Röhlig: Politischer Wille entscheidend für Endlager-Lösung

Klaus-Jürgen Röhlig im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 29.03.2010
Für die bislang ungeklärte Frage nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle sei vor allem die Politik verantwortlich, sagt Klaus-Jürgen Röhlig vom Institut für Endlagerforschung der TU Clausthal.
Jan-Christoph Kitzler: Deutschland streitet wieder über die Atomkraft, denn CDU/CSU und FDP wollen längere Laufzeiten für die deutschen Meiler und sie wollen eine Entscheidung treffen, vor der sich andere Regierungen stets gedrückt hatten, nämlich in der Frage: Wo wollen wir unseren Atommüll dauerhaft lagern? Jürgen Rüttgers, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident, hat gestern mehr gesellschaftliche Akzeptanz für die Atomkraft gefordert, doch bei einer möglichen Laufzeit der Kraftwerke von bis zu 60 Jahren kommt nicht nur den Grünen das kalte Grausen. Und bei der Endlagerdiskussion regt sich Protest, denn wer möchte schon den Atommüll vor seiner Haustür haben. Dabei haben wir schon längst ein Atommüllproblem, das zeigt unter anderem die Asse bei Salzgitter. Darüber habe ich mit Professor Klaus-Jürgen Röhlig gesprochen vom Institut für Endlagerforschung der TU Clausthal. Zuerst habe ich ihn gefragt, um wie viel Atommüll es in Deutschland eigentlich geht.

Klaus-Jürgen Röhlig: Wir müssen erst mal unterscheiden zwischen den schwach- und mittelaktiven Abfällen – für die gibt es mit dem Schacht Konrad voraussichtlich eine Entsorgungslösung – und für die Abfälle, die jetzt in der Diskussion sind, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Gorleben-Frage, die sogenannten hoch radioaktiven oder Wärme entwickelnden Abfälle. Die Prognose ist, dass wir 2040 nach den jetzt geltenden Laufzeiten, wenn wir die zugrunde legen, dass wir dann von diesen hoch aktiven Abfällen etwa 17.500 Tonnen Schwermetall haben, das gibt knapp 30.000 Kubikmeter. Man könnte also sagen, wenn Sie sich ein Fußballfeld vorstellen, was dann vier Meter hoch mit solchen, oder vier oder fünf Meter hoch mit solchen Abfällen gefüllt ist, das ist ungefähr das Volumen, um das es geht.

Kitzler: Sie haben von diesem Fußballfeldbeispiel gesprochen, man kann den ganzen Atommüll aber natürlich nicht alles an einem Ort lagern, oder?

Röhlig: Das ist vollkommen richtig. Die Abfälle erzeugen ja Wärme, sie haben ja immer noch Energie, wenn sie aus den Reaktoren kommen, und diese Wärme müssen sie abführen. Und das machen Sie natürlich ähnlich wie bei anderer Kühlung in technischen Bereichen auch unter anderem dadurch, dass Sie diese Abfälle im Raum verteilen. Also wenn Sie ein Endlager projektieren für die Abfallaufkommen, die wir im Moment haben, dann sind Sie in einem Bereich, im Quadratkilometerbereich am Platzbedarf. Das ist natürlich dann auch der Anspruch an die geologische Formationen, die Sie stellen, dass sie die Eigenschaften, die Sie gerne möchten, zum Beispiel geringe Wasserdurchlässigkeit, in einem solchen Quadratkilometer großen Bereich erhält.

Kitzler: Dieses Problem vergrößert sich natürlich, wenn man die Atomkraftwerke länger laufen lässt. Jetzt geistern ja bei der Debatte um eine Verlängerung der Laufzeit unterschiedliche Zahlen durch den Raum. Die einen sprechen von vier Jahren, andere von bis zu 28 Jahren – können Sie sagen, wie viel zusätzlicher Atommüll pro Jahr entsteht?

Röhlig: Ich habe mir mal überlegt, dass wenn man alle im Moment am Netz befindlichen 17 Reaktoren zehn Jahre länger laufen lassen würde als vorgesehen, dann landet man bei einer Erhöhung des Abfallaufkommens von etwa 25 Prozent.

Kitzler: Nicht nur das Beispiel der Asse zeigt ja, Teile des Atommülls in Deutschland sind zurzeit alles andere als sicher gelagert, wie steht es denn um den restlichen Atommüll, der nicht in der Asse ist?

Röhlig: Ja, ich sagte vorhin schon, für die schwach- und mittelaktiven Abfälle, das sind deutlich größere Mengen übrigens, volumenmäßig, aber deutlich geringere Aktivitätsmengen, ist eine Entsorgungslösung vorgesehen im Schacht Konrad. Der Schacht wird im Moment umgerüstet und als Endlager wahrscheinlich 2015 in Betrieb gehen. Und dann haben wir aber das Problem, was uns die meisten Debatten bereitet im Moment, also die hoch radioaktiven Abfälle, aber wir sagen auch Wärme entwickelnde Abfälle dazu. Diese Abfälle sind im Moment sehr weit über Deutschland verteilt, also sie stehen zum Teil in zentralen Zwischenlagern in Ahaus und in Gorleben, zum Teil stehen sie in sogenannten standortnahen Zwischenlagern an den Kernkraftwerksstandorten. Das ist auch der Weg, den Abfälle, die im Moment entladen werden, aus den Reaktion gehen, das heißt, die kommen in standortnahe Zwischenlager. Und schließlich haben wir noch einige Abfälle in Frankreich stehen, in La Hague in der Wiederaufarbeitungsanlage, das sind dann die Abfälle, die als verglaste Abfälle mit den berühmten oder vielleicht auch besser berüchtigten Castortransporten jedes Jahr zu uns zurückkommen.

