"Wir haben eine moralische Verantwortung"
Bestimmte Rohstoffe stecken in jedem Computer, in jedem Smartphone. Manchmal werden sie von Rebellen abgebaut und wer sie auf dem Weltmarkt kauft, unterstützt Konflikte in bestimmten Ländern. Der Geograph Andreas Manhart darüber, wie schwer es ist, saubere Rohstoffe zu bekommen und welche unerwünschten Nebeneffekte das haben kann.
Joachim Scholl: Tantal, Wolfram, Koltan, Zinn, Gold, solche edlen und seltenen Metalle und Mineralien werden im Kongo abgebaut, in Minen, mit denen dortige Milizen ihre Kriegsmaschinerie finanzieren für den endlosen Bürgerkrieg im Land. Man spricht demnach von Konfliktmineralien und -metallen, und viele Industriehersteller sind bemüht, sie aus ihren Produkten zu verbannen. Das ist nicht leicht, denn für jedes Handy, jeden PC werden sie gebraucht. Nun hat der Chiphersteller Intel bekannt gegeben, dass in Zukunft alle ihre Prozessoren frei von solcher Art Konfliktstoffen sind. Experte auf diesem Gebiet ist Andreas Manhart vom Ökoinstitut Freiburg, er ist jetzt am Telefon, guten Tag!
Andreas Manhart: Guten Tag!
Scholl: Es gibt, Herr Manhart, bereits ein Abkommen, in dem sich börsennotierte Unternehmen in den USA verpflichten, die Verwendung dieser problematischen Rohstoffe offenzulegen und zu vermeiden. Wie ist diese Ankündigung des Chip-Riesen Intel nun einzuschätzen? Ist das ein wichtiger Schritt nach vorn?
Manhart: Also letztendlich, Sie haben recht, Intel hat diesen Schritt gegangen. Es gibt in den USA ein Gesetz, das ist ein Teil des sogenannten Dodd-Frank Act, das besagt, dass börsennotierte Unternehmen in den USA offenlegen müssen, woher diese Rohstoffe kommen, und wenn sie aus dem Kongo oder der Region kommen, dass sie nachweisen, dass sie alles in ihrer Möglichkeit Stehende getan haben, um zu vermeiden, dass damit Konflikte finanziert wurden. Das heißt, die Ankündigung ist zunächst einmal gar nicht so neu. Das ist seit Neuestem gesetzlicher Mindeststandard in den USA: Sie dürfen de facto keine Konfliktrohstoffe in den Produkten verwenden. Das betrifft nicht nur die amerikanischen Firmen, sondern auch die Zulieferer, die selbstverständlich von ihren Kunden in den USA abhängig sind.
Scholl: Wie genau lässt sich denn die Herkunft dieser Metalle und Mineralien nachweisen?
Die Herkunft lässt sich gut nachweisen
Manhart: Nun, das hängt davon ab. Letztendlich lässt es sich schon sehr gut nachweisen, vor allem in dem Bereich der Schmelzen, also da, wo wirklich Erzeinkäufer am Werk sind, die wissen in der Regel sehr genau, woher die Erze kommen. Das kann man einerseits über Papierdokumentationen, Datenbanken, aber auch laboranalytisch verifizieren und die Herkunft bestimmen. Später, desto komplexer die Produkte, die Verarbeitungsstufe wird, wird es natürlich immer schwieriger, und man kann sich hier nicht mehr auf Analysen verlassen. Die Information, die geochemische Information, geht mit dem Schmelzprozess verloren. Es wird bei sehr komplexen, sehr hoch verarbeiteten Produkten tatsächlich sehr schwierig. Aber da ist die Elektronikindustrie tatsächlich weit. Die wissen sehr genau, von welchen Schmelzen sie beziehen oder auch indirekt beziehen und verpflichten eben die Schmelzbetriebe, nur solche Erze zu beziehen, die garantiert konfliktfrei sind.
Scholl: Dass wir vielleicht mal ein Begriff von den Dimensionen bekommen, von denen wir hier sprechen: Wie groß ist denn der Anteil von jenen Konfliktstoffen, die im Kongo abgebaut werden? Weiß man, wie groß das ist oder was daran verdient wird?
Manhart: Nun, das schwankt sehr stark. Also der Anteil hat in einigen Jahren, in denen zum Beispiel der Tantalpreis sehr niedrig war, … da sind andere Produzenten dieser Welt aus dem Geschäft ausgestiegen, und dann ist der Anteil des Kongos sehr stark nach oben gegangen. Es ist aber so, dass momentan oder auch in den letzten Jahren ein Großteil dieser Rohstoffe eigentlich an Europa und Amerika vorbei geflossen sind, vor allem über asiatische Schmelzen in Produkte eingearbeitet wurden, die aber dann natürlich doch wieder bei uns in diesen Produkten, in den Endprodukten gelandet sind. Der Anteil ist opak, man weiß es nicht genau, auch deshalb, weil ein Großteil dieser Rohstoffe Schmuggelware sind. Wir wissen aber, dass gerade bei Zinn und Tantal, was ja aus Coltan gewonnen wird, dass da letztendlich die beiden die bedeutenden sind, wo Kongo wirklich einen Großteil oder einen signifikanten Anteil der Lagerstätten dieser Welt aufzuweisen hat.
