Rohanis "Charme-Offensive" auf Substanz testen
Israelische Politiker seien bereit zu prüfen, ob Irans versöhnliche Töne ernst gemeint sind, sagt Volker Perthes. Historisch betrachtet gebe es gemeinsame "geostrategische" Interessen beider Länder, so der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Julius Stucke: Je komplizierter das Verhältnis zwischen zwei Ländern, desto einfacher ist es für Politiker, sich mit simplen Feindbildern scheinbare Klarheit zu schaffen – was einen natürlich nicht unbedingt einer Lösung näher bringt. Der Iran, Israel und der Atomkonflikt, das ist so ein Beispiel. Seit der iranischen Revolution, also Ende der 70er-Jahre, ist klar, der Iran erkennt Israel nicht an, Israel betrachtet umgekehrt den Iran als größten Feind Israels. Und in der Hand eines solchen will man natürlich keine Atomwaffen sehen. So weit, so festgefahren. Wenn dann aber, wie zuletzt geschehen durch den neuen iranischen Präsidenten Rohani Bewegung ins Spiel kommt, weil dieser sich im Atomstreit offener gibt als Vorgänger, weil er versöhnlichere Töne anschlägt, dann stellt sich die Frage, wie reagiert Israel? Wie reagieren Israels Politiker? Vereinfacht gesagt, was tun, wenn das Feindbild wackelt?
Darüber spreche ich mit Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, der SWP, ein Forschungsinstitut für internationale und Sicherheitspolitik. Schönen guten Morgen, Herr Perthes.
Volker Perthes: Ja, schönen guten Morgen.
Stucke: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, er hat ganz skeptisch reagiert auf die neuen Töne des Iran. Er glaubt das nicht. Wäre es nicht aber trotzdem an seiner Seite gewesen, einen Schritt zurückzugehen, auf Rohani zu?
Perthes: Vielleicht ist es zu früh für einen Schritt auf Rohani zu, aber es gibt eine richtige Debatte auch in Israel in den Medien, in der Politik, ob Netanjahu eigentlich mit seinem grundlegenden und essenziellen Pessimismus hier richtig liegt. Netanjahu ist ja vor einem Jahr bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen aufgetreten und hat da so eine Grafik gezeigt mit einer Bombe und einer roten Linie, und da war Ahmadinedschad noch Präsident des Iran, und Netanjahu konnte sagen, guckt mal, diese Iraner mit ihrer radikalen Rhetorik, die sind kurz davor, eine solche Bombe herzustellen und das bedroht uns. Und viele in Israel sagen, angesichts eines neuen Kurses im Iran, eines neuen Präsidenten, einer neuen Sprache aus Iran sollte Netanjahu vielleicht auch seine Sprache ändern.
Stucke: Was denken Sie denn, warum ändert er das nicht, wenn das viele im Land so denken?
Perthes: Na, zum Teil hat das was zu tun mit seiner ideologischen Haltung, die heißt, wir misstrauen erst mal allen anderen, Israel muss auf sich selbst vertrauen, Israel ist von Feinden umzingelt und muss den Verbündeten, die es außerhalb des Nahen Ostens hat, also insbesondere den USA und den Europäern auch klar machen, dass Israels Feinde seine Feinde bleiben und dass man bloß nicht locker lassen soll, etwa in Sanktionen gegenüber Iran.
Es gibt andere politische Lager in Israel, die eine andere Haltung haben. Also Schimon Peres beispielsweise, der Staatspräsident Israels, ist nicht weniger skeptisch, was Iran angeht, sagt aber: Lasst uns doch testen, ob hinter der Sprache auch Substanz steht oder ob es wirklich nur eine rein rhetorische Charme-Offensive ist. Und Ähnliches hört man sogar von Koalitionspartnern von Netanjahu. Der Finanzminister Lapid etwa sagt, na ja, immerhin habe man solche Töne seit 30 Jahren nicht aus Iran gehört, und da sollte man doch mal genau hinhören und vielleicht herausfinden, ob nicht doch hier eine reale Öffnung auf iranischer Seite zu vermelden ist.
