Rohani hat "ernstes Interesse" an Kompromiss
Die iranische Regierung habe aus innen- und außenpolitischen Gründen gerade ein großes Interesse an einer Verständigung mit dem Westen, meint der Politologe Jochen Hippler. Wie lange diese Chance auf Verhandlungen bestehe, sei aber unsicher. Deswegen wäre es dramatisch, wenn die USA oder andere sie torpedieren würden.
Nana Brink: Alles begann mit einem Telefongespräch, einem legendären. US-Präsident Obama griff zum Telefonhörer, um den neu gewählten iranischen Präsidenten Rohani anzurufen. Sicherlich hat er nicht nur gratuliert. Dann konnten sich der Iran und die fünf UN-Vetomächte plus Deutschland im Oktober immerhin auf eine gemeinsame Erklärung einigen - das gab's auch noch nie -, wenn auch nichts Substanzielles über die Verhandlungen drin stand, außer dass man sich die Hände geschüttelt hat und weiterreden wollte. Und das macht man nun, und zwar heute gegen die Gespräche über das umstrittene iranische Atomprogramm in Genf weiter. Jochen Hippler ist Politikwissenschaftler und Friedensforscher am Institut für Entwicklung und Frieden der Uni Duisburg-Essen. Schönen guten Morgen, Herr Hippler!
Jochen Hippler: Einen schönen guten Morgen!
Brink: Die Positionen nach außen scheinen unverändert, die UN-Vetomächte und Deutschland wollen ein Ende des iranischen Atomprogramms, Iran will das nicht. Was wir momentan sehen, sind diplomatische Goodwill-Gesten, oder sehen Sie mehr?
Hippler: Nun, es gibt doch deutliche Hinweise, dass es im Iran eine Änderung der Herangehensweise gegeben hat, dass unter Präsident Rohani es grundsätzliche Entscheidungen gegeben hat, relativ zügig zu einem Kompromiss zu kommen. Und die Frage ist eben tatsächlich, ob dieser gute Wille auf der iranischen Seite jetzt ausreichen wird, tatsächlich dieses Ergebnis bald zu erzielen.
Brink: Der Iran soll ja einen Plan präsentiert haben, der innerhalb eines Jahres zu einer Lösung des Konfliktes führt, aber nichts Genaues weiß man nicht. Werden wir mehr erfahren in den nächsten Tagen?
Hippler: Also ob in den nächsten Tagen schon die Karten auf den Tisch kommen, da bin ich noch nicht ganz sicher. Klar ist allerdings, dass der Iran tatsächlich aufs Tempo drücken wird. Und das hat auch was mit der iranischen Innenpolitik zu tun, dass im Moment dort so eine Art Window of Opportunity zu geben scheint, dass eben nach der überraschend eindeutigen Präsidentschaftswahl auch bestimmte Gegner so einer Verständigung jetzt im Moment in etwas schwächeren Positionen sind, dass auch der Führer, wie er ja heißt, Herr Chamenei, im Moment tatsächlich sich hat wohl überzeugen lassen, Kompromissen gegenüber aufgeschlossen zu sein.
Es ist aber nicht sicher, dass sich das in der Zukunft nicht wieder ändern kann. Insofern hat Herr Rohani und haben seine Berater durchaus das Interesse, da keine Zeit zu verlieren, sondern wirklich aus Gründen, aus außenwirtschaftlichen Gründen, aus innenpolitischen Gründen tatsächlich so einen Kompromiss zu erreichen. Das ist schon das ernste Interesse von Rohani. Es gibt aber eben Gegenkräfte.
Brink: Glauben Sie denn, dass er wirklich einen Plan im Tornister hat sozusagen oder seine Unterhändler, wenn sie nach Genf kommen heute?
Hippler: Inzwischen würde ich davon ausgehen. Ich bin halt ja vor Kurzem erst aus Teheran wiedergekommen und hatte tatsächlich bei so Gesprächen an verschiedenen Leuten den Eindruck, dass es eben im Umfeld von Rohani tatsächlich schon im Vorfeld Anfänge gegeben hat, solche Pläne zu entwickeln. Allerdings war es eben natürlich zeitlich alles sehr knapp. Also ich meine, denken Sie daran, dass noch zwei, drei Tage, drei, vier Tage vor den Wahlen kein Mensch wirklich damit rechnete, dass Rohani gewählt werden könnte. Insofern hat man jetzt inzwischen aber wohl die Zeit genutzt, da nachzulegen und so. Und Rohani selbst hat ja nun Erfahrungen in den Atomverhandlungen.
