Rockband Mutter

Der ewige Geheimtipp

Von Gerd Brendel |
Ihre Musik changiert zwischen Punk und Rammstein und gilt als "Diskurspop": Fast 30 Jahre ist die Berliner Band Mutter inzwischen alt und noch immer ist ihr der Massengeschmack zu fade. Mit ihrem neuen Album "Text und Musik" kehrt die Band nun zu ihren Punkrock-Wurzeln zurück. Es gibt aber auch Veränderungen.
Ein fahler Herbstmorgen auf der Oberbaumbrücke zwischen Kreuzberg und Friedrichshain. Unten fließt träge die Spree, über uns fährt die Hochbahn, ein paar übernächtigte Partygäste spielen Verstecken zwischen den neugotischen Brückenbögen. Max Müller zeigt auf das Kreuzberger Ufer:
"Hab oft da gesessen am Ufer. Und hier war's einfach tot, hier gab's keine Läden."
Hochgeschlagener Jackenkragen, Sonnenbrille - der Sänger von Mutter sieht so aus als hätte er selbst die Nacht durchgefeiert. Dabei kommt er gerade von der letzten Probe vor dem Tourstart mit seiner Band Mutter. Ein Stück auf der neuen CD "Text und Musik" hat Müller in Gedanken an seine ersten Jahre im West-Berlin, als hier die Grenze zwischen West und Ost verlief .
"Das ist eigentlich das Lied ohne Text. Weil hier in der Ecke war ja gar nichts. Aber war auch ganz schön."
Damals Anfang der 80er-Jahre in Berlin. Max Müller war von Wolfsburg nach Berlin gezogen.
"Ja, als ich nach Berlin gekommen bin, das war schon immer für mich 'ne Sehnsucht. Bin ja früher schon ganz jung immer nach Berlin getrampt, weil hier soviel Musik war und so - und ich hab immer gedacht: Das ist ja 'n Traum, so auch leben zu können, wie ich aussehe, weil das niemanden interessiert. Das hab' ich als Heimat empfunden."
"Ich möchte was Echtes"
Und hier in Berlin traf Müller auf Gleichgesinnte. 1986 gründete er gemeinsam mit Frank Behnke und Florian Koerner von Gustorf Mutter.
Die Musik erinnerte mal an Punk mal an Rammstein. Max Müller wurde bald in eine Reihe mit Jochen Distelmeyer oder Dirk von Lowtzow von Tocotronic genannt. Kritiker nannten ihn den Existenzialisten unter den deutschen Songschreibern und seine Musik "Diskurspop". Etiketten, von denen Max Müller auch heute nichts wissen will.
"Ich möchte was Echtes, ich möchte was schaffen, was 'ne Wahrhaftigkeit und daraus entstehend 'ne Schönheit hat. Dass ich das höre : Ich bin nicht peinlich berührt, sondern: Ach ja das stimmt. Das möchte ich erreichen, und manchmal gelingt's mir und manchmal nicht."
Da wird unser Gespräch von einem Mann in abgerissener Kleidung unterbrochen, der uns einen Pappbecher entgegen streckt.
"Vielleicht ein bisschen Kleingeld dabei? - Ich hab tatsächlich nichts dabei. Das ist ja das totale Stichwort!"
(Musik: "Wer hat schon Lust so zu leben")
Ein paar neue Fans entdeckt
Das Lied "Wer hat schon Lust so zu leben" auf der neuen CD handelt von den bettelnden Sinti und Roma, den Obdachlosen, den Fensterputzern auf den Kreuzungen.
"Weil ich wohn' in der Skalitzer und hab das eigentlich vor mir und mir ist aufgefallen: Die sind ganz unten. Die sind nicht beliebt. Da ist ja auch 'ne Bewertung drinne, also von meiner Sicht, dass ich davor stehe und nicht weiß, wie ich damit umgehen soll."
"Schöne", gefällige Musik haben Mutter fast noch nie gemacht. "Ich schäme mich Gedanken zu haben die andere Menschen in ihrer Würde verletzen" lautete der Titel ihrer ersten CD. Und ihr Lied zur Vereinigung hieß: "Du bist nicht mein Bruder". Vielleicht ist das der Grund dafür, dass Mutter seit über einem Vierteljahrhundert als "ewiger Geheimtipp" gilt. Mit einer Ausnahme: Das Album "Hauptsache Musik". Die melancholischen Popballaden trafen ins Herz des Massengeschmacks.
"Wir hätten das dann weitermachen können, immer dasselbe , bis es dann angenommen ist, aber das ist mir zu fade, uns allen."
Max Müller zuckt mit den Schultern. Mit dem neue Album "Text und Musik" kehrt die Band wieder zu den unberechenbaren Punkrock-Anfängen zurück. 50 ist Max Müller letztes Jahr geworden. Mit seiner Frau und dem achtjährigen Sohn wohnt er immer noch in Kreuzberg. Was sich verändert hat mit den Jahren ?
"Ja, dass man die Sachen besser kann."
Und ein paar neue Fans hat Max Müller entdeckt, sehr zur Freude seines Sohns:
"Findet das toll, die Lehrer sind teilweise Fans. 'Ich hab' sowieso alle Mutter-Platten', sagt dann einer. Und ich denk' dann: Ja,hat er bestimmt einen guten Lehrer."