.000 wohnungslose Menschen befinden sich in Los Angeles in einem täglichen Existenzkampf - mehr als die Hälfe von ihnen in Downtown.
Jimena Torres ist in Downtown aufgewachsen. Nicht weit entfernt von der Wohnung ihrer Eltern steht sie auf einem Kunstrasenplatz und begrüßt ihre Spielerinnen. Torres ist Trainerin im Downtown LA Soccer Club, einem 2007 gegründeten Fußballverein.
Fast 450 Mädchen und Jungen sind im Verein eingeschrieben, mehr als 90 Prozent sind Latinos. Der Andrang ist groß, sagt Jimena Torres:
„Acht Mannschaften trainieren zur gleichen Zeit. Wir müssen uns also den Platz teilen. Wir können keine normalen Trainingsspiele bestreiten, sondern müssen uns kreative Übungen ausdenken. Wir sind sehr begrenzt in unseren Möglichkeiten.“

Integration nur durch Erfolg

Rassismus, Kaufkraft und Teilhabe sind in den USA eng verknüpft. Laut dem Census Bureau, einer Bundesbehörde, liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen von weißen US-Amerikanern bei mehr als 75.000 Dollar, bei Latinos bei deutlich weniger, etwa 60.000 Dollar.
Auch die talentierte Fußballerin Jimena Torres wuchs mit großen Herausforderungen auf. Sie war mit ihren Eltern und Geschwistern aus Mexiko in die USA eingewandert, da war sie fünf Jahre alt.
Ihre Familie erhoffte sich eine bessere Schulbildung für ihre Kinder. Aber teure Mitgliedschaften in Sportvereinen konnte sie sich nicht leisten. Torres hatte Glück und wurde mit 13 bei einem Übungsspiel von einem Verein gescoutet, der ihre Kosten übernahm.

Ich war die einzige Hispanic-Spielerin im Team. Es hat mir nicht wirklich Spaß gemacht. Niemand hat mit mir gesprochen. Erst als ich Tore geschossen habe, hat sich das geändert. Leider ist man im Fußball in den USA auf Geld und Kontakte angewiesen. Mir fehlte im Verein die Repräsentation, ich bin dort nicht lange geblieben.

Jimena Torres

Traumatische Erfahrungen

Jimena Torres konnte sich nicht an Gesprächen über Markenklamotten, Laptops oder teure Urlaube beteiligen. Mit der Zeit verlor sie das Interesse am Spitzenfußball. Stattdessen nahm sie als Erste in der Familie ein Studium auf, wurde Lehrerin, engagierte sich in der Gewerkschaft.
In ihrer Freizeit engagiert sich Jimena Torres beim Downtown LA Soccer Club. Als Trainerin in Downtown will sie über den Sport hinausblicken.
Im Großraum LA leben schätzungsweise 800.000 Menschen ohne Aufenthaltspapiere. Viele Eltern hispanischer Herkunft wollen ihre Kinder nicht bei Vereinen anmelden und dort ihre Daten hinterlegen, sagt Torres:
„Es kam vor, dass die Immigrationspolizei in unserem Viertel überraschend an Türen klopfte. Das können für unsere Spielerinnen traumatische Erfahrungen sein. Einmal traf ich auf eine Nachbarin, die weinte: Man hatte ihre Eltern mitgenommen und ausgewiesen.“
Jimena Torres
Jimena Torres war mit Eltern und Großeltern aus Mexiko in die USA eingewandert.© Ronny Blaschke