Stucke: Was tun, wenn das Feindbild wackelt? Dazu Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Herr Perthes, dass es keine unverrückbare Tatsache ist, dass Israel und der Iran Feinde sein müssen, das zeigt ja die Geschichte, denn das Verhältnis zwischen Iran und Israel, das war vor der iranischen Revolution, also vor 1979, durchaus besser. Ist es denn möglich, dahin zurückzukehren?
Perthes: Also diejenigen, die, sagen wir mal, nur in geopolitischen, aber nicht in ideologischen Kategorien denken, und die gibt es natürlich in Israel auch, die erinnern sich genau an die Geschichte und sagen, gucken wir doch mal einfach an die richtigen Machtgewichte im Nahen Osten. Gucken wir an die Blöcke, die sich kulturell prägen. Da haben wir die arabische Welt und haben wir die nicht-arabischen Staaten. Die nicht-arabischen Staaten, das sind Israel und die Türkei und Iran. Und die zusammen haben eigentlich was, was sie bindet oder was sie zumindest abhebt von der arabischen Welt. Und da hat es in der Geschichte immer Zusammenarbeit gegeben. Und das ist eine geostrategische Option, eine geostrategische Möglichkeit.
Darüber wird nachgedacht, da gibt es, wie Sie richtig gesagt haben, in der Geschichte Präzedenzen. Gleichwohl muss man natürlich auch sehen, dass der Iran ein Staat ist, der eine gewisse Staatsideologie hat, und dazu gehört der schiitische Islam, dazu gehört auch auf iranischer Seite ‒ bislang noch jedenfalls ‒ die Feindschaft gegenüber nicht den Juden, aber die Feindschaft gegenüber dem Staat Israel. Und manche verbinden das und sagen: Na ja, in Israel müssten wir vielleicht auch etwas ändern; wenn wir da jetzt einen richtigen Friedensprozess mit den Palästinensern machen, das israelisch-palästinensische Verhältnis klären, erlauben, dass ein palästinensischer Staat, ein lebensfähiger palästinensischer Staat neben Israel entsteht, dann kann man vielleicht auch den iranischen Ideologen, die ihre Feindschaft mit Israel im Wesentlichen und ihre Feindschaft gegen Israel im Wesentlichen mit der israelischen Besetzung palästinensischen Bodens begründen, dann kann man denen vielleicht auch das Wasser entziehen.
Stucke: Herr Perthes, wenn wir schon über Feindbilder sprechen, dann gehört dazu natürlich auch das Verhältnis Iran und USA. Und es gehören dazu auch Personen. Also, hier stehen sich ja nicht mehr Präsidenten wie Ahmadinedschad und George W. Bush entgegen, sondern Rohani und Obama. Wie groß ist denn der persönliche Anteil bei dieser ganzen Diplomatie?
Perthes: Sagen wir mal so: Die Personen machen letztlich den kleinen Unterschied, wenn die Strukturen in eine bestimmte Richtung weisen oder die Dynamiken insgesamt eine bestimmte Politikentwicklungsrichtung naheliegend machen. Wir wissen, dass es für die USA und für den Westen nicht gut ist, einen so wichtigen Staat wie Iran langfristig zu isolieren. Wir wissen vor allem, dass es für Iran nicht gut ist, langfristig isoliert zu sein. Das Land leidet darunter, das heißt, es gibt im Iran und im Westen ein großes Interesse daran, dieses Verhältnis irgendwie in Ordnung zu bringen durch einen vernünftigen Kompromiss in der Atomfrage, der den Iranern ihre Rechte gibt, aber dem Westen die Sicherheit gibt und der internationalen Gemeinschaft die Sicherheit gibt, dass der Iran nicht an einer Atomwaffe arbeitet.
