Robert Fleck: „Art. Kunst im 21. Jahrhundert“
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Kunst in der „multiplizierten Bildergesellschaft“
07:36 Minuten
Fleck, Robert
Art. Kunst im 21. JahrhundertEdition Konturen, Wien, Hamburg 2021174 Seiten
32,00 Euro
Die Digitalisierung des Kunstfeldes stellt Kunst und Künstlerinnen vor ganz neue Herausforderungen. Robert Fleck beschreibt in seinem Buch den Weg der Kunst ins 21. Jahrhundert.
„Das Ende der Kunst, der menschlichen Kunst.“ Als die kanadische Sängerin und Neurowissenschaftlerin Grimes, Ex-Gefährtin des Techno-Unternehmers Elon Musk, vor zwei Jahren diese Prophezeiung wagte, klang das wie die postdigitale Version von Hegels und Adornos Diktum vom Ende der Kunst.
Dieses Ende kommt natürlich nie. Auch in seinem neuen Buch sieht Robert Fleck es nicht nahen. In „Das Kunstsystem im 21. Jahrhundert (2013) warnte der Kunstwissenschaftler zwar schon vor der Monetarisierung und Globalisierung als Gefahren.
In seinem jüngsten Band konstatiert der ehemalige Intendant der Bonner Bundeskunsthalle und heutige Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie nun eine andere „Verschiebung der Kräfteverhältnisse“, mit denen Kunst und Künstler im 21. Jahrhundert umgehen müssten. Seinen Enthusiasmus über die Möglichkeiten der Kunst verliert er aber nie.
Verschiebung der Kräfteverhältnisse
Als Kern dieser Verschiebung sieht Fleck diesmal die Digitalisierung des Kunstfeldes. Neben der Digitalkunst meint er damit die Tatsache, „dass sämtliche Bereiche des Kunstgeschehens mit Ausnahme des physisch präsenten Kunstwerks ins Internet verlagert sind und dort auch gesteuert werden.“
Das betrifft den Kunsthandel oder das Online-Viewing. Aber auch die künstlerische Arbeit selbst. Künstlerinnen versenden ihre Arbeiten per Mail, werben für sie auf Instagram. Sie entwerfen sie digital, realisieren sie analog, mixen beständig die beiden Formen.
Mit den neuen Bildtechniken verfügten sie, so Fleck zutreffend, „über eine ungeahnte Amplitude der Ausdrucks- und Gestaltungsräume, der Formgestaltung und der Farbauswahl.“ So wie fotografisches und filmisches Bild auf einem einzigen Träger zusammenfielen, verschwindet für ihn die klassische Fotografie.
Die Situation heute gleicht für Fleck der Revolution des Buchdrucks um 1500. Seine Formel von der „multiplizierten Bildergesellschaft“ ist eine späte Beglaubigung der vergessenen Diskussion um den „iconic turn“. Bilder stehen, so Flecks schwer widerlegbares Fazit, „in der Kommunikation dessen, was stattfindet, vor der Sprache – und sie zirkulieren in ihrer eigenen Sphäre.“
Das ließe sich als Sieg der visuellen Künste interpretieren. Zwinge Künstler aber auch, das konstatiert Fleck richtig, das Eigenständige ihrer Arbeit gegen die automatisierte Bilderflut zu bestimmen. Ein Patentrezept dafür hat er aber auch nicht parat.
Bilder stehen vor der Sprache
Für einen Schüler von Foucault und Deleuze bleiben Flecks Definitionen oft reichlich allgemein, die Belege für seine Thesen zufällig. Dennoch gelingt ihm mit „Art“ ein überaus verständliches Panorama der Kunst im Zeichen ihrer finalen Entmaterialisierung.
So eindringlich wie Fleck diesen fundamentalen Wandel herausarbeitet, nimmt sich der Wandel der Inhalte, mit denen er beschreibt, wie die Kunst zur äußersten Gegenwart aufschließt, fast nebensächlich aus: die neuen Konzepte von Körper und Geschlecht, die Reflexion des Postkolonialen, des Ökologischen und der neuen Kriege.
Eine wichtige Herausforderung klammert er leider aus: Die Künstliche Intelligenz. Nicht zufällig hat die Sängerin Grimes ihre kürzlich gegründete AI Girls Band NPC mit den Worten gepriesen, dass sie all das könne, was „Menschen nicht können“.
Aber gerade, wenn Roboter eines Tages tatsächlich die Kunst übernehmen sollten, käme es auf das an, was Fleck als Kernkompetenz lebendiger Künstlerinnen sieht: die Fähigkeit zum symbolischen Handeln, zur symbolischen Setzung.