Roboter-Revolution in der Arbeitswelt
Autos werden von Robotern hergestellt, Hühner werden in vollautomatisierten Ställen gemästet und Roboter werden von Robotern hergestellt. Und das ist nicht das Ende der Entwicklung: Auch in der Verwaltung und im Management wird intelligente Software den Menschen verdrängen, prognostiziert Constanze Kurz vom Chaos Computer Club.
Deutschlandradio Kultur: Heute direkt von der Frankfurter Buchmesse. Hier auf der Buchmesse an der Deutschlandradio-Bühne ist jetzt Constanze Kurz zu Gast. Wir kennen sie als Sprecherin des Chaos Computer Clubs. Wir kennen Sie als wissenschaftliche Projektleiterin am Forschungszentrum für Kultur und Informatik in Berlin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Und wir schätzen sie als neugierige und sehr kritische Denkerin, wie Technologie unsere Gesellschaft beeinflusst. Herzlich willkommen, Frau Kurz.
Constanze Kurz: Vielen Dank.
Deutschlandradio Kultur: Gemeinsam mit Frank Rieger haben Sie ein Buch geschrieben "Arbeitsfrei – Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen". Das Cover ist schön bunt. Das zeigt Gesichter, das zeigt Zahnräder. Das sieht freundlich aus, fast ein bisschen harmlos. Ich kann aber schon versprechen, das ist eher ein ziemlicher Kracher. Gegen Ende kamen so ein paar Paukenschläge, wo ich schlucken musste. – Dazu kommen wir noch.
Sie entwickeln also eine Zukunftsvision, die ziemlich dramatisch ist. Gleichzeitig fangen Sie aber an, indem Sie in Kuhställe gehen und in Hühnerzuchtbetriebe. Warum denn das?
Constanze Kurz: Wir haben uns in erster Linie zunächst mal ansehen wollen, wie sieht die Arbeitswelt derzeit aus, und zwar gerade in Bereichen, mit denen man sonst nicht so sehr viel zu tun hat. Dazu haben wir uns ein bestimmtes Alltagsprodukt gesucht, nämlich das Brot, und haben uns so die Prozesse angesehen, die man im weitesten Sinne für die Produktion so ansehen kann – also Mühlen, wo Korn verarbeitet wird, aber auch ein bisschen die Logistik. Dann waren wir natürlich auch in Agrarfabriken und wollten den Ist-Zustand im Wesentlichen erst mal aufzeichnen. Denn anders als, glaube ich, so ein bisschen das romantische Bild über diese Produktionsbedingungen (ist), sie sind relativ menschenfrei. Das heißt, es ist schon sehr stark automatisiert. Man findet auch dort schon Roboter.
Und wir haben uns dann in einem zweiten Schritt auch angesehen, welche Firmen produzieren diese Roboter. Wie wird die Zukunft dieser Roboterisierung sein? Und dann letztlich auf die Frage hinauskommend: Wie werden wir in Zukunft arbeiten?
Deutschlandradio Kultur: Das heißt, wenn Sie jetzt den Ist-Zustand der Gegenwart sich angesehen haben, Sie sind also in so einen Agrarbetrieb gegangen. Nehmen wir mal eine Mühle. Wie viele Menschen arbeiten denn da noch?
Constanze Kurz: Im Wesentlichen ist so eine moderne große Mühle, wie sie ja doch relativ häufig noch in Deutschland zu sehen ist, ein fast menschenleeres großes, ja mehrstöckiges Gebäude. Und man hat eigentlich wie so eine Zentrale, fast wie in so einem Cockpit, wo sehr viele Bildschirme stehen, wo die gesamte Arbeit der Mühle überwacht wird durch Computer. Also, man kann sagen, dass diese ganze Mühle voller Sensoren ist und nur noch sehr wenige Müller oder überhaupt nur noch ein Müller überwacht, wie diese vollautomatisierte Fabrik gesteuert wird.
Deutschlandradio Kultur: Einer? Der macht die Arbeit von wie viele Menschen früher?
Constanze Kurz: Das ist nicht ein Mensch, es sind schon noch mal 20 pro Schicht da, aber einer, der eigentlich die ganzen Monitore überwacht. Uns hat auch sehr stark überrascht, wie wenig Menschen da noch arbeiten. Dazu kommt auch noch die Verpackung, die weitgehend automatisiert ist, oder auch im Hochregallager, die man mit besichtigen kann. Wir haben uns einfach doch ein bisschen überrascht gezeigt davon, wie stark heute schon die Arbeit von Maschinen gemacht wird.
Deutschlandradio Kultur: Und Sie sind ja diese ganze Arbeitskette durchgegangen. Man könnte ja denken, okay, da arbeiten jetzt riesige automatisierte Mähdrescher und dergleichen, aber gut, die stellt ja noch jemand her. Und dann sind Sie zu den Herstellern gegangen. Und wie sieht es da aus?
Roboter stellen Roboter her
Constanze Kurz: Auch da ist es natürlich so, dass der Grad der Automatisierung und auch teilweise auch in Roboterisierung schon hoch ist. Also, wir haben uns im zweiten Schritt dann noch angesehen, wie die Maschinen produziert werden, die man dafür braucht. Und wir wollten aus dem Ist-Zustand unserer normalen Arbeitswelt natürlich dann Schlüsse ziehen für die Zukunft.
Wir haben auch die Hersteller solcher Roboter befragt, und die waren auch recht auskunftsfreudig, inwieweit sie sich die Zukunft kurzfristig und langfristig vorstellen, wo sie gerade forschen und entwickeln. Und gleichzeitig haben wir natürlich auch unser spezielles Wissen über Computer, über Software, über Algorithmen versucht da mit einfließen zu lassen.
Deutschlandradio Kultur: Frau Kurz, das sind ja nun Bereiche, in denen man sagt, okay, damit habe ich eigentlich gerechnet irgendwie. Da werden Dinge hergestellt. Da weiß ich, da laufen Förderbänder. Da schweißen vielleicht irgendwelche Maschinen, irgendwelche Roboterarme. Sie sagen aber, das greift immer mehr auf Bereiche über, wo wir eigentlich gar nicht damit rechnen.
Nennen Sie mal Beispiele. Wo ist schon automatisiert, wo wir eigentlich ganz überrascht sind.
Constanze Kurz: Das eine ist natürlich die physische Welt, wo einem anstrengende oder körperlich sehr schwere Arbeiten abgenommen werden. Aber es gibt einen zweiten Teil, nämlich auch kognitive Prozesse, also Menschen, die geistige Arbeit verrichten. Auch da gibt’s natürlich einen parallel verlaufenden Prozess.
Deutschlandradio Kultur: Zum Beispiel?
Constanze Kurz: Ein Beispiel, was viele Menschen noch nicht wissen, ist sicherlich journalistische Arbeit. Es gibt Firmen, die bieten heute Software an, die Artikel schreiben. Da hängt dann also kein Autor mehr dran, sondern es ist vollständig von einer Software generiert. Und die wird auch schon gedruckt heute.
Deutschlandradio Kultur: Und das merkt keiner – außer dem Journalisten, der arbeitslos ist?
Constanze Kurz: Ich hab mir solche Artikel angesehen, natürlich in dem Wissen, dass eine Maschine diesen Artikel produziert hat und kein Mensch. Aber in manchen Bereichen ist es durchaus nicht erkennbar, insbesondere bei der Sportberichterstattung oder auch die Börsenberichterstattung, wo es sehr faktenorientierte und manchmal statistikorientierte Artikel sind. Ich war selbst überrascht, wie wenig man erkennt, dass dort kein Mensch mehr mitschreibt.
Deutschlandradio Kultur: Diese Software greift dann auf Datenbanken zurück. Die weiß dann eben, wann ist das Tor gefallen. Die weiß dann, wie waren die Quartalszahlen. Aber wie bringt sie das in einen Text, von dem Sie nicht merken, dass er nicht von einem Menschen geschrieben ist?
Constanze Kurz: Ich glaube, es sind eher die Standardartikel, also keine Kommentare oder Bewertungen, sondern oft die sehr gestanzt formulierten Artikel, die so presseagenturmäßig einfach nur die Information übermitteln wollen, die ja auch eine bestimmte stilistische Form haben. Also, die Zeitungen – gerade in den USA –, die solche Software bereits verwenden, haben das ihren Lesern auch gar nicht immer mitgeteilt. Da steht natürlich auch nicht unbedingt ein Name dran, so wie das häufig bei solcher Wirtschaftsberichterstattung ist, dass man nur einen kurzen Artikel mit Fakten hat. Und der ist halt maschinell generiert.