Kitzler: Würden Sie sagen, dass da, wo die Abfälle jetzt lagern, dass sie da sicher lagern?

Röhlig: Sie lagern im Moment sicher, aber das ist keine Dauerlösung. Diese Zwischenlager sind auch nicht als Dauerlösung angelegt. Sie sind für 40 Jahre genehmigt, das ist im Moment eine ordentliche Lösung, aber keine Dauerlösung.

Kitzler: Und damit sind wir schon mitten bei der Endlagerdebatte. Was muss denn Ihrer Meinung nach so ein Endlager können, damit es als Endlager qualifiziert ist?

Röhlig: Zunächst gibt es ein paar regionale Bedingungen, die stimmen müssen. Also um es mal ganz platt zu sagen, ich würde ein Endlager zum Beispiel nicht im Rheingraben oder in der Eifel bauen wollen, weil dort die seismischen Aktivitäten zu groß sind, das heißt also, wir suchen eine ruhige Formation. Dazu kommen dann Bedingungen an das, was wir das Wirtsgestein nennen. Wir wollen natürlich, dass diese Formation möglichst wasserundurchlässig oder doch zumindestens wenig wasserdurchlässig ist, wir wollen, dass die Formation die Wärme aufnehmen kann, die die Abfälle auch erzeugen. Und schließlich wollen wir natürlich auch, dass wir die Abfälle technisch wirklich einlagern können, das heißt also, dass die Formation die Möglichkeiten hergibt, dass man da auch ein Bergwerk bauen kann. Das sind dann geomechanische Eigenschaften letzten Endes, die wir verlangen.

Kitzler: Wie kompliziert ist denn die Erforschung nach einem geeigneten Standort?

Röhlig: Das ist ein sehr lang andauerndes und auch komplexes Verfahren. In der Regel geht man so vor, dass man zunächst von Übertage zum Beispiel mit Bohrungen oder mit geoelektrischen oder seismischen Messungen den Standort erkundet und dass man dann später auch eine Erkundung von Untertage durchführt, so wie das ja in dem Moment auch in diesem viel diskutierten Erkundungsbergwerk Gorleben vorgenommen wurde bis vor zehn Jahren.

Kitzler: Bisher hat sich ja eine Reihe von Bundesregierungen immer wieder vor einer Entscheidung gedrückt, wo das Endlager hin soll. Liegt es daran, dass es einfach keinen perfekten Ort dafür bisher gibt, und liegt das eher an der Rücksichtnahme auf die lokalen Befindlichkeiten?

Röhlig: Ja, ich sehe die Ursachen schon eher im politischen Bereich, also einmal dort in dem Bereich, den Sie gerade angesprochen haben, die Rücksichtnahme auf die lokalen Empfindlichkeiten, aber es ist natürlich auch immer eine überregionale Debatte, die da geführt wird. Also ich denke, dass Länder wie Finnland, Schweden oder Frankreich uns zeigen, dass man durchaus in einem vernünftigen Zeitrahmen – also wir sprechen von den nächsten zehn Jahren vielleicht – zu einem Endlager kommen kann, wenn man das politisch will und auch politisch umsetzen kann.

Kitzler: Ich habe gelesen, dass es in Schweden und in Spanien ja Gemeinden gibt, die sich regelrecht bewerben um den Endlagerstandort, weil sie dafür viel Geld bekommen und große Vorteile haben. Ist das für Sie auch ein Vorbild für Deutschland?

Röhlig: Wenn Sie einen Prozess haben, in dem Sie mit der Bevölkerung vernünftig interagieren und indem Sie den Gemeinden auch klarmachen, dass es vielleicht auch Vorteile hat, Infrastrukturvorteile, Arbeitsvorteile, ein solches Endlager zu beherbergen auf der einen Seite, und auf der anderen Seite, indem Sie ihnen klarmachen, dass die Gefährdungen, die entstehen, und auch die Belästigungen, die entstehen – das darf man ja auch nicht vergessen, ich denke nur an Transporte radioaktiver Materialien –, dass die sich in dem Rahmen halten, wie er auch für andere Industrieanlagen üblich ist. Wenn Sie das klarmachen können, dann haben Sie natürlich vielleicht auch eine Chance, dass sich Gemeinden freiwillig bewerben. Ich habe allerdings Zweifel, ob wir so eine Situation in Deutschland auf absehbare Zeit erreichen können.

Kitzler: Das sagt Professor Klaus-Jürgen Röhlig vom Institut für Endlagerforschung der TU Clausthal. Vielen Dank und einen schönen Tag!

Röhlig: Danke schön!
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