Brink: Wenn Sie da vor Ort waren, glauben Sie denn, dass auch dort bei denjenigen Leuten, die diese Verhandlungen führen, also im Umfeld von Rohani, dass die dann auch dem Westen, also sagen wir mal den Vetomächten und Deutschland trauen bei den Verhandlungen? Gibt es da eine Vertrauensbasis?
Hippler: Also das ist vielleicht noch ein bisschen übertrieben, Vertrauen. Es ist, glaube ich, völlig klar, dass jetzt die Leute um Rohani - und Rohani führt in gewissem Sinne eine Art Koalitionsregierung, müssen wir dran denken, da sind halt eigene Vertraute drin, die er zum Teil aus seinem Institut, das er geleitet hat, mitgebracht hat, da sind noch mehr Vertraute drin des früheren Präsidenten Chatami, der ja acht Jahre Präsident gewesen ist, bevor Ahmadinedschad drangekommen ist, da sind Vertraute drin von Herrn Rafsandschani, der vor Chatami Präsident gewesen ist, das sind die beiden Leute, die ihm letztlich geholfen haben, gewählt zu werden. Und es gibt aber eben auch ein paar Leute, die halt Zugeständnisse an die konservativen und reaktionären Kreise darstellen, die man eben auch mit reinnehmen musste, um halt dem Führer eine Freude zu machen sozusagen. Und daran gibt es jetzt nichts austariert. Das ist eben tatsächlich das Problem, dass da nicht eine Strömung jetzt aus einem Guss eine Politik machen kann, sondern dass da eben tatsächlich jetzt in unterschiedlichen Strömungen verschiedene Kräfte beteiligt sind.
Jochen Hippler: Einen schönen guten Morgen!
Brink: Die Positionen nach außen scheinen unverändert, die UN-Vetomächte und Deutschland wollen ein Ende des iranischen Atomprogramms, Iran will das nicht. Was wir momentan sehen, sind diplomatische Goodwill-Gesten, oder sehen Sie mehr?
Hippler: Nun, es gibt doch deutliche Hinweise, dass es im Iran eine Änderung der Herangehensweise gegeben hat, dass unter Präsident Rohani es grundsätzliche Entscheidungen gegeben hat, relativ zügig zu einem Kompromiss zu kommen. Und die Frage ist eben tatsächlich, ob dieser gute Wille auf der iranischen Seite jetzt ausreichen wird, tatsächlich dieses Ergebnis bald zu erzielen.
Brink: Der Iran soll ja einen Plan präsentiert haben, der innerhalb eines Jahres zu einer Lösung des Konfliktes führt, aber nichts Genaues weiß man nicht. Werden wir mehr erfahren in den nächsten Tagen?
Hippler: Also ob in den nächsten Tagen schon die Karten auf den Tisch kommen, da bin ich noch nicht ganz sicher. Klar ist allerdings, dass der Iran tatsächlich aufs Tempo drücken wird. Und das hat auch was mit der iranischen Innenpolitik zu tun, dass im Moment dort so eine Art Window of Opportunity zu geben scheint, dass eben nach der überraschend eindeutigen Präsidentschaftswahl auch bestimmte Gegner so einer Verständigung jetzt im Moment in etwas schwächeren Positionen sind, dass auch der Führer, wie er ja heißt, Herr Chamenei, im Moment tatsächlich sich hat wohl überzeugen lassen, Kompromissen gegenüber aufgeschlossen zu sein.
Es ist aber nicht sicher, dass sich das in der Zukunft nicht wieder ändern kann. Insofern hat Herr Rohani und haben seine Berater durchaus das Interesse, da keine Zeit zu verlieren, sondern wirklich aus Gründen, aus außenwirtschaftlichen Gründen, aus innenpolitischen Gründen tatsächlich so einen Kompromiss zu erreichen. Das ist schon das ernste Interesse von Rohani. Es gibt aber eben Gegenkräfte.