Deutschlandradio Kultur: Sie gehen noch weiter und sagen: Eigentlich sind inzwischen auch Jobs im Management, in der Verwaltung nicht mehr sicher. Wie kann ich denn da mit einer Software einen Menschen ersetzen?
Software ersetzt Menschen
Constanze Kurz: Na hier ist es ja zunächst so, es ist ja auch ein Prozess, der schon viele Jahre so läuft, dass Software Menschen Berechnungen abnehmen, die wir schon lange Jahre haben.
Deutschlandradio Kultur: Aber da sitze ich immer noch da und lasse das Ding für mich rechnen.
Constanze Kurz: Richtig. Aber es gibt natürlich Bereiche, wo man heute üblicherweise noch keine Algorithmen verwenden kann. Also, wir nehmen mal zum Beispiel Juristen oder Analysten, wo man sich sehr gut vorstellen kann, dass die Software nicht nur schneller und präziser ist, sondern dass sie ganze Bereiche geistiger Arbeit übernehmen kann.
Deutschlandradio Kultur: Verträge schreiben?
Constanze Kurz: Zum Beispiel. Oder die Analyse von juristischen Abkommen sind ja oft sehr große, gerade bei Unternehmen, oft sehr viele hundert Seiten große Verträge, die analysiert werden durch Maschinen oder Algorithmen und nicht mehr durch Menschen.
Deutschlandradio Kultur: Das ist immer dann, wenn es um Zahlen geht, wenn es um Fakten geht. Das kann offensichtlich sehr gut eine Maschine erledigen. Und Sie schreiben ja insgesamt sehr zurückhaltend, an einer Stelle aber, da meine ich ja fast so etwas wie Häme gelesen zu haben. Und das ist an der Stelle, an der Sie sagen, dass es die bisherigen Surfer auf der Welle der Rationalisierung und Entlassung jetzt auch treffen könnte. Das sind die Unternehmensberater. – Gönnen Sie es denen?
Constanze Kurz: Na ja, natürlich haben sicherlich Consultants manchmal einen etwas zweifelhaften Ruf. Das liegt natürlich auch daran, dass sie oft Aufgaben übernehmen müssen, die undankbar sind, etwa wenn es zu Umstrukturierung im Unternehmen kommt oder wenn man Menschen entlassen muss, so dass der Ruf eben nicht der beste ist. Aber auch die eigentliche Leistung dieser Berater wird ja sehr häufig hinterfragt. Und ob man die nicht – gerade wenn es um Effizienz und Berechnung von Kennzahlen in Unternehmen geht – ersetzen könnte durch Software, ist natürlich eine Frage, die sich sehr bald stellen wird.
Ich würde aber die Häme schon zurückweisen.
Deutschlandradio Kultur: Okay, dann habe ich die da nur reingelesen.
Wie sieht das aus? Wir sind hier auf der Buchmesse. Hier sind wir umgeben von Menschen, die leben vom Wort. Die leben vom Gedanken. Jetzt haben Sie gerade schon gesagt, Sportberichterstattung, das funktioniert. Wie sieht das aus mit Lektorat, mit Layout von Büchern und dergleichen? Sollten all diese Menschen um uns herum sich schon mal einen neuen Job suchen?
Constanze Kurz: Ich denke, auch hier wird’s natürlich Bereiche geben, die Maschinen übernehmen. Auch das ist ja ein Prozess, der schon länger läuft, der – glaube ich – auch einigen schon bewusst ist, etwa wenn man an die Formatierung von Zeitungen oder Büchern denkt. Hier ist ja schon sehr viel maschinisiert worden. Oder wenn man daran denkt, wie tatsächlich das Produkt produziert wird, übrigens natürlich auch mittlerweile in menschenleeren Druckhallen. Da wird sicherlich auch eine Menge passieren, aber für den Bereich Literatur im Sinne von Belletristik ist sicherlich ein Algorithmus noch nicht wünschenswert.
Aber es gibt natürlich hier auch noch eine andere Ebene, nämlich dass man maschinell sehr viel leichter zum Beispiel in E-Books sehen kann, wie lesen die Menschen, und zwar nicht nur, welches Buch, sondern an welcher Stelle mit welcher Geschwindigkeit. Und das wird auch den Autor verändern aus meiner Sicht.
Dichtende Computer
Deutschlandradio Kultur: Sie haben jetzt gerade schon gesagt, Lyrik, Belletristik, gut, da brauchen wir noch einen Menschen, wenn das eine gewisse Qualität haben soll.
Constanze Kurz: Ah, Lyrik …
Deutschlandradio Kultur: Nicht? Auch Lyrik funktioniert?
Constanze Kurz: Computer können sehr gut reimen.
Deutschlandradio Kultur: Ist Lyrik nur Reim?
Constanze Kurz: Nein, das nicht.
Deutschlandradio Kultur: Okay. Aber es gibt ja auch den ganzen Bereich des Sachbuches. Sie haben eins geschrieben. Wenn Sie das in 20 Jahren schreiben würde, Sie nennen sehr viele Beispiele, bringen viele Fakten, in 20 Jahren schreiben Sie nur noch das Vorwort und das Resümee und die ganzen Kapitel dazwischen eine Software?
Constanze Kurz: Es könnte durchaus sein, dass die deskriptiven Elemente in dem Buch, wo wir vor allen Dingen erstmal beschreiben im ersten Teil des Buches, was wir gesehen haben, wie die Technik funktioniert, die wir beobachtet haben in den Fabriken, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass auch Algorithmen diesen Text fabrizieren könnten. Man müsste vielleicht mal drüber gehen.
Auch das Buch ist übrigens teilweise maschinisiert entstanden. Denn wir haben nicht mehr nur geschrieben, wir haben auch teilweise gesprochen und eine Software hat daraus Text gemacht. Aber der Inhalt ist halt sozusagen noch von uns Autoren. Aber ich glaube, wenn man von der Bewertung absieht und der Kommentierung, kann es durchaus teilweise auch übernommen werden von Software.
Deutschlandradio Kultur: Sie sprachen das jetzt gerade an. Sie haben es diktiert, einer Software. Auch früher war das ein Beruf. Und das zieht sich ja durch das ganze Buch. Es liest sich wie ein riesiger Bericht über einen schon geschehenen, einen momentan geschehenden und vor allem einen kommenden riesigen Arbeitsplatzverlust.
Constanze Kurz: Nee, so würde ich es nicht unbedingt sehen, weil, es ist vielleicht auch eine generelle Herangehensweise an Technik, die mir auch wichtig ist. Ich glaube, wenn man abschätzt, wie Entwicklungen in naher und in bisschen fernerer Zukunft verlaufen, dann ist es, glaube ich, von Bedeutung, dass man sich die Gestaltungshoheit zurückholt. Also, die Chance ist ja erstmal groß. Denn, klar, es gibt eine Menge Arbeit, wo man sich freut, wenn die Maschine einem das abnimmt. Aber wir müssen, glaube ich, regulieren, wie wir Arbeitsbedingungen dann gestalten wollen, weil man heute sich eher daran anpasst, was die Bedürfnisse einer Software sind oder die Bedürfnisse eines Roboters, mit dem man zusammenarbeitet. Und ich denke, wir müssen eher dazu hinkommen, dass die Roboter, aber auch Software so gestaltet werden, dass man als Mensch gut mit ihr zusammenarbeiten kann und sich nicht dem Takt der Maschinen anpasst.
Deutschlandradio Kultur: Wie Technisierung, Automatisierung so funktionieren kann, dass sie uns hilft und nicht wir geopfert werden, ich sage das mal zugespitzt, darüber sprechen wir hier gleich noch.
Es gibt Bereiche, da gibt es schon Automatisierung. Man muss sich aber fragen: Wollen wir die eigentlich? Das betrifft zum Beispiel Krankenpflege, Seniorenpflege. Das betrifft andere Dinge, wo plötzlich Maschinen Entscheidungen treffen, die sollten doch eigentlich einem Menschen vorbehalten bleiben, wie zum Beispiel beim Militär. Ich nenne das Stichwort der Drohnen. Wenn die bewaffnet sind und fliegen, da reicht alleine auch von der Zeitverzögerung die Steuerung nicht aus, dass ein Soldat zu Hause eine Entscheidung trifft, sondern letztlich kann er nur absegnen, was die Drohne entscheidet.
Wo sind die Grenzbereiche, wo Automatisierung eigentlich nicht gut ist?
Wie weit darf die Autonomie der Maschine gehen?
