Des Menschen "dritter Arm"
Die Hannover Messe beschäftigt sich in diesem Jahr schwerpunktmäßig mit der Vernetzung von Maschinenbau, IT und Elektrotechnik. Stichwort: Industrie 4.0. Was wir künftig von Robotern erwarten können, erklärt Roboterbauer Till Reuter.
Noch kennen wir Roboter vor allem als große Fertigungsmaschinen in Werkhallen, die an einem bestimmten Standort automatisiert die immer gleiche Tätigkeit verrichten. Mit dem Roboter der Zukunft haben diese Maschinen allerdings nur noch wenig zu tun. Die Helfer aus Metall sollen dem Menschen künftig dienen, als seien sie ein "dritter Arm", sagt Till Reuter, Chef des Augsburger Roboterbauers Kuka. Das Unternehmen arbeitet zudem daran, dass Roboter mobil werden und so an verschiedenen Orten verschiedene Aufgaben erfüllen können. Roboter sollen Reuter zufolge immer mehr den Menschen nachempfunden werden – aber nicht autonom agieren, das heißt, keine eigenständigen Entscheidungen treffen.
Das Gespräch im Wortlaut:
Dieter Kassel: Schon auf der Computermesse CeBIT, die ja erst vor ein paar Wochen in Hannover zu Ende ging, da war die sogenannte Industrie 4.0 ein großes Thema, und hinter diesem Begriff, da verbirgt sich, extrem einfach zusammengefasst, die komplette Vernetzung von Maschinen, Lieferanten und Produkten.
Auf der Hannover Messe, die gestern Abend offiziell eröffnet wurde, auf der geht es nun ab heute auch um die Industrie 4.0, und hier wird man unter anderem sehen, welche wichtige Rolle Roboter dabei spielen. Deshalb ist auch die Firma Kuka in Hannover vertreten, ein mittelständisches Unternehmen aus Augsburg, das Weltmarktführer ist bei Robotern für die Automobilindustrie und europäischer Marktführer bei den Industrierobotern generell. Und deshalb ist Kuka-Geschäftsführer Till Reuter natürlich auch längst in Hannover angekommen und wir haben jetzt Gelegenheit, mit ihm zu reden. Schönen guten Morgen, Herr Reuter!
Till Reuter: Schönen guten Morgen auch von meiner Seite!
Kassel: Wenn ich zu Ihnen käme, egal, ob nun zur Messe oder auch nach Augsburg, und würde Sie bitten, mir Ihren modernsten Roboter vorzustellen, die Entwicklung, auf die Sie gerade besonders stolz sind – was würden Sie mir da zeigen?
Reuter: Wir haben eigentlich ein breites Angebot an Robotern, die ich Ihnen gerne vorstellen würde. Wenn es um den modernsten geht, würde ich Ihnen gerne den LBR iiwa vorstellen, unser moderner, sensitiver Leichtbauroboter, der es ermöglicht, dass Mensch und Maschine zusammenarbeiten können.
Kassel: Das heißt, das ist kein ... Ich erinnere mich ja immer ... Industrieroboter gibt es ja eigentlich schon seit ungefähr einem halben Jahrhundert, und ich erinnere mich immer an diese riesigen Maschinen, die oft auch in Käfigen sind aus Sicherheitsgründen. Und das ist jetzt einer, der sozusagen aus dem Käfig raus darf?
Reuter: Ich glaube, das ist genau die richtige Beschreibung. Wir kennen alle Robotik, gibt es seit 40 bis 50 Jahren, und, genau: Wir schaffen es mit dem LBR, den Roboter aus dem Käfig rauszuholen. Der Roboter arbeitet ohne Schutzzaun und damit sind ganz andere Möglichkeiten der Automatisierung gegeben.
Kassel: Wie können denn dann Mensch und Maschine bei diesem Roboter zusammenarbeiten?
