Roald Kaldestad/ Björn Rune Lie: Für immer Freunde
Übersetzt von Nora Pröfrock
Verlag Kleine Gestalten, Berlin 2016, 48 Seiten, 14,90 Euro
Wenn der erste Liebeskummer nagt
"Mit ihr ging die Sonne in ihm auf", trauert ein Junge nach dem Abschied von seiner Freundin im Jugendbuch "Für immer Freunde". Dem Norweger Roald Kaldestad ist ein wunderbares, leises Buch über das Thema Veränderung und Abschied gelungen.
269 Tage ist sie weg: Lena, seine allerbeste Freundin. Weggezogen in eine andere Stadt. Und seitdem ist kein Tag mehr wie er sein sollte. Alles ist traurig für den Jungen mit den Sommersprossen. Besonders wenn es regnet, vermisst er Lena am meisten. Still sitzt er dann am Fenster, zerfressen von Sehnsucht, schaut den Tropfen beim Tröpfeln und den Wolken beim Weiterziehen zu. Nichts fühlt sich mehr richtig an. Die Tage sind trist. Seine Eltern glauben gar, er habe die Grippe, so schlecht fühlt sich der Junge.
Dabei trauert er und lebt entsprechend ganz in der Erinnerung an all die wunderbaren Dinge, die er gemeinsam mit Lena erlebt hat. Spielen, reden, lachen, schweigen - alles war gut oder wie es im Buch heißt: "Mit ihr ging die Sonne in ihm auf." Zum Trost schickt Lena regelmäßig Pakete, in denen oft nur ein kleiner Zettel steckt. "Boing, boing" steht dann da oder "oi, oi" – geheimnisvolle Nachrichten, die den Jungen froh machen sollen und ihm sagen: Wir sind Freunde für immer! Und tatsächlich hilft das, jeden Tag ein bisschen mehr.
Raum für den Trennungsschmerz
Auch dass seine Eltern ihm Zeit lassen, einfach da sind und den Alltag leben, tröstet. Dabei fragen sie nicht viel, geben ihrem Kind den Raum, den es für seine Trauer braucht. Bis schließlich irgendwann gegenüber ein Mädchen einzieht - auch sie wirkt so, als würde sie unter Trennungsschmerzen leiden und dringend einen Freund brauchen - am besten einen, der sich mit solchen Gefühlen auskennt.
Ein wunderbar vielversprechendes Ende, für dieses beeindruckende Buch: Tatsächlich gelingt es Roald Kaldestad mit "Freunde für immer" hervorragend, seine kleinen Leserinnen und Lesern ernst zu nehmen. Nicht nur, indem er ihnen diese Gefühle zugestehen, sondern auch, weil er ihnen Mut macht, mit dieser Herausforderung umzugehen. Und zwar einfach, indem er die Trauer zulässt und ihr Raum gibt: 48 Seiten lang. Denn auch Kinder kennen Verlustschmerzen, wenn Freundschaften sich verändern. Auch sie haben Liebeskummer, nicht viel anders als Erwachsene. Und wie diese brauchen auch Kinder Zeit und vor allem Verständnis, um mit solchen Veränderungen umzugehen. Und zwar jedes Kind in seinem eigenen Tempo, mit seinen eigenen Hoch und Tiefs, mit seiner eigenen Antwort und seinem eigenen Trost. Und doch im Wissen: Alles wird gut! Egal wie unvorstellbar das im ersten Moment auch sein mag.
Traurig-schöne Illustrationen
Getragen wird die Geschichte von den Illustrationen von Björn Rune Lie. Der Norweger hat seine doppelseitigen Bilder durchgängig in blau, grau und rot gehalten, was dem Buch selbst eine ganz eigene Optik schenkt und zugleich die Stimmung des namenlosen Jungen perfekt untermalt. Da sind etwa die Pfützen, in denen die Baumblätter treiben und die die Schatten der Bäume reflektieren. Traurig-schön stehen sie damit sinnbildlich für die Einsamkeit des Jungen. Oder das Titelbild, auf dem Lena und er im Baum klettern, mit Indianerbemalung im Gesicht, vor blassroten Blättern und hellblauem Himmel - mutig und froh. Dabei erinnern die Bilder an digital bearbeitete Fotografien, mit oft überraschender Perspektive: Eins der Bilder wirkt so, als sei es vom Boden aus gemalt. Die darauf abgebildeten Autoreifen im Vordergrund erdrücken scheinbar den dahinter stehenden Jungen. Symbolischer geht es kaum noch. Und doch wirkt das nie kitschig.
Autor und Illustrator ist so ein wunderbares, leises Buch gelungen über das wichtige Thema Veränderung und Abschied. Denn beides gehört zum Leben dazu. Nur wer das begreift, kann wirklich glücklich werden. "Für immer Freunde" hilft das verstehen zu lernen.