Constanze Kurz: Da gibt’s natürlich eine Menge Grenzbereiche, wo sich letztlich auch ethische Fragen stellen. Wir haben die Drohnenbeispiele mit ins Buch hineingenommen, obwohl das natürlich mit der Arbeitszeit erstmal nicht unmittelbar zu tun hat. Aber das ist natürlich eine militärisch dominierte Technik, wo man sehr stark neue technologische Sprünge sehen kann und wo Debatten teilweise vorweggenommen werden, die wir sicherlich auch im zivilen Bereich haben werden. Das ist ja sicherlich auch keine neue Erkenntnis, dass Drohnen oder generell autonome Flugobjekte in den zivilen Bereich hineinkommen.
Die Entscheidungen, die sich dort stellen, wieweit die Autonomie dieser Maschinen gehen darf und wo Grenzen gezogen werden können, sind natürlich schwierig. Bei dem Kampfbeispiel, was Sie eben hatten, wird es möglicherweise eine technische Notwendigkeit sein. Wenn man sich vorstellt, dass eventuell zwei gegnerische Mächte mit solchen autonomen Flugobjekten kämpfen, dann wird sicherlich eine Netzwerkverbindung, wo irgendjemand auf einem anderen Teil der Welt Abschussbefehle oder Flugmanöverbefehle gibt, ein sehr starker Nachteil sein für die Macht, die damit kämpft.
Also wird man wahrscheinlich dazu übergehen müssen, sofern wir nicht als Gesellschaft entscheiden, dass wir das gar nicht wünschten, dass man sehr viele Bereiche autonom regelt, dass also die Software entscheidet, wann geschossen wird, wie geflogen wird, wie sie reagiert auf die Flugbewegung des gegnerischen Objektes.
Deutschlandradio Kultur: Das ist also eine Debatte, die wir in der Gesellschaft führen müssen.
Constanze Kurz: Das passiert eigentlich derzeit schon.
Deutschlandradio Kultur: Das passiert schon. Was noch ein bisschen mehr Zukunftsmusik ist, Sie sprechen auch zum Beispiel Logistik und Verkehr an. Auch da gibt es bereits jetzt schon Lenksysteme, dass ein Lkw-Fahrer, wenn er dann vielleicht doch mal einnickt, doch nicht von der Spur abkommt.
Sie stellen dann die Frage: Wenn das noch weitergeht und die Lkws eines Tages vielleicht ganz alleine fahren ohne einen Fahrer, akzeptieren wir dann, dass die im Durchschnitt wesentlich weniger Unfälle bauen als ein menschlicher Fahrer, aber eben doch ab und zu mal in den Stau reinfahren? Haben Sie da eine Antwort?
Constanze Kurz: Na ja, die autonom fahrenden Autos sind ja ein Bereich, wo wir davon ausgehen können, dass es innerhalb von ein, zwei Jahren tatsächlich anfangen wird bei uns im Verkehr, einfach dass man solche Fahrzeuge sieht – teilautonom.
Deutschlandradio Kultur: Testautos fahren ja bereits.
Constanze Kurz: Genau. Und es gibt ja auch schon einige Länder, die haben Ausnahmegenehmigungen. Da dürfen also schon auf normalen Straßen diese Fahrzeuge fahren. Wir haben natürlich mit Forschern uns hier einfach über den aktuellen Stand informiert. Wir sind mitgefahren mit solchen autonomen Fahrzeugen. Hier stellen sich eine Menge Fragen. Die sind auch wieder teilweise ethischer Natur.
Und eine ist: Ich denke, die Akzeptanz, wenn es zu Unfällen kommt mit solchen autonomen oder teilautonomen Fahrzeugen, wird weit geringer sein. Also, es gibt eine Akzeptanz in der Gesellschaft, dass Menschen bei Verkehrsunfällen sterben, dass andere Menschen andere verletzten oder totfahren. Aber es wird anders sein, wenn eine Maschine einen Menschen verletzt.
Faktor Mensch
Deutschlandradio Kultur: Weil ich dann niemanden habe, dem ich die Schuld geben kann oder woran liegt das?
Constanze Kurz: Nein, ich glaube, einfach die Akzeptanz, dass Menschen Fehler machen, ist groß. Wir akzeptieren ein paar Hundert Verkehrstote im Jahr. Aber wenn das eine Maschine macht, wird das anders laufen. Aber diese Entwicklung wird aus meiner Sicht nur am Anfang so sein. Wir werden sicherlich teilautonome Fahrzeuge haben, wo der Mensch zum Beispiel durch Technik immer aufgefordert wird, dass er noch aufmerksam ist, also, dass man nicht wirklich dem Auto die alleinige Herrschaft oder der Software die alleinige Herrschaft überlässt.
Aber wenn wir nach und nach einen höheren%anteil von Fahrzeugen haben, die autonom fahren, dann werden die Menschen zum Problem.
Deutschlandradio Kultur: Weil die sich nicht verhalten, wie die Software das denkt.
Constanze Kurz: Menschen machen Fehler. Sie machen übrigens oft auch absichtlich Fehler. Also, wir sind ja im Verkehr, wir neigen ja auch zu aggressivem Verhalten oder absichtlich Regeln brechen. Umso mehr die autonomen Fahrzeuge prozentual zunehmen, wird der Mensch zum Problem.
Die Frage wird sich auch stellen, da geht es gar nicht mal so viele Jahre hin, ob man eigentlich überhaupt noch akzeptieren kann, dass Menschen fahren. Denn sie machen mehr Fehler.
Ich denke auch, ganze Berufsgruppen, etwa Lkw-Fahrer, meine Kinder werden die nicht mehr kennen als Berufsstand, weil gerade auch bestimmte Klassen, wo sehr häufig Unfälle vorkommen, also etwa das Auffahren auf Autobahnstaus, das ist ja auch bekannt, das kann man ja statistisch auch sehr gut zeigen, wird auch einen Druck geben, dass Maschinen, die zwar andere Fehler machen, aber eigentlich weniger, dass die sich…
Deutschlandradio Kultur: ... dann durchsetzen werden.
Constanze Kurz: Ja.
Deutschlandradio Kultur: Sie sagen das jetzt schon, Ihre Kinder werden Sie fragen: Was sind denn Lkw-Fahrer? Das heißt, das ist ein weiterer Berufszweig, der eigentlich wegfällt.
Jetzt haben Sie vorhin gesagt, Sie sehen diese technologische Entwicklung eher positiv, nachdem ich gesagt hatte, wir sehen einen massiven Arbeitsplatzverlust. Trotzdem: Was wird aus all diesen Menschen? Das sind so viele Berufe, die ja nicht nur die niederqualifizierten sind, sondern wir hatten auch schon Management, Verwaltung, so viele Berufe, die wegfallen. Was wird aus diesen Menschen?
Constanze Kurz: Da ist ja letztlich die Frage, auf die wir auch hinaus wollen, also, wie Werte geschaffen werden, wie Menschen arbeiten, wie Geld verdient wird. Ich denke, das steht ja nicht morgen bevor, aber übermorgen. Das ist ja genau die Frage, die wir gerne aufwerfen wollen, über die man jetzt nachdenken muss.
Wir können natürlich und wir haben das ja teilweise im Buch genannt, wir haben ein bisschen in die Geschichte zurückgeschaut, denn es gab andere technische Revolutionen, die haben auch ganze Berufsgruppen obsolet gemacht. Aber ich denke, ein kleiner Unterschied heute in dieser technischen Revolution ist die Beschleunigung und Dynamik. Also, ich denke, es wird sehr viel schneller über uns kommen, als man vielleicht bei den Dampfmaschinen gesehen hat.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben im Buch ein Beispiel bei den Sportjournalisten. Da sagen Sie, das Tempo ist nicht mehr bestimmt dadurch, dass ich irgendeine Maschine entwickeln muss, sondern ist dadurch bestimmt, wie lang ist die Kündigungsfrist.
Constanze Kurz: Na ja, vielleicht ein bisschen überzogen. Aber ich denke, es ist jetzt Zeit, dass wir uns darüber Gedanken machen.
Natürlich ist es bei gering Qualifizierten, das haben ja auch schon andere technische Revolutionen in der Vergangenheit der Menschheit so gezeigt, teilweise so, dass ganze Berufsgruppen wegfallen. Ich denke, das muss auch eine Gesellschaft abfangen. Denn es dauert einfach eine Weile bis sich Ausbildungs- und Berufsbilder ändern. Und ich glaube, die Zeit werden wir teilweise nicht haben durch den technologischen Umbruch.
Vor allen Dingen aber denke ich, dass es nicht bestimmt sein darf durch rein ökonomische Interessen, dass man also stärker steuern muss und auch teilweise gegensteuern muss. Das ist natürlich eine politische Aufgabe.