Eltern üben großen Druck auf Kinder aus

Etliche Spieler und Spielerinnen im Downtown LA Soccer Club sind mit ihren Eltern umgezogen, damit man sie nicht findet. Jimena Torres glaubt trotzdem, dass man es mit Fleiß zu Bildung und Unabhängigkeit bringen kann.
Deswegen ärgert sie sich, wenn sie abends mal nur mit fünf oder sechs Spielerinnen auf dem Platz steht. Weil die anderen länger auf ihre Geschwister aufpassen oder Einkäufe für die gestressten Eltern erledigen müssen.
Jimena Torres denkt auch darüber nach, wie Erfahrungen von einer Generation zur nächsten übergehen:
„Eltern üben großen Druck auf ihre Kinder aus, damit sie erfolgreich sind. So sind sie selbst erzogen worden. Eltern konzentrieren sich beim Fußball häufig auf das Negative. Doch als Trainerin möchte ich mit Spielerinnen empathisch umgehen. Ich weiß, dass sie schon genug gefordert werden.“

Modell der Gemeinnützigkeit gibt es in den USA nicht

Die Teams des Downtown LA Soccer Clubs sind für Turniere in Südkalifornien unterwegs, häufig in einkommensstärkeren Gemeinden. Wenn gegnerische Spielerinnen in großen Autos gebracht werden, kann das auf Kinder aus Downtown einschüchternd wirken. Schmerzhafter wird es, wenn weiße Eltern Parolen rufen wie: „Geht zurück nach Mexiko!“
In Südkalifornien bieten rund 600 Vereine leistungssportorientierten Jugendfußball an. Ein Modell der Gemeinnützigkeit mit günstigen Mitgliedsbeiträgen wie in Deutschland gibt es in den USA nicht. Dass der Downtown LA Soccer Club Spielerinnen kostenfrei aufgenommen hat, liegt nicht am System, sondern an Sponsoren.
„Man müsste den Spielerinnen einen kostenlosen Zugang ermöglichen“, findet Jimena Torres. „In meinem Team habe ich eine Spielerin, die es weit bringen könnte. Aber es gibt eine große Barriere: die Kosten.“

Das System außerhalb des Systems

Diese stark eingeschränkten Möglichkeiten haben auch Konsequenzen für die US-Nationalteams von Männern und Frauen. Dort waren Latinos lange unterrepräsentiert.
Immer mal wieder ist diese Zweiklassengesellschaft ein Thema. Zum Beispiel, wenn die US-Nationalmannschaft der Männer die WM verpasst, wie 2018 in Russland. Die Klubs reagieren auf Kritik, in dem sie Stipendien ausschreiben oder spanischsprechende Scouts beauftragen.
Aber gehen sie auch an die Wurzeln der Probleme? Laut dem nationalen Verband US Soccer spielen in den USA fast vier Millionen Menschen in registrierten Ligen Fußball. Aber drei Mal so viele, rund zwölf Millionen, sind jenseits dieser Strukturen aktiv. Allein in Kalifornien sind 500.000 Jugendliche an keinen Verband angebunden.

Am Anfang wollte in Watts niemand mitmachen

Wie das System außerhalb des Systems aussieht, kann man in Watts beobachten, im Süden von Los Angeles, 30 Kilometer entfernt von den Luxusboutiquen von Beverly Hills. Das Durchschnittseinkommen liegt hier bei 25.000 Dollar. Watts zählt zu den Stadtteilen mit der höchsten Kriminalitätsrate.
Luca Marton parkt sein Auto gegenüber dem „Empowerment Center“, einer Jugendeinrichtung mit Sportplätzen und Musikräumen. In der Umgebung reiht sich ein Flachbau an den nächsten. Fenster mit Gittern, bröckelnder Putz.
Luca Marton, der als Sohn eines renommierten Pädagogen in New York aufwuchs, kam 2018 nach Los Angeles. Kurz darauf kam er nach Watts, und schaute sich einen Bolzplatz an. Er erinnert sich:

Der Platz wurde nicht genutzt. Die Leute hatten Angst, denn es gab Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen. Ich kam mit Fußbällen hierher und habe an Türen geklopft. Ich stellte mich bei engagierten Leuten vor. Die haben mich dann mit anderen Leuten bekannt gemacht. Das war eine zähe Entwicklung. In den ersten Jahren wollte kaum jemand bei uns mitmachen.

