Roh und ungeschönt
Die legendäre Punkband "The Clash" ist bisher schon sehr gut dokumentiert. Jetzt aber gibt es die "offizielle" Geschichte der Band in der Form von Interviews mit den vier Ur-Mitgliedern. Prachtvoll bebildert mit zahllosen Fotos und wertvollen Dokumenten.
"The Clash" gehört zu den Pionieren der britischen Punkszene. Das Quartett führte ab 1976 zwölf Monate lang eine musikalische Revolte durch, deren Auswirkungen bis heute hörbar sind. In extrem kurzer Zeit wurden den führenden Figuren einer den Rock regierenden Hippie-Schicht kurzerhand die Köpfe abgeschlagen.
Der verkiffte Schmock-Rock der siebziger Jahre war tot; ab 77 regierten rebellische Räte - nur um im Jahr darauf am Geld, das ihnen gänzlich unerwartet große und kleine Plattenfirmen in den Hals schoben, zu ersticken. Es dauerte deutlich länger als ein Jahrzehnt, bis erste, zumeist sehr gelungene, Versuche von Bestandsaufnahme und Analyse jener höchst volatilen Epoche in Buchform erschienen - so die Aufsatzsammlung "Im Faschistischen Badezimmer" von Greil Marcus aus den frühen 90er-Jahren.
Je länger nun das wilde Jahr 1977 zurück liegt, desto häufiger erscheinen, vornehmlich in den bedeutenden britischen Musikmagazinen, aber auch immer wieder als Buch, Geschichten, die einen beinahe verklärten Blick zurück werfen. Im Zentrum dieser Texte stehen immer auch: "The Clash", eine Band, die stets um korrekte linke Positionen bemüht war und länger als viele Kollegen relevant blieb, bis die "klassische" Besetzung der Gruppe 1982 auseinanderbrach.
"The Clash" ist eine sehr gut dokumentierte Band; bereits in den frühen Tagen ihrer Karriere erschienen bemerkenswert viele Artikel, waren Fotografen präsent und durch die damals relativ neue, billige Videotechnik existieren bewegte Bilder. Aber erst vor drei Jahren wurde in Großbritannien ein "offizielles Bandbuch" veröffentlicht, das als Autoren Joe Strummer, Mick Jones, Paul Simonon und Topper Headon nennt - also die Musiker der klassischen Clash-Besetzung.
Bei dem nun auf Deutsch erschienenen Buch handelt es sich um eine Sammlung diverser Interviews, die über einen Zeitraum von fast 30 Jahren geführt wurden, eine "oral history", wenn man so will, die den Leser direkt in die Gedankenwelt von Strummer und Co. hineinzuführen scheint.
Die Statements der Vier sind prachtvoll bebildert mit zahllosen Fotos und wertvollen Dokumenten wie Flyern, Postern und historischen Zeitungsausrissen. Einordnende Kommentare oder andere Hilfestellungen freilich fehlen.
Es ist das Buch Clash. Roh und ungeschönt. Einerseits eine großartige O-Ton Sammlung, bei der man sich andererseits natürlich fragen muss, ob man den Worten der Protagonisten glauben will. Denn bereits frühe Interviews zeigen etliche Unschärfen, wenn es etwa um die Rolle der Band bei den blutigen Straßenschlachten des von westindischen Immigranten entfachten Brixton-Aufstandes 1976 geht: da erklärt sich Simonon zum aktiven Straßenkämpfer, während Strummer eher von zufälligen Auseinandersetzungen mit der Polizei weiß.
Also: Man muss diese Erzählungen mit Vorsicht lesen, was sie aber kein bisschen unspannender macht. Die Berichte der Vier führen uns mit prallen Worten und voller Witz zurück in eine verrückte und enorm kreative Zeit, als eine ganze Generation frustrierter junger Briten aufstand und eine eigene Kultur formte.
Leider hat dieses Buch einige Schwächen. Ein Register fehlt, außer dem Bildhinweis existiert keine einzige Quellenangabe, auf eine Einleitung bzw. eine für werkfremde Leser dringend notwendige Einführung wurde verzichtet. Aber vielleicht hielten die Macher dieses Buches derlei ja auch für eines Punks unwürdig.