Ende des Sozialstaats?
Deutschlandradio Kultur: Wie machen wir das, damit der Sozialstaat nicht kaputtgeht?
Constanze Kurz: Das ist natürlich eine große Frage.
Deutschlandradio Kultur: Na ja, wenn so viele Menschen arbeitslos werden und wir wollen sie nicht verhungern lassen, ist das ja eine ziemliche Herausforderung. Wie steuert man dagegen?
Constanze Kurz: Aus meiner Sicht wird es natürlich andere Bereiche geben, wo man wieder sehr stark Arbeitskräfte braucht, menschliche. Man sieht jetzt schon, dass etwa in der Roboterentwicklung, wir haben da so ein paar Beispiele im Buch, Möglichkeiten geschaffen werden, dass man nicht unbedingt extrem hoch qualifiziert sein muss, um zum Beispiel so einen Roboter anzulernen, sondern dass man eher Maschinen so konstruiert, wie man zum Beispiel einen Mitarbeiter, der neu ist, anlernen würde.
Also, das heißt, dass man auch nicht unbedingt Hochqualifizierte braucht, um diese Maschinen anzulernen, und dass sie generell ein bisschen menschenfreundlicher in der Zusammenarbeit werden, weil der Druck, mit einem Roboter zusammenzuarbeiten dürfte recht hoch sein. Der macht halt keine Fehler. Der braucht keine Pausen. Der macht keinen Urlaub. Der muss nur ab und an gewartet werden. – Man passt sich sehr schnell dem Maschinentakt an.
Ich glaube, die Änderung wird auch darin bestehen, dass man die Maschinen – sowohl Software wie auch Hardware – anders konstruiert, so dass sie leichter zugänglich sind und man nicht unbedingt Experten braucht, um sie zu programmieren und anzulernen.
Deutschlandradio Kultur: Sie sagen "anlernen". Das heißt, ich arbeite in einer Bäckerei. Dann habe ich einen Roboter und dann sage ich dem, du nimmst das hier und tust das da rein?
Constanze Kurz: Ja, richtig. Neuere Ansätze bei der Konstruktion von Robotern sind tatsächlich ein bisschen ähnlich, wie man etwa Kindern zeigt, wie sie sich neue Dinge aneignen. Die Idee ist, dass Robotergenerationen in den nächsten Jahren eher so gestaltet werden, dass man ihnen etwas zeigen kann. Sie machen es nach. Man korrigiert vielleicht Fehler nach, die der Roboter macht, etwa beim Greifen usw., so dass man auch eher eine Zusammenarbeit hat. Es ist eine gewisse Vermenschlichung der Maschine.
Deutschlandradio Kultur: Das gibt es schon oder das erträumen Sie sich so?
Constanze Kurz: Nein, das gibt es schon. Das ist sozusagen nur die aktuelle Forschung, wo man derzeit hin will. Da ist natürlich auch wieder ein Effizienzdenken dabei, denn man möchte möglichst auch die Roboter preiswerter in der Anschaffung machen.
Heute ist es so, dass man etwa bei Industrierobotern sehr viel Aufwand hat, den umzuprogrammieren, wenn er neue Arbeitsgänge machen soll. Diesen Prozess möchte man erleichtern. Also, da gibt’s sozusagen auch seitens der Hersteller so einen Antrieb – Preisfrage halt.
Deutschlandradio Kultur: Ja, ja, Preisfrage, klar. Preisfrage dann auch: Wann ist dann der Billigarbeiter teurer als der Roboter?
Constanze Kurz: Ja klar. Also, gerade auch so Arbeiten, die sehr einfach sind – der Klassiker in dem Buch sind sicher auch Pizza-Auslieferer. Oder wir haben es natürlich in anderen Bereichen schon gesehen, etwa Roboter, die den Boden reinigen. Die gibt es nicht nur für den Haushalt mittlerweile, sondern die haben wir auch in den Agrarfabriken gesehen, dass da in den Kuhställen schon Roboter rumfahren, die den Boden reinigen. Und von diesen halbautonomen Geräten, die sich übrigens auch auf herumlaufende Kühe schon einstellen und dann einfach stehenbleiben, davon sieht man schon einige. Die sind derzeit halt einfach noch relativ teuer. Wir sehen aber bei manchen Firmen schon den Ansatz, dass man sie in einem Bereich, wo Konsumenten einfach Interesse haben, etwa ein paar hundert Dollar, dass man sie so baut.
Deutschlandradio Kultur: Kann man sich dann einen Kollegen kaufen.
Ich habe mich die ganze Zeit beim Lesen gefragt, es gab ja zu Zeiten der Industrialisierung schon einmal diese Welle, dass viele Menschen geglaubt haben, in ein paar Jahren machen die Maschinen alles und wir können uns alle zurücklehnen. Das ist ja bekanntermaßen nicht ganz so eingetreten. Beschleicht Sie manchmal der Gedanke, Sie sind vielleicht in dieselbe Falle getappt?
Constanze Kurz: Na, ich würde Ihre Analyse nicht ganz so teilen. Natürlich kann man, wenn man jetzt über ein paar Jahrhunderte zurückblickt, sehr wohl sehen, dass Menschen heute im Schnitt weniger arbeiten, dass sie also stundenmäßig, dass sie weniger harte Arbeit machen müssen und dass körperlich sehr anstrengende Arbeit von Maschinen übernommen wurde.
Die Frage wird sein, wie wir diese Automatisierungsdividende verteilen. Also, wer steckt sozusagen den Gewinn ein, den die Maschinen an Effizienz bringen, was man ja letztlich in Geld messen kann?
Deutschlandradio Kultur: Und das ist ja in der Regel nicht derjenige, der seinen Job dadurch verloren hat.
Constanze Kurz: Nee. Und da müssen wir natürlich als Gesellschaft gegensteuern. Das halte ich für ausgesprochen wichtig. Und das ist mit ein Grund, warum wir überhaupt diese Maschinenwelt versucht haben zu beschreiben, damit wir jetzt darüber nachdenken. Denn ich denke, in fünf Jahren werden wir eh überrollt sein damit. Und die, die Maschinen bauen und einsetzen, werden diese Automatisierungsdividende natürlich zum großen Teil einstreichen. Weil, die Politik ist für die Umverteilung zuständig.
Deutschlandradio Kultur: Haben Sie eine Idee? Wie kann dieses Modell aussehen, dass das eben gerecht verteilt wird?
Constanze Kurz: Na ja, im Grunde, wenn man sich diese Maschinisierung ansieht, müsste man – so wie es ja schon in anderen Jahrzehnten vorgekommen ist – sagen, dass man generell die Zeit, die Menschen arbeiten, senkt.
Aber das, denke ich, wird natürlich auch nicht so leicht durchzusetzen sein. Denn es ist ja nicht nur, dass man einen Teil der Arbeit von den Maschinen abgenommen bekommt, die man weniger arbeiten könnte, sondern es ist natürlich auch eine soziale Frage. Also, es ist nicht so, dass wir in dem Buch die Antwort auf alle Fragen haben. Wir wollen eher anregen, dass man diese Welle nicht über sich hinwegrollen lässt, sondern versucht gestaltend tätig zu werden. Und wir wollen, glaube ich, dazu anregen, dass man überhaupt darüber nachdenkt.
Arbeitsfrei statt arbeitslos
Deutschlandradio Kultur: Das verändert also eigentlich die Arbeitswelt in komplett allen Bereichen, so wie Sie das schildern. Wenn sich alles so grundlegend ändert, geben Sie uns einen Tipp, einer Abiturientin heute, einem Studienanfänger heute, was soll er denn lernen, damit er nicht in 20 Jahren dieses Schicksal erleidet und durch einen Roboter ersetzt wird?
Constanze Kurz: Also, da, muss ich ganz ehrlich sagen, würde ich niemals eine Antwort geben, die sich rein auf die Roboter oder auf Software bezieht, weil ich glaube, dass man finden muss, wofür man wirklich Interesse hat. Da würde ich jetzt gar nicht unbedingt nach den Branchen gucken, die zukunftssicher sind und wo man nicht ersetzt wird durch Maschinen oder Roboter, sondern das würde ich, glaube ich, tatsächlich auf das persönliche Interesse abstellen, weil ich es noch für wichtiger halte, dass man sich natürlich selbst verwirklichen kann.
Deutschlandradio Kultur: Also, studiere, was dir Spaß macht, das ist die beste Zukunftssicherung?
Constanze Kurz: Das würde ich entgegen dem, was wir in dem Buch schreiben, in diesem Falle sagen.