Luca Marton

Luca Marton
Luca Marton ist für Street Soccer USA tätig.© Ronny Blaschke

Konfliktschichtung durch Fußball

Luca Marton trägt T-Shirt, Basecap und Tattoos an Armen und Beinen. Er arbeitet für die Nichtregierungsorganisation „Street Soccer USA“. Zweimal in der Woche lädt er Jugendliche in Watts zum Kicken ein. Der Bolzplatz gilt als einer der wenigen Orte im Viertel, in dem sich Latinos und Afro-Amerikaner ohne Vorbehalte begegnen.
„Es gibt Spannungen zwischen Gangs, und häufig kommt es zu Gewalt“, sagt Martin. „Die Eltern machen sich Sorgen um ihre Kinder. Ich erkläre ihnen, dass das gemeinsame Fußballspielen die Sicherheit erhöhen kann. Kinder lernen sich auf dem Platz früh kennen. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich später als Rivalen betrachten.“

Sozialsiedlungen ohne Freizeiteinrichtungen

In den vergangenen 100 Jahren kamen während größerer Migrationsbewegungen immer wieder Zehntausende Menschen nach Los Angeles. Die Stadt baute Sozialsiedlungen in Vororten, vor allem im Süden von LA. Aber es fehlen Schulen, Krankenhäuser und Freizeiteinrichtungen. In der Bevölkerung ist die Haltung verbreitet, dass die Polizei brutal gegen Schwarze Menschen und gegen Latinos vorgeht.
Die Konsequenzen von starker Repression und schwacher Prävention werden bis heute im Süden von LA deutlich. Fast die Hälfte der Erwachsenen hat keine Krankenversicherung. Viele fühlen sich von Polizei und Behörden schikaniert, erzählt Luca Marton:
„Ich komme nicht her und sage: Lasst uns mal über Rassismus sprechen. Das sollte nicht das zentrale Thema beim Fußball sein. Aber häufig kommt man an diesem Thema nicht vorbei. Wenn es wieder eine überharte Kontrolle der Polizei gab, dann sollten wir darüber sprechen.“

Ein Netzwerk für das ganze Land

Das Netzwerk von Street Soccer USA umfasst 14 Städte mit unterschiedlichen Herausforderungen im ganzen Land. Luca Marton hat Kinder in seinem Projekt zu Jugendlichen heranwachsen sehen. Einige sind nun selbst als Trainer aktiv. Marton hatte auch professionelle Trainer in Watts zu Gast.
Marton sagt: „Es haben sich hier erfahrene Trainer mit Studienabschlüssen vorgestellt. Aber sie haben nicht lange durchgehalten, weil sie wenig Empathie für die Probleme hatten. Wer hier gut her passt, sind Lehrer aus der Umgebung. Sie können sich in die Konflikte hineindenken.“
Jugendliche in Watts, USA
Jugendliche in Watts treffen sich regelmäßig zum Fußballspielen.© Ronny Blaschke

Einwanderer brachten ihre Hobbys mit

Das fehlende Verständnis füreinander in der Gegenwart ist auch ein Resultat aus der Geschichte. Viele Menschen in Kalifornien wissen nicht, dass das Gebiet ihres Bundesstaates bis 1848 zu Mexiko gehörte. Und auch aus Staaten in Mittel- und Südamerika kamen immer wieder Menschen nach Kalifornien. Sie brachten ihre Religion, ihre Traditionen, ihre Hobbys mit.
Zum Beispiel den Fußball, erzählt der Soziologe José Alamillo:

Der Sport bot den Einwanderern einen Raum, um sich heimisch zu fühlen. Beim Fußball konnten Mexikaner Freundschaften schließen und Kontakte für Jobs und Wohnungen knüpfen. Sie konnten mit anderen Einwanderern über ihre Herkunft sprechen. Im Sport entstand ein Gemeinschaftsgefühl.