Brink: Glauben Sie denn, dass er wirklich einen Plan im Tornister hat sozusagen oder seine Unterhändler, wenn sie nach Genf kommen heute?
Hippler: Inzwischen würde ich davon ausgehen. Ich bin halt ja vor Kurzem erst aus Teheran wiedergekommen und hatte tatsächlich bei so Gesprächen an verschiedenen Leuten den Eindruck, dass es eben im Umfeld von Rohani tatsächlich schon im Vorfeld Anfänge gegeben hat, solche Pläne zu entwickeln. Allerdings war es eben natürlich zeitlich alles sehr knapp. Also ich meine, denken Sie daran, dass noch zwei, drei Tage, drei, vier Tage vor den Wahlen kein Mensch wirklich damit rechnete, dass Rohani gewählt werden könnte. Insofern hat man jetzt inzwischen aber wohl die Zeit genutzt, da nachzulegen und so. Und Rohani selbst hat ja nun Erfahrungen in den Atomverhandlungen.
Brink: Wenn Sie da vor Ort waren, glauben Sie denn, dass auch dort bei denjenigen Leuten, die diese Verhandlungen führen, also im Umfeld von Rohani, dass die dann auch dem Westen, also sagen wir mal den Vetomächten und Deutschland trauen bei den Verhandlungen? Gibt es da eine Vertrauensbasis?
Hippler: Also das ist vielleicht noch ein bisschen übertrieben, Vertrauen. Es ist, glaube ich, völlig klar, dass jetzt die Leute um Rohani - und Rohani führt in gewissem Sinne eine Art Koalitionsregierung, müssen wir dran denken, da sind halt eigene Vertraute drin, die er zum Teil aus seinem Institut, das er geleitet hat, mitgebracht hat, da sind noch mehr Vertraute drin des früheren Präsidenten Chatami, der ja acht Jahre Präsident gewesen ist, bevor Ahmadinedschad drangekommen ist, da sind Vertraute drin von Herrn Rafsandschani, der vor Chatami Präsident gewesen ist, das sind die beiden Leute, die ihm letztlich geholfen haben, gewählt zu werden. Und es gibt aber eben auch ein paar Leute, die halt Zugeständnisse an die konservativen und reaktionären Kreise darstellen, die man eben auch mit reinnehmen musste, um halt dem Führer eine Freude zu machen sozusagen. Und daran gibt es jetzt nichts austariert. Das ist eben tatsächlich das Problem, dass da nicht eine Strömung jetzt aus einem Guss eine Politik machen kann, sondern dass da eben tatsächlich jetzt in unterschiedlichen Strömungen verschiedene Kräfte beteiligt sind.
"Widersprüche im konservativen Lager"
Brink: Weil Rohani steht ja wirklich unter einem enormen Druck. Irans Konservative empfinden doch jedes Zugeständnis als Verrat nationaler Interessen, oder ist das anders?
Hippler: Das ist ein bisschen komplizierter innen drin, weil die Konservativen - das hat sich ja gerade im Wahlkampf gezeigt - völlig gespaltet sind. Es gibt eben nicht einfach nur das konservative Lager, sondern es hat sich eben gezeigt, dass im konservativen Lager tatsächlich Widersprüche bestehen, dass eben zum Beispiel der Führer jetzt für diese Verhandlungen gewesen ist.
Brink: Wie müssten die UN-Vetomächte und Deutschland reagieren?
Hippler: Also ich glaube vor allen Dingen, man muss tatsächlich jetzt erst mal versuchen, einen Kompromiss zu erreichen. Denken Sie daran, es hat in den letzten 15 Jahren zweimal Situationen gegeben, wo es Möglichkeiten der Verständigung gegeben hätte - das war schon auch, bevor die Atomfrage so hoch ging, und einmal ist sie tatsächlich aus dem Iran verdorben worden, einmal aus dem Westen. Also als Präsident Chatami zu Beginn des letzten Jahrtausends halt mit dem "Dialog der Kulturen" - Dialog der Zivilisation - die Hände ausstreckte und wirklich eine grundsätzliche Verständigung mit dem Westen erstrebte - denken Sie an die Bilder, wo er mit Präsident Johannes Rau in Weimar sozusagen stand -, da hat damals aus ideologischen Gründen der damalige US-Präsident Bush das torpediert.