Deutschlandradio Kultur: Okay, prima. Dann führt das ja vielleicht wirklich in eine Zukunft, in der es nicht arbeitslos heißt, sondern arbeitsfrei. Ich bin gespannt.
Vielen Dank Frau Kurz, dass Sie bei uns zu Gast waren hier in Tacheles.
Das Buch von Constanze Kurz und Frank Rieger "Arbeitsfrei – Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen" ist am 14. Oktober 2013 im Riemann Verlag erschienen.
Constanze Kurz: Vielen Dank.
Deutschlandradio Kultur: Gemeinsam mit Frank Rieger haben Sie ein Buch geschrieben "Arbeitsfrei – Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen". Das Cover ist schön bunt. Das zeigt Gesichter, das zeigt Zahnräder. Das sieht freundlich aus, fast ein bisschen harmlos. Ich kann aber schon versprechen, das ist eher ein ziemlicher Kracher. Gegen Ende kamen so ein paar Paukenschläge, wo ich schlucken musste. – Dazu kommen wir noch.
Sie entwickeln also eine Zukunftsvision, die ziemlich dramatisch ist. Gleichzeitig fangen Sie aber an, indem Sie in Kuhställe gehen und in Hühnerzuchtbetriebe. Warum denn das?
Constanze Kurz: Wir haben uns in erster Linie zunächst mal ansehen wollen, wie sieht die Arbeitswelt derzeit aus, und zwar gerade in Bereichen, mit denen man sonst nicht so sehr viel zu tun hat. Dazu haben wir uns ein bestimmtes Alltagsprodukt gesucht, nämlich das Brot, und haben uns so die Prozesse angesehen, die man im weitesten Sinne für die Produktion so ansehen kann – also Mühlen, wo Korn verarbeitet wird, aber auch ein bisschen die Logistik. Dann waren wir natürlich auch in Agrarfabriken und wollten den Ist-Zustand im Wesentlichen erst mal aufzeichnen. Denn anders als, glaube ich, so ein bisschen das romantische Bild über diese Produktionsbedingungen (ist), sie sind relativ menschenfrei. Das heißt, es ist schon sehr stark automatisiert. Man findet auch dort schon Roboter.
Und wir haben uns dann in einem zweiten Schritt auch angesehen, welche Firmen produzieren diese Roboter. Wie wird die Zukunft dieser Roboterisierung sein? Und dann letztlich auf die Frage hinauskommend: Wie werden wir in Zukunft arbeiten?
Deutschlandradio Kultur: Das heißt, wenn Sie jetzt den Ist-Zustand der Gegenwart sich angesehen haben, Sie sind also in so einen Agrarbetrieb gegangen. Nehmen wir mal eine Mühle. Wie viele Menschen arbeiten denn da noch?
Constanze Kurz: Im Wesentlichen ist so eine moderne große Mühle, wie sie ja doch relativ häufig noch in Deutschland zu sehen ist, ein fast menschenleeres großes, ja mehrstöckiges Gebäude. Und man hat eigentlich wie so eine Zentrale, fast wie in so einem Cockpit, wo sehr viele Bildschirme stehen, wo die gesamte Arbeit der Mühle überwacht wird durch Computer. Also, man kann sagen, dass diese ganze Mühle voller Sensoren ist und nur noch sehr wenige Müller oder überhaupt nur noch ein Müller überwacht, wie diese vollautomatisierte Fabrik gesteuert wird.
Deutschlandradio Kultur: Einer? Der macht die Arbeit von wie viele Menschen früher?
Constanze Kurz: Das ist nicht ein Mensch, es sind schon noch mal 20 pro Schicht da, aber einer, der eigentlich die ganzen Monitore überwacht. Uns hat auch sehr stark überrascht, wie wenig Menschen da noch arbeiten. Dazu kommt auch noch die Verpackung, die weitgehend automatisiert ist, oder auch im Hochregallager, die man mit besichtigen kann. Wir haben uns einfach doch ein bisschen überrascht gezeigt davon, wie stark heute schon die Arbeit von Maschinen gemacht wird.
Deutschlandradio Kultur: Und Sie sind ja diese ganze Arbeitskette durchgegangen. Man könnte ja denken, okay, da arbeiten jetzt riesige automatisierte Mähdrescher und dergleichen, aber gut, die stellt ja noch jemand her. Und dann sind Sie zu den Herstellern gegangen. Und wie sieht es da aus?
Roboter stellen Roboter her
Constanze Kurz: Auch da ist es natürlich so, dass der Grad der Automatisierung und auch teilweise auch in Roboterisierung schon hoch ist. Also, wir haben uns im zweiten Schritt dann noch angesehen, wie die Maschinen produziert werden, die man dafür braucht. Und wir wollten aus dem Ist-Zustand unserer normalen Arbeitswelt natürlich dann Schlüsse ziehen für die Zukunft.
Wir haben auch die Hersteller solcher Roboter befragt, und die waren auch recht auskunftsfreudig, inwieweit sie sich die Zukunft kurzfristig und langfristig vorstellen, wo sie gerade forschen und entwickeln. Und gleichzeitig haben wir natürlich auch unser spezielles Wissen über Computer, über Software, über Algorithmen versucht da mit einfließen zu lassen.
Deutschlandradio Kultur: Frau Kurz, das sind ja nun Bereiche, in denen man sagt, okay, damit habe ich eigentlich gerechnet irgendwie. Da werden Dinge hergestellt. Da weiß ich, da laufen Förderbänder. Da schweißen vielleicht irgendwelche Maschinen, irgendwelche Roboterarme. Sie sagen aber, das greift immer mehr auf Bereiche über, wo wir eigentlich gar nicht damit rechnen.
Nennen Sie mal Beispiele. Wo ist schon automatisiert, wo wir eigentlich ganz überrascht sind.
Constanze Kurz: Das eine ist natürlich die physische Welt, wo einem anstrengende oder körperlich sehr schwere Arbeiten abgenommen werden. Aber es gibt einen zweiten Teil, nämlich auch kognitive Prozesse, also Menschen, die geistige Arbeit verrichten. Auch da gibt’s natürlich einen parallel verlaufenden Prozess.
Deutschlandradio Kultur: Zum Beispiel?
Constanze Kurz: Ein Beispiel, was viele Menschen noch nicht wissen, ist sicherlich journalistische Arbeit. Es gibt Firmen, die bieten heute Software an, die Artikel schreiben. Da hängt dann also kein Autor mehr dran, sondern es ist vollständig von einer Software generiert. Und die wird auch schon gedruckt heute.
Deutschlandradio Kultur: Und das merkt keiner – außer dem Journalisten, der arbeitslos ist?
Constanze Kurz: Ich hab mir solche Artikel angesehen, natürlich in dem Wissen, dass eine Maschine diesen Artikel produziert hat und kein Mensch. Aber in manchen Bereichen ist es durchaus nicht erkennbar, insbesondere bei der Sportberichterstattung oder auch die Börsenberichterstattung, wo es sehr faktenorientierte und manchmal statistikorientierte Artikel sind. Ich war selbst überrascht, wie wenig man erkennt, dass dort kein Mensch mehr mitschreibt.
Deutschlandradio Kultur: Diese Software greift dann auf Datenbanken zurück. Die weiß dann eben, wann ist das Tor gefallen. Die weiß dann, wie waren die Quartalszahlen. Aber wie bringt sie das in einen Text, von dem Sie nicht merken, dass er nicht von einem Menschen geschrieben ist?
Constanze Kurz: Ich glaube, es sind eher die Standardartikel, also keine Kommentare oder Bewertungen, sondern oft die sehr gestanzt formulierten Artikel, die so presseagenturmäßig einfach nur die Information übermitteln wollen, die ja auch eine bestimmte stilistische Form haben. Also, die Zeitungen – gerade in den USA –, die solche Software bereits verwenden, haben das ihren Lesern auch gar nicht immer mitgeteilt. Da steht natürlich auch nicht unbedingt ein Name dran, so wie das häufig bei solcher Wirtschaftsberichterstattung ist, dass man nur einen kurzen Artikel mit Fakten hat. Und der ist halt maschinell generiert.
Deutschlandradio Kultur: Sie gehen noch weiter und sagen: Eigentlich sind inzwischen auch Jobs im Management, in der Verwaltung nicht mehr sicher. Wie kann ich denn da mit einer Software einen Menschen ersetzen?
Software ersetzt Menschen
Constanze Kurz: Na hier ist es ja zunächst so, es ist ja auch ein Prozess, der schon viele Jahre so läuft, dass Software Menschen Berechnungen abnehmen, die wir schon lange Jahre haben.
