Robin Wall Kimmerer: „Das Sammeln von Moos. Eine Geschichte von Natur und Kultur“

Tausendsassas in Miniaturform

05:52 Minuten
Das Cover des Sachbuchs von Robin Kimmerer Wall, "Das Sammeln von Moos. Eine Geschichte von Natur und Kultur". Es zeigt den Namen Robin Wall Kimmerer und den Titel "Das Sammeln von Moos" in weiß auf einem Fotohintergrund, der kräftig grünes Moos zeigt.
© Matthes & Seitz

Robin Wall Kimmerer

Übersetzt von Dieter Fuchs

Das Sammeln von Moos. Eine Geschichte von Natur und KulturMatthes & Seitz, Berlin 2022

223 Seiten

32,00 Euro

Von Susanne Billig |
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Die ersten Pflanzen, die das Land eroberten, waren winzige Moose. Robin Wall Kimmerer kniet sich gefühlvoll in ihre Welt und kehrt mit verblüffendem biologischen Wissen zurück.
Fern vom Auge des Menschen, unten am Boden, wo tiefe Schatten, mitunter nackter Fels, heute Regenstürze und morgen Trockenheit den Lebensraum bestimmen, haben winzige grüne Pflanzen sich perfekt an schwierige Verhältnisse angepasst. Mit welch erstaunlichen Kräften die Evolution sie ausgestattet hat und wie viel Freude es macht, sich in ihre Miniaturwelt hineinzuversetzen, demonstriert Robin Wall Kimmerer in ihrem neuen Naturbuch „Das Sammeln von Moos“.

Leise Herrscher der Natur

Gegen den Schattenwurf der übermächtigen Bäume haben kleine Moose eigentlich keine Durchsetzungschancen, betont die Biologieprofessorin in ihrem ästhetisch sehr ansprechend mit grünem Textfluss aufgemachten Buch. Doch genau dort unten konnten sich die kleinen Pflanzen – die Autorin stellt viele von ihnen im Einzelporträt vor – zu weichen, leisen Herrschern entwickeln.
Mit einer speziellen Form von Chlorophyll absorbieren sie genau die Licht-Wellenlänge, die durch das Blätterdach des Waldes dringt. Festgehalten von der Reibung der Bodenoberfläche zirkuliert in der Grenzschicht am Boden auch die Luft langsamer, weshalb Moose ohne besonderes Stützgewebe doch kleine Stengel ausbilden können. Auch Verdunstungsdämpfe halten sich dort besser, was eine feuchte Zone schafft. So können Moose noch auf Wasser zugreifen, wenn Sträucher und Bäume längst dursten.

Nach 40 Jahren wieder zum Leben erweckt

Bei massiver Trockenheit rollen sich die winzigen Pflanzen ein und gehen in eine Art Schlaf über – und weil Robin Wall Kimmerer sich in ihre Untersuchungen immer mit viel persönlicher Hingabe und Neugier einbringt, hat sie Exemplare, die 40 Jahre lang in einem verstaubten Naturalienkabinett vor sich hindämmerten, durch simples Eintauchen in eine Petrischale wieder zum Leben erwecken können.
Die Autorin setzt sich auch im Sonnenaufgang barfuß zu den Minipflanzen oder sucht sie in Städten auf, denn es steht gut um die Luftqualität, betont sie, wenn Moose sich noch an „schmuddeligen“ Hauswänden oder auf ungespritzten Gehwegen halten können. Auch alte Nutzungsformen kennt sie, denn Moose binden erstaunlich viel Feuchtigkeit. Das hat sie in alten Zeiten für Monatshygiene-Artikel und Babywindeln prädestiniert – schon Ötzi trug Moos als Schuheinlagen.
Leider gehen moderne Entgleisungen auch an den Moosen nicht spurlos vorüber: Längst werden sie im großen Stil aus intakten Wäldern geraubt, um in der globalisierten Welt als allgegenwärtige Unterlage für industrielle Blumengestecke zu fungieren, erzählt die Autorin mit großem Bedauern.

Zu Recht eine international erfolgreiche Bestsellerautorin

Schon Robin Wall Kimmerers vorheriges Buch „Geflochtenes Süßgras“ stand monatelang auf internationalen Bestsellerlisten, so wunderbar versteht sie sich darauf, Themen und Genres wie selbstverständlich miteinander zu verweben.
Sensible Naturbeschreibungen, ökologische Nachdenklichkeit, Reflexionen zum Naturverhältnis der indigenen Kultur ihrer Vorfahren, persönliche Exkursionsabenteuer und jede Menge verblüffendes biologisches Wissen – bei Robin Wall Kimmerer gehört das alles zusammen.
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