Roberto Simanowski: Abfall. Das alternative ABC der neuen Medien
Matthes & Seitz, Berlin 2017
186 Seiten, 15 Euro
Ist das Internet einfach nur Müll?
Die Sozialen Medien seien ein Hemmschuh für die Demokratie, meint Roberto Simanowski. Nach seinen Büchern "Data Love" und "Facebook-Gesellschaft" erscheint der letzte Teil seiner Trilogie: "Abfall". Seine Diagnose über die zukünftige Mediennutzung ist düster.
Roberto Simanowskis Gesellschaftsdiagnosen sind düster. Die Kommunikation mittels digitaler Medien führe zu einem "Kontroll- und Überwachungssystem", schreibt er 2014 in seinem Buch "Data Love". Soziale Netzwerke verhinderten eine diskursive Öffentlichkeit, lautet zwei Jahre später sein Fazit in "Facebook-Gesellschaft". Helfen könne da nur Aufklärung im Sinne von "Medienbildung". Dies geht Simanowski nun mit dem letzten Teil seiner Trilogie an, dem "alternativen ABC der neuen Medien".
Der Band versammelt Essays, von denen einige bereits auszugsweise in der Neuen Züricher Zeitung, dem Freitag und dem Tagesspiegel erschienen sind. Bewusst hat sich Simanowski für Miniaturen entschieden, passend zu seinem Gegenstand, der digitalen Welt, in der Kurztexte viel schneller Verbreitung finden, als längere Abhandlungen. Mit dem ABC wolle er "Lesefähigkeit" vermitteln, dabei helfen, das Netz und seine Wirkung zu verstehen.
Abfallprodukt des Militärs
Den Begriff "Abfall" meint Simanowski mehrdeutig. Zum einen könne man das Internet selbst als solches betrachten. Es sei ein Abfallprodukt des nichtöffentlichen ARPANETs (Advanced Research Projects Agency Network), eines Computernetzwerks, worüber das Militär den Informationsaustausch zwischen Universitäten abwickelte, die Kriegsforschung betrieben. Und Abfall sei auch im Spiel gewesen bei der Entstehung der algorithmischen Analyse von Daten, die heute die Kommunikation im Netz maßgeblich steuert. Zuallererst war es nämlich darum gegangen, aus Emails SPAM, also Abfall, heraus zu filtern.
Aber auch die Qualität des Internets ist für Roberto Simanowski, der in Hongkong Medienwissenschaften lehrt, abfallsgleich. Was mal als Ausweitung des Kommunikationsraumes gedacht gewesen sei, habe sich zu einer globalen Kultur des Selbstmarketings auf kommerziellen Plattformen gewandelt. Aus Sicht Simanowskis bringt das für die Gesellschaft nichts Gutes. In vierzehn Kapiteln klopft er das Internet pointiert auf seine Demokratietauglichkeit ab.
Wie Demokratie verhindert wird
Präzise beschreibt er etwa, warum die technische Infrastruktur des Netzes, so wie sie jetzt ist, Demokratie verhindert. Beispiel Facebook. Natürlich spiele das Netzwerk dem Populisten Trump in die Hände, weil es das Volk verdumme. Quantität, Dualität und Tempo seien Währung und Grundprinzipien von Facebook. Tiefgang als Voraussetzung für einen demokratischen Diskurs könne dort keinen Platz finden. Das sei ebenso hochpolitisch wie die kulturellen Nebenwirkungen, die der Medienwissenschaftler analysiert. Die Sprache verarme, wo nur noch Bilder gepostet würden, Erinnerung verschwinde, wenn es nur noch ums Teilen gehe, Experten wichen einer Numerokratie, in der das Urteil des Sachkundigen durch die (Klick)Macht der Masse ersetzt würde.
Erfreulicherweise belässt es Simanowski nicht bei der "Aufklärung", die allein für sich schon lesenswert ist – konfrontiert sie doch mit eigenen Nutzungsgewohnheiten. Darüber hinaus schlägt er zum Beispiel vor, Algorithmen zu entschleunigen oder im Netzwerk dafür zu sorgen, dass niemand "ein Foto posten kann, ohne es auch zu beschreiben". Ein kritisches, wegweisendes, konkretes Buch. Gerade jetzt, in Zeiten eines medienbasierten, erstarkenden Populismus.