Soziologe José Alamillo

Latinos gründeten eigene Ligen

José Alamillo hat Zeitungen, Chroniken und Biografien studiert. In seinem Buch „Deportes“, Sport, berichtet er über „die Entstehung einer sportlichen mexikanischen Diaspora“. Es waren britische Einwanderer gewesen, die den Fußball in den 1880er-Jahren in den USA etablierten. Bei der ersten Weltmeisterschaft, 1930 in Uruguay, belegte die ausnahmslos weiße US-Mannschaft den dritten Platz.
Auf Jahre hinaus prägten nordeuropäische Einwanderer den Fußball. Latinos waren nicht willkommen, sagt José Alamillo: „Rassismus gehörte zu ihrem Alltag. Die ersten Fußballligen in Los Angeles wollten nur wenige Latinos aufnehmen. Das wurde ein großes Thema. Latinos haben eigene lokalen Ligen gegründet.“

Marketing für Profifußball in den USA war nicht durchdacht

In den folgenden Jahrzehnten gab es mehrere Versuche, den Profifußball in den USA zu verankern. In Kalifornien gingen etliche Klubs gezielt auf Latinos zu: In den 70er-Jahren zum Beispiel die Los Angeles Aztecs. Ihr Name lehnte sich an die Hochkultur der Azteken im vorkolonialen Mexiko an. Die Aztecs gewannen in ihrer ersten Saison die Meisterschaft.
Doch die damalige Profiliga vermarktete den Fußball als europäischen Sport, um weiße Fans nicht zu verlieren. 1976 präsentierten die Aztecs die nordirische Ikone George Best als Spieler. Zudem holten die Aztecs aus den Niederlanden Trainer Rinus Michels und Spielmacher Johan Cruyff. Die Kosten stiegen, der Erfolg blieb aus, die Zuschauerzahlen gingen zurück.

Auf den Sportplätzen von Schulen

Die Aztecs stellten ihren Spiel-Betrieb 1981 ein, erinnert José Alamillo:
„Der Verein wollte eine internationale Ausrichtung mit einigen Latino-Spielern. Aber das sprach die mexikanischen Amerikaner nicht an. Auch das Marketing war nicht durchdacht. Der Klub ging zu wenig auf die spanischsprachigen Medien in den USA zu, und davon gibt es viele. Es gab damals auch keine guten Stadien für die LA Aztecs. Die Mannschaft musste auf Plätzen von Unis oder Schulen spielen.“
Wichtig für die Entwicklung des Fußballs in den USA war die heimische Weltmeisterschaft 1994 und die Gründung der Major League Soccer zwei Jahre später. Und nun, fast 30 Jahre später, wollen auch die Vereine in Los Angeles Latinos als Fans gewinnen.
Laut einer Studie der Stanford University wuchs das Durchschnittseinkommen von Latinos seit der Jahrtausendwende stärker als in jeder anderen Bevölkerungsgruppe. Insgesamt sind in den USA 60 Prozent der Latinos jünger als 35. Wie kann der Fußball das für sich nutzen?

Projekte im ganzen Stadtgebiet

Der südliche Rand von Downtown Los Angeles. Der Campus der University of Southern California ist ganz in der Nähe. Auf Grünflächen spielen Kinder, dahinter Verkaufsstände. Vegetarisches Essen, Limonade, eine Hüpfburg. Aus allen Seiten eilen Fans in schwarzen Trikots herbei, darunter Familien mit Kindern. Ihr Ziel: Das BMO Stadion, Spielstätte von Angel City, dem führenden Frauenfußballverein der Region.
Bei Angel City hat Nicole Moreno das Outreach-Programm aufgebaut, Projekte, um das Interesse im Stadtgebiet zu wecken. Sie sagt.
„Es ist wichtig, dass wir unsere Marke in der Stadt bekannt machen und Tickets verkaufen. Es reicht aber nicht, Rundmails zu versenden. Die Leute merken schnell, ob man es ernst meint oder nicht. Wir möchten auch in die Viertel unserer Fans gehen. Regelmäßig, nicht nur einmal im Jahr.“

