Robert Seethaler: "Der letzte Satz"
Hanser Berlin, 2020
128 Seiten, 19 Euro
Wie Gustav Mahlers Musik einen Roman inspiriert
12:28 Minuten
Vor 30 Jahren hörte Robert Seethaler erstmals Musik von Gustav Mahler. Diese Erinnerung habe ihn nie wieder losgelassen, sagt der Schriftsteller. So sei es zu seinem Roman "Der letzte Satz" über Mahler gekommen.
Die erste Begegnung mit Gustav Mahler machte Robert Seethaler in Israel. "Ich war dort vor annähernd 30 Jahren im Kibbuz, hab' da gearbeitet auf dem Feld und hab' dort einen alten Herrn getroffen", erzählt Seethaler. Der Mann sei ein Holocaustüberlebender gewesen und habe sich im Kibbuz mit seinen Pferden beschäftigt. Auf einem kleinen Transistorradio hörte er Gustav Mahler, erinnert sich Seethaler.
Das sei die erste Begegnung mit Mahler gewesen. "Irgendwas ist da wahrscheinlich nicht nur von der Musik, sondern von dieser Begegnung hängen geblieben bei mir".
"Er war schon ein Verrückter in jeder Hinsicht"
Seethaler hat viel über Mahler gelesen und fragt: "Wenn man den nicht interessant findet, wen dann? Das war schon ein Verrückter in jeder Hinsicht." Mahler habe für seine Sache gebrannt. Er sei für die Liebe und für die Arbeit entzündbar gewesen und er war ein Despot, wenn es darum ging, seine Interessen durchzusetzen, charakterisiert Seethaler den österreichischen Komponisten. Und letztlich sei Mahler auch an seiner Entzündbarkeit gestorben.
Gustav Mahlers letzte Reise steht am Anfang von Seethalers Roman. Er kehrt von Amerika nach Europa an Bord eines Schiffes zurück und sitzt in einem eigens für ihn abgesperrten Bereich des Sonnendecks, wo er auf den Schiffsjungen wartet. Mahler sehe man ja sonst eher in großen Konzertsälen, in einer schillernden Umgebung oder in der Einsamkeit der Berge - da, wo er herkomme und vielleicht auch hingehöre. "Mir hat dieses Bild gefallen, dass dieser Mann da in der Weite allein steht und auf die Weite des Meeres blickt", sagt Seethaler.
Das größte Geschenk des Schicksals
Bei Mahlers letzter Reise zeichnet sich bereits ab, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Auch der Tod von Mahlers Tochter Maria spielt in dem Buch eine wichtige Rolle. Außerdem gibt es eine Reihe von Anspielungen auf Todesboten, wie einen Vogel, der angeblich die Seelen abholt und deshalb in Mahlers österreichischer Heimat schlicht "Abholer" genannt wird.
Das Thema des Buches sei aber nicht der Tod, sondern das Leben. Allerdings ohne den Tod sei das Leben nichts wert, sagt Seethaler. "Der Tod ist das größte Geschenk des Schicksals, das unser Leben erst lebenswert macht und uns vor der Hölle des ewigen Lebens bewahrt."
Flächenbrand der Seele
Neben der Musik habe seine Frau Alma Mahler die Rolle seines Lebens gespielt. Seethaler schränkt aber ein, seine Liebe zu ihr komme einem Flächenbrand der Seele gleich. Das sei möglicherweise schon nicht mehr gesund gewesen und daran sei er auch verbrannt. Alma war 20 Jahre jünger als Mahler, galt damals als die schönste Frau Wiens und habe es faustdick hinter den Ohren gehabt.
Den letzten Satz in Seethalers Roman spricht der Schiffsjunge. Seethaler gibt zu, das sei so nicht geplant gewesen. Es habe sich einfach so ergeben. Vielleicht, so spekuliert er, habe der Gedanke dabei eine Rolle gespielt, dass der eine gehe und die Welt sich weiterdrehen müsse. "Dieser Schiffsjunge trägt das Leben weiter und es wäre natürlich spannend, zu wissen, wohin es ihn noch führt."
(nis)