Robert Misik: Kaputtalismus. Wird der Kapitalismus sterben, und wenn ja, würde uns das glücklich machen?
Aufbau Verlag. Berlin 2016.
224 Seiten, 16,95 Euro
Kaputt, doch Rettung in Sicht
"Sozial", "hochentwickelt" und "wettbewerbsorientiert" sind die Attribute, die meist dem Kapitalismus westlicher Prägung vorangestellt werden. Für den Publizisten Robert Misik allerdings ist nur ein Kapitalismus-Attribut zutreffend: "kaputt". Doch er sieht Hoffnung.
"Wird der Kapitalismus sterben, und wenn ja, würde uns das glücklich machen?", fragt der österreichische Publizist Robert Misik und nimmt die Antwort mit seinem programmatischen Buchtitel gleich vorweg: "Kaputtalismus" ist das globale Phänomen, das er in den kapitalistisch entwickelten Staaten vorzufinden glaubt.
In dieser Wortschöpfung, über deren Geist und Witz sich streiten lässt, drückt sich die Kernthese von Misik aus: Der Kapitalismus ist nach seiner Einschätzung dem Untergang geweiht, er ist "kaputt" und lässt sich nicht mehr reparieren. Für den marxistisch geschulten Autor steht fest, dass das nicht bloß das Ergebnis einer falschen Politik ist, sondern eine (selbst-)zerstörerische Tendenz dem kapitalistischen System inhärent ist.
Welche konkreten Faktoren haben zur derzeitigen Krise des Kapitalismus beigetragen? An erster Stelle steht für Misik die Austeritätspolitik der Europäischen Union, die er scharf kritisiert und für den "Niedergang" der Krisenländer wie Griechenland verantwortlich macht. Problematisch sind aus seiner Sicht ferner die Wettbewerbsideologie, die Dominanz der tendenziell instabilen Finanzmärkte bei gleichzeitiger Verdrängung der tendenziell stabilisierenden Gütermärkte und die damit einhergehende Konzentration von Reichtum.
Eine neue Oligarchie auf dem Vormarsch
Weil Maschinen zunehmend die Menschen ersetzten, werde der Produktivitätsfortschritt verlangsamt; der Kapitalismus, der auf Wachstum angewiesen sei, stagniere. Dass damit dessen Ende absehbar sei, ist für Misik jedoch begrüßenswert: Er sieht eine neue "Oligarchie" auf dem Vormarsch, die "Ehe von Kapitalismus und Demokratie war nur ein Arrangement für Schönwetterperioden", seit der Eurokrise werde autoritär "von oben nach unten" "durchregiert".
Trotz seiner radikalen Kritik gelingt es Misik, nicht in einen apokalyptischen Ton zu verfallen, und das hat einen einfachen Grund: Die sukzessive Transformation des Systems in eine Solidarökonomie, die ihm in Form von Kooperationen, dezentralen Netzwerken und einer lokalen Konzentration des Wirtschaftens als Lösung vorschwebt, sei im Gange. Das Zeitalter des "Post-Kapitalismus" sei schon erreicht. Wir hätten es nur noch nicht begriffen.
Während dieser überraschend optimistische Ausklang ebenso wie Misiks eindrückliche Beschreibungen des Lebensalltags in Griechenland zu den Stärken des Buches gehören, ist der Grundton des Buches etwas heikel. Misik wählt einen bewusst lockeren Stil, der kaum einen Unterschied zwischen mündlicher und schriftlicher Sprache macht und auch vor Floskeln wie "uups" oder "schwupp" nicht zurückschreckt.
Das muss man mögen. Auch von populistischen Tönen ist das Buch nicht ganz frei; Überschriften wie "Wie wir alle für die Finanzkrise zahlen" oder Begriffe wie "Zockerkarussel" sind keine Seltenheit. Fragwürdig sind zudem Misiks pauschale Kategorisierungen; die politischen und ökonomischen Zusammenhänge mit dem überholten Rechts-Links-Schema abbilden zu wollen, in dem immer nur die eine – in Misiks Fall: die linke – Seite recht haben kann, wird der heutigen Welt in ihrer schwer zu erfassenden Komplexität sicher nicht gerecht.