Deutschlandradio Kultur: Aber da sitze ich immer noch da und lasse das Ding für mich rechnen.
Constanze Kurz: Richtig. Aber es gibt natürlich Bereiche, wo man heute üblicherweise noch keine Algorithmen verwenden kann. Also, wir nehmen mal zum Beispiel Juristen oder Analysten, wo man sich sehr gut vorstellen kann, dass die Software nicht nur schneller und präziser ist, sondern dass sie ganze Bereiche geistiger Arbeit übernehmen kann.
Deutschlandradio Kultur: Verträge schreiben?
Constanze Kurz: Zum Beispiel. Oder die Analyse von juristischen Abkommen sind ja oft sehr große, gerade bei Unternehmen, oft sehr viele hundert Seiten große Verträge, die analysiert werden durch Maschinen oder Algorithmen und nicht mehr durch Menschen.
Deutschlandradio Kultur: Das ist immer dann, wenn es um Zahlen geht, wenn es um Fakten geht. Das kann offensichtlich sehr gut eine Maschine erledigen. Und Sie schreiben ja insgesamt sehr zurückhaltend, an einer Stelle aber, da meine ich ja fast so etwas wie Häme gelesen zu haben. Und das ist an der Stelle, an der Sie sagen, dass es die bisherigen Surfer auf der Welle der Rationalisierung und Entlassung jetzt auch treffen könnte. Das sind die Unternehmensberater. – Gönnen Sie es denen?
Constanze Kurz: Na ja, natürlich haben sicherlich Consultants manchmal einen etwas zweifelhaften Ruf. Das liegt natürlich auch daran, dass sie oft Aufgaben übernehmen müssen, die undankbar sind, etwa wenn es zu Umstrukturierung im Unternehmen kommt oder wenn man Menschen entlassen muss, so dass der Ruf eben nicht der beste ist. Aber auch die eigentliche Leistung dieser Berater wird ja sehr häufig hinterfragt. Und ob man die nicht – gerade wenn es um Effizienz und Berechnung von Kennzahlen in Unternehmen geht – ersetzen könnte durch Software, ist natürlich eine Frage, die sich sehr bald stellen wird.
Ich würde aber die Häme schon zurückweisen.
Deutschlandradio Kultur: Okay, dann habe ich die da nur reingelesen.
Wie sieht das aus? Wir sind hier auf der Buchmesse. Hier sind wir umgeben von Menschen, die leben vom Wort. Die leben vom Gedanken. Jetzt haben Sie gerade schon gesagt, Sportberichterstattung, das funktioniert. Wie sieht das aus mit Lektorat, mit Layout von Büchern und dergleichen? Sollten all diese Menschen um uns herum sich schon mal einen neuen Job suchen?
Constanze Kurz: Ich denke, auch hier wird’s natürlich Bereiche geben, die Maschinen übernehmen. Auch das ist ja ein Prozess, der schon länger läuft, der – glaube ich – auch einigen schon bewusst ist, etwa wenn man an die Formatierung von Zeitungen oder Büchern denkt. Hier ist ja schon sehr viel maschinisiert worden. Oder wenn man daran denkt, wie tatsächlich das Produkt produziert wird, übrigens natürlich auch mittlerweile in menschenleeren Druckhallen. Da wird sicherlich auch eine Menge passieren, aber für den Bereich Literatur im Sinne von Belletristik ist sicherlich ein Algorithmus noch nicht wünschenswert.
Aber es gibt natürlich hier auch noch eine andere Ebene, nämlich dass man maschinell sehr viel leichter zum Beispiel in E-Books sehen kann, wie lesen die Menschen, und zwar nicht nur, welches Buch, sondern an welcher Stelle mit welcher Geschwindigkeit. Und das wird auch den Autor verändern aus meiner Sicht.
Dichtende Computer
Deutschlandradio Kultur: Sie haben jetzt gerade schon gesagt, Lyrik, Belletristik, gut, da brauchen wir noch einen Menschen, wenn das eine gewisse Qualität haben soll.
Constanze Kurz: Ah, Lyrik …
Deutschlandradio Kultur: Nicht? Auch Lyrik funktioniert?
Constanze Kurz: Computer können sehr gut reimen.
Deutschlandradio Kultur: Ist Lyrik nur Reim?
Constanze Kurz: Nein, das nicht.
Deutschlandradio Kultur: Okay. Aber es gibt ja auch den ganzen Bereich des Sachbuches. Sie haben eins geschrieben. Wenn Sie das in 20 Jahren schreiben würde, Sie nennen sehr viele Beispiele, bringen viele Fakten, in 20 Jahren schreiben Sie nur noch das Vorwort und das Resümee und die ganzen Kapitel dazwischen eine Software?
Constanze Kurz: Es könnte durchaus sein, dass die deskriptiven Elemente in dem Buch, wo wir vor allen Dingen erstmal beschreiben im ersten Teil des Buches, was wir gesehen haben, wie die Technik funktioniert, die wir beobachtet haben in den Fabriken, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass auch Algorithmen diesen Text fabrizieren könnten. Man müsste vielleicht mal drüber gehen.
Auch das Buch ist übrigens teilweise maschinisiert entstanden. Denn wir haben nicht mehr nur geschrieben, wir haben auch teilweise gesprochen und eine Software hat daraus Text gemacht. Aber der Inhalt ist halt sozusagen noch von uns Autoren. Aber ich glaube, wenn man von der Bewertung absieht und der Kommentierung, kann es durchaus teilweise auch übernommen werden von Software.
Deutschlandradio Kultur: Sie sprachen das jetzt gerade an. Sie haben es diktiert, einer Software. Auch früher war das ein Beruf. Und das zieht sich ja durch das ganze Buch. Es liest sich wie ein riesiger Bericht über einen schon geschehenen, einen momentan geschehenden und vor allem einen kommenden riesigen Arbeitsplatzverlust.
Constanze Kurz: Nee, so würde ich es nicht unbedingt sehen, weil, es ist vielleicht auch eine generelle Herangehensweise an Technik, die mir auch wichtig ist. Ich glaube, wenn man abschätzt, wie Entwicklungen in naher und in bisschen fernerer Zukunft verlaufen, dann ist es, glaube ich, von Bedeutung, dass man sich die Gestaltungshoheit zurückholt. Also, die Chance ist ja erstmal groß. Denn, klar, es gibt eine Menge Arbeit, wo man sich freut, wenn die Maschine einem das abnimmt. Aber wir müssen, glaube ich, regulieren, wie wir Arbeitsbedingungen dann gestalten wollen, weil man heute sich eher daran anpasst, was die Bedürfnisse einer Software sind oder die Bedürfnisse eines Roboters, mit dem man zusammenarbeitet. Und ich denke, wir müssen eher dazu hinkommen, dass die Roboter, aber auch Software so gestaltet werden, dass man als Mensch gut mit ihr zusammenarbeiten kann und sich nicht dem Takt der Maschinen anpasst.
Deutschlandradio Kultur: Wie Technisierung, Automatisierung so funktionieren kann, dass sie uns hilft und nicht wir geopfert werden, ich sage das mal zugespitzt, darüber sprechen wir hier gleich noch.
Es gibt Bereiche, da gibt es schon Automatisierung. Man muss sich aber fragen: Wollen wir die eigentlich? Das betrifft zum Beispiel Krankenpflege, Seniorenpflege. Das betrifft andere Dinge, wo plötzlich Maschinen Entscheidungen treffen, die sollten doch eigentlich einem Menschen vorbehalten bleiben, wie zum Beispiel beim Militär. Ich nenne das Stichwort der Drohnen. Wenn die bewaffnet sind und fliegen, da reicht alleine auch von der Zeitverzögerung die Steuerung nicht aus, dass ein Soldat zu Hause eine Entscheidung trifft, sondern letztlich kann er nur absegnen, was die Drohne entscheidet.
Wo sind die Grenzbereiche, wo Automatisierung eigentlich nicht gut ist?
Wie weit darf die Autonomie der Maschine gehen?
Constanze Kurz: Da gibt’s natürlich eine Menge Grenzbereiche, wo sich letztlich auch ethische Fragen stellen. Wir haben die Drohnenbeispiele mit ins Buch hineingenommen, obwohl das natürlich mit der Arbeitszeit erstmal nicht unmittelbar zu tun hat. Aber das ist natürlich eine militärisch dominierte Technik, wo man sehr stark neue technologische Sprünge sehen kann und wo Debatten teilweise vorweggenommen werden, die wir sicherlich auch im zivilen Bereich haben werden. Das ist ja sicherlich auch keine neue Erkenntnis, dass Drohnen oder generell autonome Flugobjekte in den zivilen Bereich hineinkommen.
