Römisch-germanische Geschichte

Rezensiert von Thomas Speckmann · 03.01.2010
Wilm Brepohl schildert in "Arminius gegen Germanicus", was nach der Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr. geschah. Denn nicht in der Varusschlacht, sondern erst im Jahr 16 nach Christus sieht der Autor den Wendepunkt in der römisch-germanischen Geschichte.
Varus kam, sah nichts und verlor. Roms Traum einer Provinz Germanien war ausgeträumt. So steht es meist in unseren Schulbüchern. Aber das ist lediglich die halbe Geschichte. Die ganze Geschichte erzählt nun Wilm Brepohl.

Der Leitende Landesverwaltungsdirektor der Kulturabteilung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe schildert in einem handlichen Band mit dem Titel "Arminius gegen Germanicus", was nach der Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr. geschah. Denn nicht in der Varusschlacht, sondern erst im Jahr 16 n. Chr. sieht Wilm Brepohl den Wendepunkt in der römisch-germanischen Geschichte. Das Buch ist im Aschendorff Verlag in Münster erschienen.

Wie der Buchtitel "Arminius gegen Germanicus" bereits andeutet, befasst sich Wilm Brepohl mit dem letztlich gescheiterten Rachefeldzug des römischen Feldherrn Germanicus im Jahr 16 n. Chr. gegen den germanischen Varus-Bezwinger Arminius. Brepohls Urteil:

"Die nachfolgende Geschichte Europas wäre anders verlaufen, wenn es Germanicus mit seiner Großoffensive damals gelungen wäre, Arminius endgültig zu besiegen und die feindlichen Stämme vollständig und dauerhaft zu unterwerfen. Die Elbe wäre dann die gesicherte Grenze des römischen Imperiums geworden."

Überaus spannend und anschaulich erzählt Wilm Brepohl ein Kapitel der römisch-germanischen Geschichte, das bisher kaum bekannt ist. Denn Roms Krieg gegen die Germanen ging nach der Niederlage des Varus 9 n. Chr. nicht nur weiter.

Der Krieg eskalierte nun erst richtig. Kaiser Tiberius, der 14 n. Chr. Kaiser Augustus nachgefolgt war, gab sein Ziel nicht auf. Er wollte das vor der Varusschlacht von den Römern kontrollierte und besetzte rechtsrheinische Germanien zwischen Rhein und Weser zurückzuerobern.

Unterstützt wurde Tiberius dabei vor allem von seinem Adoptivsohn und Neffen Germanicus. Als Statthalter von Gallien war Germanicus gleichzeitig Oberbefehlshaber der römischen Rheinarmeen.

Wilm Brepohl weist darauf hin, dass Rom sich nicht zuletzt aus völkerrechtlichen Gründen zu seinem militärischen Vorgehen berechtigt fühlte:

"Die römische Führung ging davon aus, die nach der Varus-Niederlage aufgegebenen germanischen Gebiete nur ,vorübergehend‘ durch einseitigen germanischen Vertragsbruch verloren zu haben. Es galt also, durch militärischen Zwang für die Einhaltung der alten Verträge zu sorgen."

Im Frühjahr des Jahres 15 n. Chr. begann Germanicus mit den Legionen der Oberrheinarmee eine Militäroperation gegen den germanischen Stamm der Chatten. Parallel führte sein Feldherr Caecina die Niederrheinarmee gegen die Marser und Cherusker, um sie daran zu hindern, den Chatten zu Hilfe zu kommen. Es folgte eine groß angelegte Sommeroffensive gegen die Koalition des Arminius.

Erneut bestimmten jedoch die Germanen unter Arminius das militärische Geschehen. Wie zuvor schon Varus lockten sie auch Germanicus in ein Gelände, wo sie mit ihrer Ortskenntnis und ihrer Kampfweise den Römern überlegen waren. Germanicus’ Legionen entgingen nur knapp einer Niederlage. Entsprechend desolat fällt Brepohls Fazit der römischen Sommeroffensive aus:

"Das Ergebnis war bei nüchterner militärischer Analyse für Germanicus und seinen Generalstab schlichtweg verheerend. Das römische Kriegsziel, die Cherusker unter Arminius in ihrem eigenen Kerngebiet an der Weser zu stellen und sie dort endgültig militärisch zu besiegen und dauerhaft zu unterwerfen, wurde nicht einmal annähernd erreicht."

Unterdessen wuchs der Nimbus des siegreichen Römerbezwingers Arminius weiter. Wilm Brepohl bringt die Stimmung bei den Germanen auf den Punkt:

"Jetzt konnte Arminius zu Recht darauf hinweisen, dass er es auch erfolgreich mit römischen Kampfverbänden aufnehmen konnte, die mehr als doppelt so stark waren wie die Legionen des besiegten Varus."

Doch Rom gab nicht auf. Im Jahr 16 n. Chr. versuchte Germanicus erneut, Arminius auszuschalten. Dazu wurden rund 80.000 Mann an Legionären, Hilfstruppen und Bundesgenossen aufgeboten. An der Stammesgrenze von Angrivariern und Cheruskern trafen die Römer auf die Germanen. Wilm Brepohl zitiert die Ortsbeschreibung des römischen Geschichtsschreibers Tacitus:

"Schließlich wählten die Germanen einen Ort aus, der von Fluss und Wäldern eingeschlossen war und im Inneren eine enge feuchte Ebene bildete, auch die Wälder umgab ein tiefer Sumpf."

Hier konnten sich weder Roms Legionäre noch die römischen Reitereinheiten frei bewegen. Die Römer erlitten erhebliche Verluste. Germanicus sah sich zum vorzeitigen Rückzug gezwungen.

Nach drei Jahren Krieg kehrte schätzungsweise ein Viertel der römischen Streitmacht in Germanien, rund 25.000 Mann, nicht mehr zurück. Germanicus wurde abberufen. Seine Niederlage stoppte Roms Expansion nach Osten. Die Varusschlacht war nur der Anfang vom Ende gewesen.

Wilm Brepohl macht deutlich, welches Geschichtsbild heute vorherrschen würde, hätten die Römer im Jahr 16 n. Chr. die Germanen doch noch militärisch schlagen können:

"Von der Varusschlacht im Jahre 9 n. Chr. würden nur wenige Fachgelehrte wissen, dass es sich dabei um eine für die Römer schmerzliche, verlustreiche Schlacht gehandelt habe. Eine traurige, unerfreuliche Episode innerhalb der glanzvollen erfolgreichen Expansion im heutigen Deutschland."

Doch es kam bekanntlich anders. Germanien wurde zum Vietnam der Römer.


Wilm Brepohl: Arminius gegen Germanicus. Der Germanicus-Feldzug im Jahre 16 n. Chr. und seine Hintergründe
Aschendorff Verlag, Münster 2008


Eine zusätzliche Literaturliste über Rom finden Sie hier PDF-Dokument
Cover: "Wilm Brepohl: Arminius gegen Germanicus"
Cover: "Wilm Brepohl: Arminius gegen Germanicus"© Aschendorff Verlag