Das war eine große, große politische Katastrophe eigentlich. Und als umgekehrt Präsident Obama in seiner ersten Amtszeit ins Amt kam und auch eigentlich von sich aus eine Verständigung wollte, da hat eben Präsident Ahmadinedschad und seine reaktionären Verbündeten torpediert. Und da hat es zweimal im Prinzip eine Möglichkeit gegeben, die Beziehungen zu bereinigen, und von beiden Seiten dann nacheinander wurde das dann zum Scheitern gebracht.
Jetzt kommt es wirklich drauf an, diese neue Möglichkeit, die sich gerade anbahnt, aus innenpolitischen Gründen und aus wirtschaftlichen Gründen im Iran, dass da nicht irgendwelche Kräfte in den Vereinigten Staaten oder anderswo wieder die Möglichkeit kriegen, das zum Scheitern zu bringen. Das wäre eben wegen der Nuklearfrage und auch wegen der regionalen Umbrüche im Nahen Osten, der jetzt seit ein paar Jahren ja, seit Ende 2010 zu verzeichnen, wäre das halt tatsächlich sehr, sehr unerfreulich.
Brink: Der Politikwissenschaftler und Friedensforscher Jochen Hippler. Schönen Dank, dass Sie mit uns gesprochen haben!
Hippler: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Hippler: Das ist ein bisschen komplizierter innen drin, weil die Konservativen - das hat sich ja gerade im Wahlkampf gezeigt - völlig gespaltet sind. Es gibt eben nicht einfach nur das konservative Lager, sondern es hat sich eben gezeigt, dass im konservativen Lager tatsächlich Widersprüche bestehen, dass eben zum Beispiel der Führer jetzt für diese Verhandlungen gewesen ist.
Brink: Wie müssten die UN-Vetomächte und Deutschland reagieren?
Hippler: Also ich glaube vor allen Dingen, man muss tatsächlich jetzt erst mal versuchen, einen Kompromiss zu erreichen. Denken Sie daran, es hat in den letzten 15 Jahren zweimal Situationen gegeben, wo es Möglichkeiten der Verständigung gegeben hätte - das war schon auch, bevor die Atomfrage so hoch ging, und einmal ist sie tatsächlich aus dem Iran verdorben worden, einmal aus dem Westen. Also als Präsident Chatami zu Beginn des letzten Jahrtausends halt mit dem "Dialog der Kulturen" - Dialog der Zivilisation - die Hände ausstreckte und wirklich eine grundsätzliche Verständigung mit dem Westen erstrebte - denken Sie an die Bilder, wo er mit Präsident Johannes Rau in Weimar sozusagen stand -, da hat damals aus ideologischen Gründen der damalige US-Präsident Bush das torpediert.
Das war eine große, große politische Katastrophe eigentlich. Und als umgekehrt Präsident Obama in seiner ersten Amtszeit ins Amt kam und auch eigentlich von sich aus eine Verständigung wollte, da hat eben Präsident Ahmadinedschad und seine reaktionären Verbündeten torpediert. Und da hat es zweimal im Prinzip eine Möglichkeit gegeben, die Beziehungen zu bereinigen, und von beiden Seiten dann nacheinander wurde das dann zum Scheitern gebracht.
Jetzt kommt es wirklich drauf an, diese neue Möglichkeit, die sich gerade anbahnt, aus innenpolitischen Gründen und aus wirtschaftlichen Gründen im Iran, dass da nicht irgendwelche Kräfte in den Vereinigten Staaten oder anderswo wieder die Möglichkeit kriegen, das zum Scheitern zu bringen. Das wäre eben wegen der Nuklearfrage und auch wegen der regionalen Umbrüche im Nahen Osten, der jetzt seit ein paar Jahren ja, seit Ende 2010 zu verzeichnen, wäre das halt tatsächlich sehr, sehr unerfreulich.
Brink: Der Politikwissenschaftler und Friedensforscher Jochen Hippler. Schönen Dank, dass Sie mit uns gesprochen haben!
Hippler: Sehr gerne!
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