Die Entscheidungen, die sich dort stellen, wieweit die Autonomie dieser Maschinen gehen darf und wo Grenzen gezogen werden können, sind natürlich schwierig. Bei dem Kampfbeispiel, was Sie eben hatten, wird es möglicherweise eine technische Notwendigkeit sein. Wenn man sich vorstellt, dass eventuell zwei gegnerische Mächte mit solchen autonomen Flugobjekten kämpfen, dann wird sicherlich eine Netzwerkverbindung, wo irgendjemand auf einem anderen Teil der Welt Abschussbefehle oder Flugmanöverbefehle gibt, ein sehr starker Nachteil sein für die Macht, die damit kämpft.
Also wird man wahrscheinlich dazu übergehen müssen, sofern wir nicht als Gesellschaft entscheiden, dass wir das gar nicht wünschten, dass man sehr viele Bereiche autonom regelt, dass also die Software entscheidet, wann geschossen wird, wie geflogen wird, wie sie reagiert auf die Flugbewegung des gegnerischen Objektes.
Deutschlandradio Kultur: Das ist also eine Debatte, die wir in der Gesellschaft führen müssen.
Constanze Kurz: Das passiert eigentlich derzeit schon.
Deutschlandradio Kultur: Das passiert schon. Was noch ein bisschen mehr Zukunftsmusik ist, Sie sprechen auch zum Beispiel Logistik und Verkehr an. Auch da gibt es bereits jetzt schon Lenksysteme, dass ein Lkw-Fahrer, wenn er dann vielleicht doch mal einnickt, doch nicht von der Spur abkommt.
Sie stellen dann die Frage: Wenn das noch weitergeht und die Lkws eines Tages vielleicht ganz alleine fahren ohne einen Fahrer, akzeptieren wir dann, dass die im Durchschnitt wesentlich weniger Unfälle bauen als ein menschlicher Fahrer, aber eben doch ab und zu mal in den Stau reinfahren? Haben Sie da eine Antwort?
Constanze Kurz: Na ja, die autonom fahrenden Autos sind ja ein Bereich, wo wir davon ausgehen können, dass es innerhalb von ein, zwei Jahren tatsächlich anfangen wird bei uns im Verkehr, einfach dass man solche Fahrzeuge sieht – teilautonom.
Deutschlandradio Kultur: Testautos fahren ja bereits.
Constanze Kurz: Genau. Und es gibt ja auch schon einige Länder, die haben Ausnahmegenehmigungen. Da dürfen also schon auf normalen Straßen diese Fahrzeuge fahren. Wir haben natürlich mit Forschern uns hier einfach über den aktuellen Stand informiert. Wir sind mitgefahren mit solchen autonomen Fahrzeugen. Hier stellen sich eine Menge Fragen. Die sind auch wieder teilweise ethischer Natur.
Und eine ist: Ich denke, die Akzeptanz, wenn es zu Unfällen kommt mit solchen autonomen oder teilautonomen Fahrzeugen, wird weit geringer sein. Also, es gibt eine Akzeptanz in der Gesellschaft, dass Menschen bei Verkehrsunfällen sterben, dass andere Menschen andere verletzten oder totfahren. Aber es wird anders sein, wenn eine Maschine einen Menschen verletzt.
Faktor Mensch
Deutschlandradio Kultur: Weil ich dann niemanden habe, dem ich die Schuld geben kann oder woran liegt das?
Constanze Kurz: Nein, ich glaube, einfach die Akzeptanz, dass Menschen Fehler machen, ist groß. Wir akzeptieren ein paar Hundert Verkehrstote im Jahr. Aber wenn das eine Maschine macht, wird das anders laufen. Aber diese Entwicklung wird aus meiner Sicht nur am Anfang so sein. Wir werden sicherlich teilautonome Fahrzeuge haben, wo der Mensch zum Beispiel durch Technik immer aufgefordert wird, dass er noch aufmerksam ist, also, dass man nicht wirklich dem Auto die alleinige Herrschaft oder der Software die alleinige Herrschaft überlässt.
Aber wenn wir nach und nach einen höheren%anteil von Fahrzeugen haben, die autonom fahren, dann werden die Menschen zum Problem.
Deutschlandradio Kultur: Weil die sich nicht verhalten, wie die Software das denkt.
Constanze Kurz: Menschen machen Fehler. Sie machen übrigens oft auch absichtlich Fehler. Also, wir sind ja im Verkehr, wir neigen ja auch zu aggressivem Verhalten oder absichtlich Regeln brechen. Umso mehr die autonomen Fahrzeuge prozentual zunehmen, wird der Mensch zum Problem.
Die Frage wird sich auch stellen, da geht es gar nicht mal so viele Jahre hin, ob man eigentlich überhaupt noch akzeptieren kann, dass Menschen fahren. Denn sie machen mehr Fehler.
Ich denke auch, ganze Berufsgruppen, etwa Lkw-Fahrer, meine Kinder werden die nicht mehr kennen als Berufsstand, weil gerade auch bestimmte Klassen, wo sehr häufig Unfälle vorkommen, also etwa das Auffahren auf Autobahnstaus, das ist ja auch bekannt, das kann man ja statistisch auch sehr gut zeigen, wird auch einen Druck geben, dass Maschinen, die zwar andere Fehler machen, aber eigentlich weniger, dass die sich…
Deutschlandradio Kultur: ... dann durchsetzen werden.
Constanze Kurz: Ja.
Deutschlandradio Kultur: Sie sagen das jetzt schon, Ihre Kinder werden Sie fragen: Was sind denn Lkw-Fahrer? Das heißt, das ist ein weiterer Berufszweig, der eigentlich wegfällt.
Jetzt haben Sie vorhin gesagt, Sie sehen diese technologische Entwicklung eher positiv, nachdem ich gesagt hatte, wir sehen einen massiven Arbeitsplatzverlust. Trotzdem: Was wird aus all diesen Menschen? Das sind so viele Berufe, die ja nicht nur die niederqualifizierten sind, sondern wir hatten auch schon Management, Verwaltung, so viele Berufe, die wegfallen. Was wird aus diesen Menschen?
Constanze Kurz: Da ist ja letztlich die Frage, auf die wir auch hinaus wollen, also, wie Werte geschaffen werden, wie Menschen arbeiten, wie Geld verdient wird. Ich denke, das steht ja nicht morgen bevor, aber übermorgen. Das ist ja genau die Frage, die wir gerne aufwerfen wollen, über die man jetzt nachdenken muss.
Wir können natürlich und wir haben das ja teilweise im Buch genannt, wir haben ein bisschen in die Geschichte zurückgeschaut, denn es gab andere technische Revolutionen, die haben auch ganze Berufsgruppen obsolet gemacht. Aber ich denke, ein kleiner Unterschied heute in dieser technischen Revolution ist die Beschleunigung und Dynamik. Also, ich denke, es wird sehr viel schneller über uns kommen, als man vielleicht bei den Dampfmaschinen gesehen hat.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben im Buch ein Beispiel bei den Sportjournalisten. Da sagen Sie, das Tempo ist nicht mehr bestimmt dadurch, dass ich irgendeine Maschine entwickeln muss, sondern ist dadurch bestimmt, wie lang ist die Kündigungsfrist.
Constanze Kurz: Na ja, vielleicht ein bisschen überzogen. Aber ich denke, es ist jetzt Zeit, dass wir uns darüber Gedanken machen.
Natürlich ist es bei gering Qualifizierten, das haben ja auch schon andere technische Revolutionen in der Vergangenheit der Menschheit so gezeigt, teilweise so, dass ganze Berufsgruppen wegfallen. Ich denke, das muss auch eine Gesellschaft abfangen. Denn es dauert einfach eine Weile bis sich Ausbildungs- und Berufsbilder ändern. Und ich glaube, die Zeit werden wir teilweise nicht haben durch den technologischen Umbruch.
Vor allen Dingen aber denke ich, dass es nicht bestimmt sein darf durch rein ökonomische Interessen, dass man also stärker steuern muss und auch teilweise gegensteuern muss. Das ist natürlich eine politische Aufgabe.
Ende des Sozialstaats?
Deutschlandradio Kultur: Wie machen wir das, damit der Sozialstaat nicht kaputtgeht?
Constanze Kurz: Das ist natürlich eine große Frage.
Deutschlandradio Kultur: Na ja, wenn so viele Menschen arbeitslos werden und wir wollen sie nicht verhungern lassen, ist das ja eine ziemliche Herausforderung. Wie steuert man dagegen?
