Rock, Pop und Soul

Von Gerhard Richter |
Weil sie nicht immer nur im Kirchenchor das Lobpreis des Herrn singen wollten, haben sich einige Sänger aus Burgdorf bei Hannover privat getroffen und poppigeres Material geübt. Mittlerweile singt ein 70-köpfiges Ensemble Rock, Pop und Soul - und nicht nur das.
"Ja, Lutz und sein Chor - das ist wie ’ne win-win Situation, kann man schön sagen. Weil er was davon hat, und wir haben alle auch was davon. Ich hab mal das Bild gebraucht, wir sind seine elektrische Eisenbahn. Und wenn er sieht, wie die Züge fahren ist er glücklich und strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Und wir sind natürlich auch glücklich. Klar."

Lutz König - der Chorleiter. Ein Baum von einem Mann. Größe:

Lutz König: "1,85"

Gewicht:

Lutz König: "Oh, über 90 Kilo"

Alter:

Lutz König: "47"
Lutz König ist Herr K. Er setzt sich ans Klavier, wie an ein Steuerpult. Jeden Donnerstagabend in der Aula der Grund- und Hauptschule I in Burgdorf. Die Notenblätter, die er entfaltet sind breiter als das Klavier und das Klavier selbst wird vor jeder Probe in zwei Brandschutzdecken eingewickelt, um die Lautstärke zu mindern.

Lutz König: "Und somit fallen den Leuten im Chor, vor allem den Menschen in den ersten Reihen, nicht die Ohren ab."

Ein kleiner Akkord und 70 gut gelaunte Hobbysänger zwischen 30 und 65 Jahren erheben sich von den Stühlen.

Lutz König: "Nehmen wir gleich Bass und Bariton dazu. Ihr habt die ganze Zeit D,
7 Schläge alle zusammen. Bitte die Einleitung. Wollen wir gleich versuchen die erste Strophe mitzunehmen?"

Chor: "Jajajaja"

Lutz König: "Bass und Bariton, Tenor, Alt und Mezzo, Sopran"

Ein neues Stück. Engel von der Hardrockgruppe `Rammstein´. In einer Chorfassung von Lutz König.

Lutz König: "In einer Nacht bei einem Gläschen Wein entstanden. Von abends 19 Uhr bis nachts um halb drei hat´s gedauert dann war das Ding im Kasten. So wie wir das jetzt singen."

Song: "Wer zu Lebzeit gut auf Erden, wird nach dem Tod ein Engel werden.
Den Blick zum Himmel fragst du dann, warum man sie nicht sehen kann."

Lutz König: "Super."

Lutz König ist Diplom Kulturpädagoge, staatlich geprüfter Chorleiter und er betreibt eine Musikschule in Burgdorf. 1999 hat er den Chor übernommen, damals eine Handvoll Sänger im Wohnzimmer des Lehrers Bernhard Koch-Bialon. Gerade war ihnen die Chorleiterin abgesprungen.

Bernhard Koch Bialon: "Dann haben wir Lutz König angeheuert, weil der schon Klavierlehrer von unseren beiden Söhnen war. Er hat dann den Sprung ins kalte Wasser gewagt, weil er so was auch noch nie gemacht hat."
Lutz König: "Es war schon so, dass ich bestimmte Vorstellungen hatte, wie das klingen sollte, es wuchs dann auch relativ schnell auf zwanzig Mitglieder an, es gab in den ersten fünf Jahren enorm viel Fluktuation, und es war oft so, dass ich gedacht habe: Ohren zu und durch."

30 bis 40 Stücke hat Lutz König mit dem Chor erarbeitet. Rock, Pop und Soul. Und der Chorleiter staunt manchmal selber über die Früchte seiner Arbeit.

Lutz König: "Manche Stücke sind siebenstimmig und das ist äh, ja wie soll ich sagen – wie so ´ne Klangwand."

Dieser Chor und sein Chorleiter - fast eine Liebesbeziehung.

Lutz König: "Ich glaube das ist die Chemie zwischen diesen wahnsinnig sympathischen Menschen. Das sind Dinge, die kann man nicht konstruieren, die ergeben sich einfach so."

Kommt Leute: los geht’s eins, zwo, drei

Regelrechte Entwicklungssprünge gibt es immer nach den jährlichen Chorwochenenden. Da mietet die Organisatorin, Gundel Rehwinkel-Schmidt ein Haus in schöner Landschaft. Wichtig sind ein Probenraum mit Klavier und am allerwichtigsten: ein Platz zum Feiern für den Chor des Herrn K.
Gundel Rehwinkel-Schmidt: "Und sobald das losgeht abends um acht, da sind wir auf der Tanzfläche und tanzen die ganze Nacht durch."

Lutz König: "Da sind manche direkt von der Fete zum ersten Probentermin gekommen."

Trotzdem oder deshalb wächst an solchen Wochenenden der Chor noch mehr zusammen. Neue Sänger und Sängerinnen kommen. Das Niveau steigt. Der Chor des Herrn K. hat sich einen festen Platz in der Burgdorfer Chorszene erarbeitet. Sie treten beim Spargelempfang auf, auf dem Weihnachtsmarkt, bei Benefizkonzerten, bei Geburtstagen.

Ungefähr zwei Stunden dauert so eine Probe. Zwischendurch quatschen alle mal, aber Lutz König muss nur ein paar Töne auf dem Klavier spielen, dann sind alle wieder bei ihm.

Lied: "Solang man Träume noch leben kann."

Chormitglieder: "Ja, er hat immer neue Ideen und er hat immer sehr viel Geduld mit uns.

Und er ist ein Strahlemann,
der kommt rein und strahlt und alle sind im Grunde genommen auch gut drauf.

Genial musikalisch."

Und Lutz König? Was hat Herr K. noch so vor mit seinem Chor?

Lutz König: "Mein erklärtes Ziel wäre, dass wir mal einen Satz von Bohemian Rhapsodie von Queen singen. Wenn wir dazu in der Lage sind, hab’ ich mein Lebensziel erreicht."

Chor: "…solang man Träume noch leben kann."


Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.