Auf der Flucht vor dem Gestern
Als Sänger von Led Zeppelin hat er 300 Millionen Alben verkauft. Auch nach dem Ende der Band schlug er sich gut. So hat Robert Plant geschafft, was nur wenigen seiner Kollegen gelungen ist: Er ist nie rückfällig oder nostalgisch geworden.
"Das Tolle an der damaligen Zeit war, dass wir eine Subkultur hatten. Rock-Musik war eine Untergrund-Sache und eben nicht Pop. Sie hat komplett autark und parallel zum Mainstream funktioniert, während heute alles dasselbe ist. Da werden Sänger Schauspieler und Schauspieler Sänger. Es ist eine andere Zeit."
Robert Plant tendiert zum Kulturpessimismus. Kein Wunder: Der Mann aus der Nähe von Birmingham steht für das goldene Zeitalter des Rock'n'Roll – für den Mädchenschwarm mit Löwenmähne, Hühnerbrust, ausgeprägter Libido und ekstatischer Stimme. Und obwohl er inzwischen reifer und fülliger geworden ist: Irgendwie verkörpert er das noch immer – nur die Musik von damals erachtet er als überholtes Konzept.
"Sie hat irgendwie an Dampf verloren. Ihre Ideologie hat den Höhepunkt überschritten und erreicht, was sie erreichen konnte. Jetzt versuchen sich alle an einem Hybrid – was stellenweise ganz gut klingt. Nur: Es ist kein Rock. Oder zumindest nicht das, was ich darunter verstehe."
Er selbst ist auf der permanenten Flucht vor dem Gestern, das wie ein übermächtiger Schatten scheint – und ihn auch 38 Jahre nach Led Zeppelin nicht loslässt. Mit der Band hat er 300 Millionen Alben verkauft, seitenweise Musikgeschichte geschrieben und Klassiker wie "Dazed And Confused", "Kashmir" oder "Stairway To Heaven" komponiert.
Offerten für eine Reunion schlägt er aus
Auf seinen jüngsten Solo-Alben kultiviert er dagegen einen Hybrid aus Trance, Rock und Folk – und schlägt Offerten für eine Led Zeppelin-Reunion trotz astronomischer Summen aus. Nicht zuletzt, weil er keine Lust mehr auf Stadien und Sportarenen hat. Er sucht das Neue, das Andere, den Kick.
"In den letzten Jahren habe ich an umwerfenden Orten gespielt. Beim Jazz-Festival in Nizza bin ich mit dem Count Basie Orchestra aufgetreten. Und in Estland mit Kool & The Gang. Ich stand mit Jongleuren und Feuerschluckern auf der Bühne - und bei Folk-Festivals. Wenn dann Leute meinten: 'Du machst doch keinen Folk', war meine Antwort: "Ist 'Battle Of Evermore' oder 'Going To California' etwa nicht folkloristisch?" Ich habe also unterschiedliche Lokalitäten und Zuschauer genossen. Was sehr stimulierend ist."
Die Autobiografie wird es vorerst nicht geben
Robert Plant sieht sich selbst als musikalischer Weltenbummler. Er hat Alben mit Country- und Blues-Künstlern aufgenommen, jammt gerne mit jungen Kollegen, interessiert sich für britische Geschichte und ist extrem fußballverrückt: Als Vizepräsident des Erstligavereins Wolverhampton Wanderers ist er bei jedem Heimspiel im Stadion. Und er blickt zurück auf ein erfülltes, abwechslungsreiches Leben. Das schreit zwar nach einer Autobiografie. Doch die wird es vorerst nicht geben:
"Früher waren Rockmusiker soziale Außenseiter, die auf offener Straße Leibesvisitationen der Polizei über sich ergehen lassen mussten. Und als ich 1969 mit John Bonham in Dearborn war, wurden wir bespuckt, weil wir Hippies waren. Weil wir eine Veränderung im System darstellten. Das sind Geschichten, die ich nicht verkaufe. Sie sind da, wo sie hingehören – zwischen den immer größer werdenden Löchern meiner Ohren."
An seinem Idealismus und seiner Verweigerungshaltung will er auch in Zukunft festhalten. Das Verwalten des Led Zep-Archivs überlässt er Jimmy Page. Die Nostalgie-Tourneen den Stones. Er selbst blickt nach vorne – und zur Seite.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich je so Mainstream-mäßig werde, dass ich etwas mit den Drei Tenören mache. Das ist eher was für Bono. Ich stehe mehr links vom Zentrum – mit einem Haufen alter Anarchisten."