Die Roboter der Zukunft können sehen, fühlen und sind mobil
Reuter: Sie müssen sich vorstellen, wenn wir jetzt Möglichkeiten haben, dass der Roboter dem Menschen hilft wie ein dritter Arm: Der Roboter kann quasi Teile halten, kann fügen, während der Mitarbeiter andere Sachen macht. Also es geht eigentlich um eine Ergänzung und der Mensch hat quasi einfach einen Arm mehr, und der kann für Automatisierungszwecke genutzt werden. Die Roboter im alten, im herkömmlichen Sinne sind ja fix verbunden mit dem Boden, mit der Positionsfläche, und haben meistens eine Funktion in hoher Geschwindigkeit, sehr präzise und in einer sehr hohen Wiederholungsgenauigkeit.
Wo wir jetzt drüber reden: In Zukunft gibt es Roboter, die immer mehr den Menschen nachempfunden werden, das heißt, die Roboter haben eine Haptik, sie können fühlen, die Roboter haben eine 'Vision', sie können sehen, und die Roboter werden mobil, letztlich mobil über mobile Plattformen. Und mit diesen verschiedenen Erweiterungen der Robotik wird der Roboter immer dem Menschen ähnlicher und kann auch Funktionen übernehmen, die weiter gehen.
Und ich glaube, hier gerade über die Mobilität der Robotik schafft man es, dass der Roboter in Zukunft an verschiedenen Orten auch verschiedene Tätigkeiten erfüllen kann. Und das ist, glaube ich, eine ganz große Neuerung, dass wir hier wirklich Roboter haben, die nicht nur eine Aufgabe übernehmen, von A nach B fahren oder andere Möglichkeiten, sondern wirklich hier die Möglichkeit haben, funktional viel breiter zu werden.
Kassel: Nun reden wir ja gerade bei Industrie 4.0 über Vernetzung von allen möglichen Vorgängen bei der Produktion und auch beim Vertrieb teilweise. Sind die Roboter dann auch untereinander vernetzt? Können die miteinander kommunizieren?
Roboter werden miteinander sprechen - am besten nach einem Standard
Reuter: Das ist genau was wir eigentlich unter 4.0 verstehen. 4.0 bedeutet die Vernetzung von Maschinenbau, Elektrotechnik, IT und Automatisierung. Und ein großes Thema von 4.0 ist das Thema Kommunikation, Kommunikation von Maschine zum Menschen, Thema Usability, wie können Roboter bedient werden, aber auch Kommunikation zwischen Maschinen.
Wenn jetzt Roboter von Kuka kommen, die verstehen sich untereinander, die können sprechen. Aber die Idee ist ja auch, dass wir sprechen können mit anderen Maschinen, und hier geht es darum, dass wir für 4.0 natürliche Standards brauchen, und das ist ein ganz wichtiger Parameter und ein wichtiger Schritt, dass wir hier deutschlandweit und sogar noch global, also wenn man noch weitergeht, Standards haben, um hier letztlich die Zukunft gestalten zu können.
Kassel: Da sehe ich aber im Prinzip zwei Sicherheitsfragen. Machen wir es hintereinander. Das erste, was mir in den Sinn geht: Wenn die Maschinen, die Roboter und andere, miteinander kommunizieren und von verschiedenen Firmen kommen, gibt es da nicht auch das Risiko der Industriespionage, wenn jemand quasi auf Ihren Roboter zugreifen kann?
Reuter: Natürlich. Wenn wir über Daten sprechen, über Kommunikation, ist immer das Schlagwort Datensicherheit, und was wir brauchen, wie auch in dem Bereich der Vernetzung der Maschinen genauso wie in dem privaten Bereich, brauchen wir Datensicherheit. Wir müssen wissen, wer die Datenhoheit hat und auch die Nutzung der Daten muss geregelt werden. Ich glaube, hier, das ist ein sehr sensibler Punkt, wo auch Deutschland mit seiner Datensicherheit eine Vorreiterrolle spielt und die wir auch weiter hier unterstützen müssen, dass das Thema Datensicherheit von ganz großer Bedeutung ist.
Kassel: Stellen Sie eigentlich die Mechanik und die Elektronik nur her oder auch die Software für diese Roboter?