Besprochen von Andreas Müller
J. Strummer, M. Jones, P. Simonon & T. Headon: The Clash - Das Offizielle Bandbuch
Aus dem Englischen von Violetta Toppalova
Heyne Verlag, München 2011
408 Seiten, 16,99 Euro
Der verkiffte Schmock-Rock der siebziger Jahre war tot; ab 77 regierten rebellische Räte - nur um im Jahr darauf am Geld, das ihnen gänzlich unerwartet große und kleine Plattenfirmen in den Hals schoben, zu ersticken. Es dauerte deutlich länger als ein Jahrzehnt, bis erste, zumeist sehr gelungene, Versuche von Bestandsaufnahme und Analyse jener höchst volatilen Epoche in Buchform erschienen - so die Aufsatzsammlung "Im Faschistischen Badezimmer" von Greil Marcus aus den frühen 90er-Jahren.
Je länger nun das wilde Jahr 1977 zurück liegt, desto häufiger erscheinen, vornehmlich in den bedeutenden britischen Musikmagazinen, aber auch immer wieder als Buch, Geschichten, die einen beinahe verklärten Blick zurück werfen. Im Zentrum dieser Texte stehen immer auch: "The Clash", eine Band, die stets um korrekte linke Positionen bemüht war und länger als viele Kollegen relevant blieb, bis die "klassische" Besetzung der Gruppe 1982 auseinanderbrach.
"The Clash" ist eine sehr gut dokumentierte Band; bereits in den frühen Tagen ihrer Karriere erschienen bemerkenswert viele Artikel, waren Fotografen präsent und durch die damals relativ neue, billige Videotechnik existieren bewegte Bilder. Aber erst vor drei Jahren wurde in Großbritannien ein "offizielles Bandbuch" veröffentlicht, das als Autoren Joe Strummer, Mick Jones, Paul Simonon und Topper Headon nennt - also die Musiker der klassischen Clash-Besetzung.
Bei dem nun auf Deutsch erschienenen Buch handelt es sich um eine Sammlung diverser Interviews, die über einen Zeitraum von fast 30 Jahren geführt wurden, eine "oral history", wenn man so will, die den Leser direkt in die Gedankenwelt von Strummer und Co. hineinzuführen scheint.
Die Statements der Vier sind prachtvoll bebildert mit zahllosen Fotos und wertvollen Dokumenten wie Flyern, Postern und historischen Zeitungsausrissen. Einordnende Kommentare oder andere Hilfestellungen freilich fehlen.
Es ist das Buch Clash. Roh und ungeschönt. Einerseits eine großartige O-Ton Sammlung, bei der man sich andererseits natürlich fragen muss, ob man den Worten der Protagonisten glauben will. Denn bereits frühe Interviews zeigen etliche Unschärfen, wenn es etwa um die Rolle der Band bei den blutigen Straßenschlachten des von westindischen Immigranten entfachten Brixton-Aufstandes 1976 geht: da erklärt sich Simonon zum aktiven Straßenkämpfer, während Strummer eher von zufälligen Auseinandersetzungen mit der Polizei weiß.
Also: Man muss diese Erzählungen mit Vorsicht lesen, was sie aber kein bisschen unspannender macht. Die Berichte der Vier führen uns mit prallen Worten und voller Witz zurück in eine verrückte und enorm kreative Zeit, als eine ganze Generation frustrierter junger Briten aufstand und eine eigene Kultur formte.
Leider hat dieses Buch einige Schwächen. Ein Register fehlt, außer dem Bildhinweis existiert keine einzige Quellenangabe, auf eine Einleitung bzw. eine für werkfremde Leser dringend notwendige Einführung wurde verzichtet. Aber vielleicht hielten die Macher dieses Buches derlei ja auch für eines Punks unwürdig.
Besprochen von Andreas Müller
J. Strummer, M. Jones, P. Simonon & T. Headon: The Clash - Das Offizielle Bandbuch
Aus dem Englischen von Violetta Toppalova
Heyne Verlag, München 2011
408 Seiten, 16,99 Euro