Constanze Kurz: Aus meiner Sicht wird es natürlich andere Bereiche geben, wo man wieder sehr stark Arbeitskräfte braucht, menschliche. Man sieht jetzt schon, dass etwa in der Roboterentwicklung, wir haben da so ein paar Beispiele im Buch, Möglichkeiten geschaffen werden, dass man nicht unbedingt extrem hoch qualifiziert sein muss, um zum Beispiel so einen Roboter anzulernen, sondern dass man eher Maschinen so konstruiert, wie man zum Beispiel einen Mitarbeiter, der neu ist, anlernen würde.
Also, das heißt, dass man auch nicht unbedingt Hochqualifizierte braucht, um diese Maschinen anzulernen, und dass sie generell ein bisschen menschenfreundlicher in der Zusammenarbeit werden, weil der Druck, mit einem Roboter zusammenzuarbeiten dürfte recht hoch sein. Der macht halt keine Fehler. Der braucht keine Pausen. Der macht keinen Urlaub. Der muss nur ab und an gewartet werden. – Man passt sich sehr schnell dem Maschinentakt an.
Ich glaube, die Änderung wird auch darin bestehen, dass man die Maschinen – sowohl Software wie auch Hardware – anders konstruiert, so dass sie leichter zugänglich sind und man nicht unbedingt Experten braucht, um sie zu programmieren und anzulernen.
Deutschlandradio Kultur: Sie sagen "anlernen". Das heißt, ich arbeite in einer Bäckerei. Dann habe ich einen Roboter und dann sage ich dem, du nimmst das hier und tust das da rein?
Constanze Kurz: Ja, richtig. Neuere Ansätze bei der Konstruktion von Robotern sind tatsächlich ein bisschen ähnlich, wie man etwa Kindern zeigt, wie sie sich neue Dinge aneignen. Die Idee ist, dass Robotergenerationen in den nächsten Jahren eher so gestaltet werden, dass man ihnen etwas zeigen kann. Sie machen es nach. Man korrigiert vielleicht Fehler nach, die der Roboter macht, etwa beim Greifen usw., so dass man auch eher eine Zusammenarbeit hat. Es ist eine gewisse Vermenschlichung der Maschine.
Deutschlandradio Kultur: Das gibt es schon oder das erträumen Sie sich so?
Constanze Kurz: Nein, das gibt es schon. Das ist sozusagen nur die aktuelle Forschung, wo man derzeit hin will. Da ist natürlich auch wieder ein Effizienzdenken dabei, denn man möchte möglichst auch die Roboter preiswerter in der Anschaffung machen.
Heute ist es so, dass man etwa bei Industrierobotern sehr viel Aufwand hat, den umzuprogrammieren, wenn er neue Arbeitsgänge machen soll. Diesen Prozess möchte man erleichtern. Also, da gibt’s sozusagen auch seitens der Hersteller so einen Antrieb – Preisfrage halt.
Deutschlandradio Kultur: Ja, ja, Preisfrage, klar. Preisfrage dann auch: Wann ist dann der Billigarbeiter teurer als der Roboter?
Constanze Kurz: Ja klar. Also, gerade auch so Arbeiten, die sehr einfach sind – der Klassiker in dem Buch sind sicher auch Pizza-Auslieferer. Oder wir haben es natürlich in anderen Bereichen schon gesehen, etwa Roboter, die den Boden reinigen. Die gibt es nicht nur für den Haushalt mittlerweile, sondern die haben wir auch in den Agrarfabriken gesehen, dass da in den Kuhställen schon Roboter rumfahren, die den Boden reinigen. Und von diesen halbautonomen Geräten, die sich übrigens auch auf herumlaufende Kühe schon einstellen und dann einfach stehenbleiben, davon sieht man schon einige. Die sind derzeit halt einfach noch relativ teuer. Wir sehen aber bei manchen Firmen schon den Ansatz, dass man sie in einem Bereich, wo Konsumenten einfach Interesse haben, etwa ein paar hundert Dollar, dass man sie so baut.
Deutschlandradio Kultur: Kann man sich dann einen Kollegen kaufen.
Ich habe mich die ganze Zeit beim Lesen gefragt, es gab ja zu Zeiten der Industrialisierung schon einmal diese Welle, dass viele Menschen geglaubt haben, in ein paar Jahren machen die Maschinen alles und wir können uns alle zurücklehnen. Das ist ja bekanntermaßen nicht ganz so eingetreten. Beschleicht Sie manchmal der Gedanke, Sie sind vielleicht in dieselbe Falle getappt?
Constanze Kurz: Na, ich würde Ihre Analyse nicht ganz so teilen. Natürlich kann man, wenn man jetzt über ein paar Jahrhunderte zurückblickt, sehr wohl sehen, dass Menschen heute im Schnitt weniger arbeiten, dass sie also stundenmäßig, dass sie weniger harte Arbeit machen müssen und dass körperlich sehr anstrengende Arbeit von Maschinen übernommen wurde.
Die Frage wird sein, wie wir diese Automatisierungsdividende verteilen. Also, wer steckt sozusagen den Gewinn ein, den die Maschinen an Effizienz bringen, was man ja letztlich in Geld messen kann?
Deutschlandradio Kultur: Und das ist ja in der Regel nicht derjenige, der seinen Job dadurch verloren hat.
Constanze Kurz: Nee. Und da müssen wir natürlich als Gesellschaft gegensteuern. Das halte ich für ausgesprochen wichtig. Und das ist mit ein Grund, warum wir überhaupt diese Maschinenwelt versucht haben zu beschreiben, damit wir jetzt darüber nachdenken. Denn ich denke, in fünf Jahren werden wir eh überrollt sein damit. Und die, die Maschinen bauen und einsetzen, werden diese Automatisierungsdividende natürlich zum großen Teil einstreichen. Weil, die Politik ist für die Umverteilung zuständig.
Deutschlandradio Kultur: Haben Sie eine Idee? Wie kann dieses Modell aussehen, dass das eben gerecht verteilt wird?
Constanze Kurz: Na ja, im Grunde, wenn man sich diese Maschinisierung ansieht, müsste man – so wie es ja schon in anderen Jahrzehnten vorgekommen ist – sagen, dass man generell die Zeit, die Menschen arbeiten, senkt.
Aber das, denke ich, wird natürlich auch nicht so leicht durchzusetzen sein. Denn es ist ja nicht nur, dass man einen Teil der Arbeit von den Maschinen abgenommen bekommt, die man weniger arbeiten könnte, sondern es ist natürlich auch eine soziale Frage. Also, es ist nicht so, dass wir in dem Buch die Antwort auf alle Fragen haben. Wir wollen eher anregen, dass man diese Welle nicht über sich hinwegrollen lässt, sondern versucht gestaltend tätig zu werden. Und wir wollen, glaube ich, dazu anregen, dass man überhaupt darüber nachdenkt.
Arbeitsfrei statt arbeitslos
Deutschlandradio Kultur: Das verändert also eigentlich die Arbeitswelt in komplett allen Bereichen, so wie Sie das schildern. Wenn sich alles so grundlegend ändert, geben Sie uns einen Tipp, einer Abiturientin heute, einem Studienanfänger heute, was soll er denn lernen, damit er nicht in 20 Jahren dieses Schicksal erleidet und durch einen Roboter ersetzt wird?
Constanze Kurz: Also, da, muss ich ganz ehrlich sagen, würde ich niemals eine Antwort geben, die sich rein auf die Roboter oder auf Software bezieht, weil ich glaube, dass man finden muss, wofür man wirklich Interesse hat. Da würde ich jetzt gar nicht unbedingt nach den Branchen gucken, die zukunftssicher sind und wo man nicht ersetzt wird durch Maschinen oder Roboter, sondern das würde ich, glaube ich, tatsächlich auf das persönliche Interesse abstellen, weil ich es noch für wichtiger halte, dass man sich natürlich selbst verwirklichen kann.
Deutschlandradio Kultur: Also, studiere, was dir Spaß macht, das ist die beste Zukunftssicherung?
Constanze Kurz: Das würde ich entgegen dem, was wir in dem Buch schreiben, in diesem Falle sagen.
Deutschlandradio Kultur: Okay, prima. Dann führt das ja vielleicht wirklich in eine Zukunft, in der es nicht arbeitslos heißt, sondern arbeitsfrei. Ich bin gespannt.
Vielen Dank Frau Kurz, dass Sie bei uns zu Gast waren hier in Tacheles.
Das Buch von Constanze Kurz und Frank Rieger "Arbeitsfrei – Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen" ist am 14. Oktober 2013 im Riemann Verlag erschienen.