Reuter: Ganz wichtig ist, dass wir Hardware, also die Mechanik, aber auch die Software entwickeln, und die Software stellt das Bindeglied her zur IT-Welt. Und unsere Roboter sind immer eine Einheit von Hardware und Software.
Kassel: Nun gibt es aber inzwischen natürlich gerade in den USA viele Software- und andere Digitalfirmen, die Interesse an der Robotik entwickelt haben: Google, Microsoft, aber sogar Amazon, Apple und Facebook haben Unternehmen, die Roboter oder auch die Software entwickeln, aufgekauft. Ist das für einen, ich sage mal, Marktteilnehmer wie Sie eine gute oder eine schlechte Nachricht?
Google und Amazon beschäftigen sich inzwischen auch mit Robotik
Reuter: Das eine ist ganz klar: Dass Firmen wie Google, Amazon, andere große amerikanische Firmen in die Robotik eintreten, ist für uns ein ganz klares Zeichen, dass Robotik - eine ganz klare Automatisierung - ein Trend ist. Das Thema Robotik wird uns prägen, wird auch die Zukunft der Menschheit prägen, der Umgang mit Robotern, der Umgang zwischen Maschinen und der Umgang zwischen Mensch und Maschine. Das heißt, auf jeden Fall sind wir hier auf dem richtigen Weg.
Natürlich sehen wir auch, dass hier eine Konkurrenz entsteht oder Firmen aus Amerika insbesondere investieren in die Robotik, die von einem anderen Feld kommen. Die Firmen, die Sie genannt haben, sind sehr stark in der IT, in der PC-IT-Welt, während wir stark sind in der Hardware und vielleicht in der maschinennahen Softwarewelt sehr stark sind.
Wir würden es schaffen, hier bei uns in Deutschland die richtigen Köpfe eigentlich zu bekommen, und wir sind ja schon einen ganzen Schritt nach vorne marschiert, dass wir diese verschiedenen Disziplinen verbinden, das heißt Maschinenbau, IT und letztlich hier dann die Elektroingenieurskunst. Und wer das schafft, diese verschiedenen Disziplinen effizient zu kombinieren, der wird auch hier neue Produkte und bessere Lösungen für Kunden herausbringen. Ich glaube, da haben wir eine Riesenchance, die wir jetzt nutzen müssen.
Kassel: Ich habe vorhin ja von zwei Sicherheitsbedenken gesprochen, ich kann durchaus zählen, ich habe ja erst den einen angesprochen. Lassen Sie uns das Zweite, was zumindest mir durch den Kopf geht, nicht ganz vergessen, Herr Reuter: Wenn Maschinen miteinander kommunizieren, komplett vernetzt sind, Stichwort ist ja Automatisierung, das soll ja auch Menschenaufgaben, auch Kontrollaufgaben abnehmen, das Ganze erleichtern – kann sich das nicht alles auch verselbstständigen? Ich gebe zu, ich denke da schon wieder an Science-Fiction-Filme, aber ich stelle mir gerade eine Fabrik vor, wo die Roboter machen, was Sie wollen, und der Mensch kann das gar nicht mehr verhindern.
Reuter: Ich habe gerade Ihr Bild vor Augen, wenn so ein Roboter wild rumfährt, aber ich glaube, das kann man ausschließen. Es geht immer darum: Bei Kuka steht der Mensch im Vordergrund, und der Roboter soll dem Menschen die Arbeit einfacher machen, soll ergonomisch schwierige Aufgaben übernehmen und letztlich den Menschen unterstützen in der Automatisierung der Industrie, aber auch in anderen Bereichen. Von daher geht es immer um die Möglichkeiten natürlich hier: Programme werden oder Roboter werden von Menschen gesteuert. Und ich glaube, es ist wichtig, dass wir hier keine autonomen Systeme haben. Natürlich gibt es die Möglichkeiten über Lernprogramme, auch die Maschinen mehr zu autonomisieren, aber letztlich geht es erst mal um die Automatisierung und nicht um autonome Systeme.