Prominente Unterstützerinnen

Es geht um Talente, Sponsoren, Kundschaft. Neben den Männervereinen LA Galaxy und LAFC ist Angel City der dritte und jüngste Profiverein, der in Los Angeles um Aufmerksamkeit wirbt.
Zu den Eigentümerinnen von Angel City gehören die Schauspielerin Natalie Portman und die Tennisspielerin Serena Williams. Mit dabei ist die Schauspielerin Eva Longoria, deren Eltern aus Mexiko stammen.
Es ist ein Umfeld, in dem sich die Funktionärin Nicole Moreno aufgehoben fühlt:
„Mein Vater kam mit seiner Familie in die USA, als er noch ein Kind war. Er studierte und arbeitete hart. Später setzte er sich als Bürgerrechtsanwalt für Einwanderer ein. Mein Vater war ein leidenschaftlicher Sprecher in seiner Community. Er hat es mir ermöglicht, dass ich Fußball spielen konnte.“

WM-Titel ohne eine einzige Latina

Nicole Moreno wuchs im Osten von Los Angeles auf, wo viele Mexikanisch-stämmige Menschen leben. Fußballvereine für Mädchen gab es in ihrem Viertel nicht. Daher musste sie fürs Training ins Umland fahren:

Wenn ich als junge Spielerin auf die Nationalteams der USA geschaut habe, auf Männer und Frauen, dann habe ich mir gedacht: Diese Teams sehen nicht so aus wie die Menschen aus meiner Stadt. Deswegen konnte ich mich mit den Teams nicht identifizieren. Aber dadurch ist meine Motivation gewachsen. Ich wollte als Trainerin mit Kindern arbeiten, die nicht den Luxus haben, überall hingefahren zu werden.

Nicole Moreno

Und auch heute spiegelt sich die Vielfalt der US-amerikanischen Gesellschaft noch nicht im Fußball der Frauen wider. Auch nicht im Nationalteam. 2019 feierten die USA in Frankreich den WM-Titel - ohne eine einzige Latina im Team. 2023, bei der WM in Australien und Neuseeland, standen zwei hispanische Spielerinnen in der Auswahl: Ashley Sanchez und Sofia Huerta.
Nicole Moreno
Nicole Moreno arbeitet als Funktionärin.© Ronny Blaschke

Tickets für mexikanische Infuencer

Angel City möchte neue Wege gehen. Zum Beispiel mit Turnieren oder Autogrammstunden in hispanisch geprägten Vierteln. Es geht auch um die Vermittlung von Informationen. Wie können sich lokale Klubs Steuervorteile sichern und Minispielfelder anmieten? Wo finden sie Trainingskurse auf Spanisch?
Zudem hat Angel City eine Partnerschaft mit dem mexikanischen Fußballverband abgeschlossen, sagt Nicole Moreno.
„Einmal im Jahr möchten wir gegen das mexikanische Nationalteam antreten. Das erste Spiel fand in LA statt. Das war eine große Party. Wir haben einige mexikanische Influencer eingeladen, Musiker, TikTok-Stars. Damit sich unsere Botschaften verbreiten. Dieses Spiel hat unsere Leidenschaft vergrößert.“

Hohe Ticketpreise für Messi

Nicole Moreno ist eine von wenigen nicht-weißen Funktionärinnen im US-Fußball. In den Führungsetagen, Geschäftsstellen und Trainerstäben geht die Beteiligung von Latinos kaum über einstellige Prozentpunkte hinaus.
2026 findet die Fußball-WM der Männer in Nordamerika statt, in den USA, Mexiko und Kanada. Es ist eine Chance, um in den USA sachlich über Rassismus, Identität und Migration zu diskutieren.
Zuletzt gehörte die Aufmerksamkeit vor allem Lionel Messi, der 2023 zu Inter Miami gewechselt ist. Hunderttausende wollen ihn live erleben. So stiegen auch in Los Angeles die Ticketpreise für Messis Spiele auf mehrere Tausend Dollar an. Es waren vor allem Latinos, die den Wechsel Messis nach Amerika gefeiert haben, aber viele von ihnen können sich kein Ticket leisten.

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