Und dann sind es letztlich die Personen, die solche Prozesse möglich machen können oder nicht. Es hat ja schon mal eine Annäherung gegeben zwischen den USA und Iran, nach dem 11. September 2001, also nach den Terroranschlägen in den USA, nach dem Beginn des Krieges gegen die Taliban durch die USA. Da waren die Iraner bereit, zusammenzuarbeiten. Und das ist dann tatsächlich durch den amerikanischen Präsidenten George W. Bush unterminiert worden, als er Iran auf die sogenannte "Achse des Bösen" platziert hat.
Stucke: Wenn das Feindbild wackelt – der Iran, Israel und die USA und die neuen Töne im Atomstreit. Dazu Einschätzungen von Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Herr Perthes, danke und einen schönen Tag für Sie.
Perthes: Ja sehr gern, Ihnen auch. Tschüss.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Darüber spreche ich mit Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, der SWP, ein Forschungsinstitut für internationale und Sicherheitspolitik. Schönen guten Morgen, Herr Perthes.
Volker Perthes: Ja, schönen guten Morgen.
Stucke: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, er hat ganz skeptisch reagiert auf die neuen Töne des Iran. Er glaubt das nicht. Wäre es nicht aber trotzdem an seiner Seite gewesen, einen Schritt zurückzugehen, auf Rohani zu?
Perthes: Vielleicht ist es zu früh für einen Schritt auf Rohani zu, aber es gibt eine richtige Debatte auch in Israel in den Medien, in der Politik, ob Netanjahu eigentlich mit seinem grundlegenden und essenziellen Pessimismus hier richtig liegt. Netanjahu ist ja vor einem Jahr bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen aufgetreten und hat da so eine Grafik gezeigt mit einer Bombe und einer roten Linie, und da war Ahmadinedschad noch Präsident des Iran, und Netanjahu konnte sagen, guckt mal, diese Iraner mit ihrer radikalen Rhetorik, die sind kurz davor, eine solche Bombe herzustellen und das bedroht uns. Und viele in Israel sagen, angesichts eines neuen Kurses im Iran, eines neuen Präsidenten, einer neuen Sprache aus Iran sollte Netanjahu vielleicht auch seine Sprache ändern.
Stucke: Was denken Sie denn, warum ändert er das nicht, wenn das viele im Land so denken?
Perthes: Na, zum Teil hat das was zu tun mit seiner ideologischen Haltung, die heißt, wir misstrauen erst mal allen anderen, Israel muss auf sich selbst vertrauen, Israel ist von Feinden umzingelt und muss den Verbündeten, die es außerhalb des Nahen Ostens hat, also insbesondere den USA und den Europäern auch klar machen, dass Israels Feinde seine Feinde bleiben und dass man bloß nicht locker lassen soll, etwa in Sanktionen gegenüber Iran.
Es gibt andere politische Lager in Israel, die eine andere Haltung haben. Also Schimon Peres beispielsweise, der Staatspräsident Israels, ist nicht weniger skeptisch, was Iran angeht, sagt aber: Lasst uns doch testen, ob hinter der Sprache auch Substanz steht oder ob es wirklich nur eine rein rhetorische Charme-Offensive ist. Und Ähnliches hört man sogar von Koalitionspartnern von Netanjahu. Der Finanzminister Lapid etwa sagt, na ja, immerhin habe man solche Töne seit 30 Jahren nicht aus Iran gehört, und da sollte man doch mal genau hinhören und vielleicht herausfinden, ob nicht doch hier eine reale Öffnung auf iranischer Seite zu vermelden ist.
Stucke: Was tun, wenn das Feindbild wackelt? Dazu Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Herr Perthes, dass es keine unverrückbare Tatsache ist, dass Israel und der Iran Feinde sein müssen, das zeigt ja die Geschichte, denn das Verhältnis zwischen Iran und Israel, das war vor der iranischen Revolution, also vor 1979, durchaus besser. Ist es denn möglich, dahin zurückzukehren?