Kassel: Die Boston Consulting Group, ein Beratungsunternehmen aus den USA, das natürlich weltweit agiert, hat ausgerechnet, dass allein in den USA durch den zunehmenden Einsatz von Industrierobotern bis zu 25 Prozent der Arbeitsplätze in der Industrie wegfallen könnten innerhalb von zehn Jahren. Müssen Sie sich da vorwerfen lassen, Sie sind eine Arbeitsplatzvernichtungsfirma?
Reuter: Die Frage kriegen wir oft gestellt ...
Kassel: Das glaube ich.
Automatisierung als Antwort auf die demografische Entwicklung
Reuter: ... und insbesondere in Ländern natürlich in Asien. Und wir sehen es ganz klar, dass wir das Thema Automatisierung, das Thema Robotik brauchen, um Standorte wie Deutschland und USA wettbewerbsfähig zu halten. Hinzu kommt, dass wir eine Demografie-Entwicklung haben, also gerade die Entwicklung und der implizierte Fachkräftemangel stellen hier große Herausforderungen für die Industrie dar, sowohl in Deutschland als auch in den USA, was bedeutet: Zum Beispiel die Generation der Babyboomer, das heißt, die 70er-, 80er-Jahrgänge – wenn die in den nächsten 15 Jahren aus dem Job rausgehen, werden wir nicht genug Arbeitsplätze haben oder Arbeitnehmer finden, um diese Slots zu füllen.
Das heißt, wir brauchen Automatisierung, einmal, um der demografischen Entwicklung entgegenzuwirken, und weiterhin schaffen eigentlich Roboter intelligentere Arbeitsplätze, das heißt, die Kollegen, die heute noch einfache Tätigkeiten ausüben mussten, können in Zukunft dank dem Roboter bessere und höher qualifizierte Arbeiten übernehmen. Das heißt, in Gänze hilft eigentlich der Roboter hier, dass der Mensch effizienter und besser arbeiten kann.
Kassel: Jetzt haben wir die ganze Zeit über Industrieroboter gesprochen logischerweise, das ist es, was Ihre Firma herstellt. Aber wie ist, Herr Reuter, eigentlich Ihr persönliches Verhältnis zu Robotern? Wenn es wirklich schon einen Sozialroboter gäbe, der bei Ihnen zu Hause den Geschirrspüler einräumt, Ihre Klamotten raussucht und auch ein bisschen Smalltalk zwischendurch macht – würden Sie eher sagen, das ist spannend, das will ich als 'Early Adopter' gleich ausprobieren, oder sagen Sie, nein, ich möchte so eine Maschine zu Hause nicht haben?
Reuter: Also wenn Sie jetzt mein Gesicht sehen würden, würden Sie sehen, dass ich leicht schmunzle: Natürlich hätte ich gerne einen Roboter, der meine Spülmaschine einräumt und andere Tätigkeiten macht. Zum Unterhalten habe ich lieber meine Frau oder Freunde. Ich glaube, da sehen wir genau, dass für bestimmte Tätigkeiten der Roboter wirklich uns hilft, dass der Arbeitsablauf sowohl im Arbeiten als auch der Ablauf zu Hause einfacher und besser, effizienter werden kann. Natürlich – für das Zwischenmenschliche gibt es nur eine einzige Möglichkeit, und das ist der Mensch selbst, dass wir eben von Mensch zu Mensch Kommunikation haben. Ich glaube, hier sind Grenzen gesetzt, die man auch nicht überschreiten darf. Der Roboter ist immer Hilfsmittel, um das Leben, das Arbeiten besser, erträglicher und vielleicht effizienter zu machen.
Kassel: Till Reuter, Geschäftsführer der Augsburger Firma Kuka, die auf der Hannover Messe, wie andere auch, Roboter vorstellt, die entscheidend eine Entwicklung prägen werden, die unter dem Schlagwort Industrie 4.0 gerade viel Furore macht. Herr Reuter, ich danke Ihnen und wünsche uns, dass wir irgendwann mal den Geschirrspüleinräumroboter kriegen.
Reuter: Oder (einer der) Strümpfe aufhebt, genau. Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.