Robert Lebeck: 1968
Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg
04.03.2018 bis 22.07.2018
Jahr des Aufbegehrens
Rudi Dutschke spricht in Prag, Studentenbarrikaden oder der Papstbesuch in Bogota – die Fotos von Robert Lebeck sind legendär. Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt eine Sammlung von bisher unveröffentlichten Aufnahmen des Stern-Fotografen.
Robert Lebeck: "Man muss das Glück empfangen. Man muss auch die Kamera bereit haben. Ich habe nur immer Angst gehabt, wenn man zu sehr über das Glück redet, dann entfleucht es. Plötzlich hört es auf."
Deshalb machte Robert Lebeck nie viele Worte – sondern Bilder. Der Fotoreporter der Illustrierten "Stern" stürzte sich in den von Militärpolizisten kaum gebändigten Trubel beim Papstbesuch in Bogota. Lieferte aus New York berührende Szenen von der Trauerfeier für den ermordeten Robert Kennedy. Porträtierte bei der documenta in Kassel den Kunstrevoluzzer Joseph Beuys. Und begleitete den Studentenführer Rudi Dutschke auf einer Reise nach Prag, in den Prager Frühling. Mitten im Auf- und Umbruchjahr 1968:
Alexander Kraus: "Das Absurde ist, dass im Stern tatsächlich ein Artikel geschrieben wurde, der aber nicht bebildert wurde. Obwohl es die Fotografien von Robert Lebeck gab. Das sind natürlich immer bildredaktionelle Entscheidungsprozesse, die wir nicht nachvollziehen können und auch nicht rekonstruieren können."
Kurator Alexander Kraus zeigt auf eine Museumsvitrine mit Kontaktkopien: Schwarzweißabzüge der Kleinbildnegative, jeweils 36 durchnummerierte Aufnahmen pro Bogen. Unter der Lupe sind geheimnisvolle Zeichen zu erkennen. Rote, gelbe, grüne Punkte oder Kreuze, redaktionelle Anweisungen für eine Vergrößerung oder die Retusche. Denn Lebeck hat seine Aufnahmen nie selbst in der Dunkelkammer ausgearbeitet. Der Stern-Fotograf schickte die Filmrollen nach Hamburg, erst in der Zentrale wurde dann aus der Masse des Negativmaterials ausgewählt, über Ausschnitt und Layout entschieden. Schließlich war Lebeck Reporter, kein Fotokünstler.
Alexander Kraus: "Jetzt ist es aber so, dass Robert Lebeck ja selbst schon in seiner frühesten Ausstellung, die er gemacht hat – 1962 – auch seine Reportagefotos zu Kunstfotos gemacht hat."
Fotos im großen Format und neu abgezogen
Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe gab Lebeck sehr früh schon die Gelegenheit, einige Fotos zu präsentieren. Jetzt aber, vier Jahre nach dem Tod der Reporterlegende, ist seine Fotografie in einem veritablen Kunstmuseum angekommen. Im großen Format, alles neu abgezogen. Technisch: state of the art. Ästhetisch: pikobello, einheitlich schwarz gerahmt. Ganz das Gegenteil des unruhigen Illustriertenlayouts.
Alexander Kraus: "Die Bilder sollen wirklich mal für sich selbst sprechen. Und sie sollen die Geschichten erzählen, die Robert Lebeck mit ihnen erzählen wollte."
Also nicht die spektakuläre, sensationsheischende Auswahl von damals. Sondern 120 Aufnahmen, die charakteristisch sind für "1968" – von denen aber kaum ein Dutzend im Stern abgedruckt wurde. Denn Lebeck – das suggeriert die Auswahl des Kunstmuseums – ging es um Stimmungen und Atmosphäre, nicht um die "action" der Demonstrationen, sit-ins oder Happenings. Bestes Beispiel: die vom Stern nicht weiter beachtete Reportageserie aus Prag im Reformfrühling.
Alexander Kraus: "Diese Stimmung in der Stadt. Es gibt eine ganz schöne Strecke von Robert Lebeck, wo er einfach Passanten beim Zeitungslesen fotografiert hat. Und das ist eine schöne Dokumentation wie die Pressefreiheit durchschlägt. Und solche Aufnahmen sind natürlich ein veritabler Schatz, weil es eine ganz neue Perspektive auf die Geschichte des Prager Frühlings bringt."
Die Ausstellung zeigt, was Lebeck nicht abbildete
Auch für Wolfsburg weitet sich der Blick: Lebeck dokumentierte 1968 neben der Arbeit im VW-Werk den pazifistischen Protest gegen ein feierliches Gelöbnis von Bundeswehr-Rekruten. Ob der Fotojournalist mit den Schülern und Lehrlingen sympathisierte oder einfach nur ein Auge hatte für die Unterbrechung des sattsam bekannten Militär-Rituals – schwer zu entscheiden. Museumsdirektor Ralf Beil vermutet:
"Dass er für sich schon seine politischen Vorstellungen hatte, die aber nicht in seine Bildwelten hineingetragen hat. Und dass hier das Spannende ist, dass es eben nicht eine Parteinahme ist, sondern dass es der Zugriff ist auf die Realität von 68 jenseits der Studentenbarrikaden."
Die Barrikade – das Symbol für '68 – fehlt. Aus gutem Grund:
Ralf Beil: "Ich glaube, es ist viel spannender mit dem Papst in Bogota zu sein, mit Rudi Dutschke in Prag. Oder das Jahrhundertereignis der Beerdigung von Kennedy, wo ja eben der Vietnam-Krieg nicht beendet wurde, wo die Hoffnung aufblühte mit diesem Präsidentschaftskandidaten und sich einfach nicht erfüllte."
Da allerdings hat der "Stern" eine ganz andere Geschichte erzählt vom Zusammenrücken der zutiefst gespaltenen US-Gesellschaft am Sarg von Robert Kennedy: Die Redaktion hatte Lebecks Aufnahmen gekontert, ganz einfach spiegelverkehrt abgedruckt. Damit – wie jeder Volontär lernte – die Menschen nicht aus der Zeitungsseite herausschauen. Deshalb rückte die Trauergemeinde näher aneinander, bildlich gesehen. Sehr eindrucksvoll, in einem Panoramafoto über zwei Seiten.
Da allerdings hat der "Stern" eine ganz andere Geschichte erzählt vom Zusammenrücken der zutiefst gespaltenen US-Gesellschaft am Sarg von Robert Kennedy: Die Redaktion hatte Lebecks Aufnahmen gekontert, ganz einfach spiegelverkehrt abgedruckt. Damit – wie jeder Volontär lernte – die Menschen nicht aus der Zeitungsseite herausschauen. Deshalb rückte die Trauergemeinde näher aneinander, bildlich gesehen. Sehr eindrucksvoll, in einem Panoramafoto über zwei Seiten.
Alexander Kraus: "Es ist ja so, dass Lebeck immer mit Blick auf eine Doppelseite fotografiert hat – für das Medium Illustrierte."
Da waren sie sich dann doch einig, Robert Lebeck und der "Stern".