Perthes: Also diejenigen, die, sagen wir mal, nur in geopolitischen, aber nicht in ideologischen Kategorien denken, und die gibt es natürlich in Israel auch, die erinnern sich genau an die Geschichte und sagen, gucken wir doch mal einfach an die richtigen Machtgewichte im Nahen Osten. Gucken wir an die Blöcke, die sich kulturell prägen. Da haben wir die arabische Welt und haben wir die nicht-arabischen Staaten. Die nicht-arabischen Staaten, das sind Israel und die Türkei und Iran. Und die zusammen haben eigentlich was, was sie bindet oder was sie zumindest abhebt von der arabischen Welt. Und da hat es in der Geschichte immer Zusammenarbeit gegeben. Und das ist eine geostrategische Option, eine geostrategische Möglichkeit.
Darüber wird nachgedacht, da gibt es, wie Sie richtig gesagt haben, in der Geschichte Präzedenzen. Gleichwohl muss man natürlich auch sehen, dass der Iran ein Staat ist, der eine gewisse Staatsideologie hat, und dazu gehört der schiitische Islam, dazu gehört auch auf iranischer Seite ‒ bislang noch jedenfalls ‒ die Feindschaft gegenüber nicht den Juden, aber die Feindschaft gegenüber dem Staat Israel. Und manche verbinden das und sagen: Na ja, in Israel müssten wir vielleicht auch etwas ändern; wenn wir da jetzt einen richtigen Friedensprozess mit den Palästinensern machen, das israelisch-palästinensische Verhältnis klären, erlauben, dass ein palästinensischer Staat, ein lebensfähiger palästinensischer Staat neben Israel entsteht, dann kann man vielleicht auch den iranischen Ideologen, die ihre Feindschaft mit Israel im Wesentlichen und ihre Feindschaft gegen Israel im Wesentlichen mit der israelischen Besetzung palästinensischen Bodens begründen, dann kann man denen vielleicht auch das Wasser entziehen.
Stucke: Herr Perthes, wenn wir schon über Feindbilder sprechen, dann gehört dazu natürlich auch das Verhältnis Iran und USA. Und es gehören dazu auch Personen. Also, hier stehen sich ja nicht mehr Präsidenten wie Ahmadinedschad und George W. Bush entgegen, sondern Rohani und Obama. Wie groß ist denn der persönliche Anteil bei dieser ganzen Diplomatie?
Perthes: Sagen wir mal so: Die Personen machen letztlich den kleinen Unterschied, wenn die Strukturen in eine bestimmte Richtung weisen oder die Dynamiken insgesamt eine bestimmte Politikentwicklungsrichtung naheliegend machen. Wir wissen, dass es für die USA und für den Westen nicht gut ist, einen so wichtigen Staat wie Iran langfristig zu isolieren. Wir wissen vor allem, dass es für Iran nicht gut ist, langfristig isoliert zu sein. Das Land leidet darunter, das heißt, es gibt im Iran und im Westen ein großes Interesse daran, dieses Verhältnis irgendwie in Ordnung zu bringen durch einen vernünftigen Kompromiss in der Atomfrage, der den Iranern ihre Rechte gibt, aber dem Westen die Sicherheit gibt und der internationalen Gemeinschaft die Sicherheit gibt, dass der Iran nicht an einer Atomwaffe arbeitet.
Und dann sind es letztlich die Personen, die solche Prozesse möglich machen können oder nicht. Es hat ja schon mal eine Annäherung gegeben zwischen den USA und Iran, nach dem 11. September 2001, also nach den Terroranschlägen in den USA, nach dem Beginn des Krieges gegen die Taliban durch die USA. Da waren die Iraner bereit, zusammenzuarbeiten. Und das ist dann tatsächlich durch den amerikanischen Präsidenten George W. Bush unterminiert worden, als er Iran auf die sogenannte "Achse des Bösen" platziert hat.
Stucke: Wenn das Feindbild wackelt – der Iran, Israel und die USA und die neuen Töne im Atomstreit. Dazu Einschätzungen von Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Herr Perthes, danke und einen schönen Tag für Sie.
Perthes: Ja sehr gern, Ihnen auch. Tschüss.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.