Scholl: Nach diesem Abkommen, jenem Dodd-Frank Act, den Sie schon zitiert haben, Herr Manhart, können Unternehmen mit Zertifikaten die sogenannte Konfliktfreiheit belegen. Wie bedeutsam ist das eigentlich für die Unternehmen? Ist das ein ethischer Druck, der wirkt?
Die Regulierung wirft einige Nebeneffekte auf
Manhart: Das ist tatsächlich ein Druck, der wirkt. Der Dodd-Frank Act hat vieles bewirkt. Allerdings muss man auch sagen, USA war sozusagen das erste Land der Welt, die diesen Schritt gemacht haben, und entsprechend wirft diese Regulierung auch einige Fragen oder unerwünschte Nebeneffekte auf, nämlich, dass Konfliktfreiheit de facto und auch, wie Intel es ankündigt, de facto sehr oft kongofrei bedeutet. Man kauft also nicht mehr im Kongo, man kauft von anderen Märkten, und das führt zwar einerseits dazu, dass die Rebellen es tatsächlich schwieriger haben, sich über die Rohstofferlöse zu finanzieren, andererseits macht man aber auch anderen Bergbauprojekte in der Region, die nicht konfliktbehaftet sind, das Leben schwer. Das bedeutet, man schadet eigentlich auch Leuten, die man braucht, um die Region zu entwickeln. Und so eine Region wie der Kongo, die sich zumindest in Teilen langsam stabilisiert, kann eigentlich keinen Pauschalboykott brauchen. Das ist sozusagen die Schattenseite dieser Regulierung, die aber durchaus auch viel bewirkt hat. Also hier kann man sagen, ja, es gab positive Auswirkungen, aber nicht nur, auch unerwünschte Nebeneffekte. Und hier gilt es jetzt, nachzukorrigieren, zu justieren und sozusagen im nächsten Schritt sicherzustellen, dass auch verantwortungsvoller Bergbau in der Region wieder möglich wird.
Scholl: Konfliktmetalle und Mineralien und die Industrie, wir sind hier im Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit Andreas Manhart vom Ökoinstitut Freiburg. Wie man sein Handy dreht und wendet - könnte man sagen – ohne diese Metalle und Mineralien wird es nicht funktionieren, auch in Zukunft nicht. Inwieweit sind denn andere Regionen, wo diese Rohstoffe herkommen, auch Konfliktregionen?
Manhart: Es ist immer wieder Kolumbien im Gespräch, wo ähnliche Abbausysteme herrschen und sich auch die Konfliktparteien - allen voran die Farc, die dortige Rebellenorganisation - ebenso über Golderlöse finanziert. Gold ist sehr häufig in der Debatte, es lässt sich einfach sehr leicht gewinnen, hat einen hohen Materialwert und lässt sich sehr gut auf dem Schwarzmarkt direkt gegen Waffen oder anderes eintauschen. Das ist ein klassischer Konfliktrohstoff. Aber nicht nur bei diesen Rohstoffen, auch bei Energierohstoffen, bei Holz, bei Edelsteinen ist die Sachlage sehr oft sehr verworren, allerdings nirgendwo auf der Welt so gut dokumentiert, seit über zehn Jahren hervorragend dokumentiert durch UN, durchs Gucken der Vereinten Nationen, die diesen Zusammenhang zweifelsfrei nachweisen.
Scholl: Wie verhält sich denn die Bundesrepublik auf diesem Feld?
Manhart: Die Bundesrepublik fördert auch in positiver Weise sehr gute Projekte zur Zertifizierung von Rohstoffen im Kongo und in der Region, die durchaus auch weltweit zu den qualitativ hochwertigsten Vorhaben auf diesem Gebiet zählen. Allerdings: Es darf natürlich nicht ausreichen, um die Sachlage in der Region umzukrempeln, um die Region sozusagen zu befrieden. Hier muss man aber auch realistisch sein: Rohstoffe sind zwar ein wichtiger Konfliktfaktor, aber selbst, wenn diese Rohstofffinanzierung unterbunden werden würde, würde der Konflikt sicherlich nicht beendet werden können, denn ganz andere Interessen spielen letztendlich auch noch eine Rolle.
Scholl: Es gibt ja schon länger einen Wettlauf um diese Rohstoffe, alle brauchen Sie, und Sie sagten vorhin schon, Herr Manhart: Ja, die Abbauerträge praktisch sind an USA und in Europa vorbeigeflossen. Eben wenn jetzt US- oder europäische Unternehmen hier boykottieren, freuen sich doch dann eventuell Abnehmer aus Asien oder anderswo, denen es egal ist, woher diese wertvollen Rohstoffe kommen und aus welchem Kontext.
Auf verschlungenen Kanälen landen die Erze dann doch auf dem Weltmarkt
Manhart: Ja, es ist letztendlich tatsächlich so: Die Preise für die Erze im Kongo sind in den letzten Jahren aufgrund dieser Neuregulierung eingebrochen. Sie sind günstiger als in anderen Regionen zu haben, eben weil es weniger Abnehmer gibt, und das nutzen natürlich Abenteurer, da haben Sie ganz recht, Abenteurer, nicht mal große Unternehmen, die wiederum auf verschlungenen Kanälen diese Erze irgendwo auf dem Weltmarkt losschlagen und also doch wieder in den Weltmarkt einspeisen. Das wird man wohl nie verhindern können. Das Resultat ist aber doch, dass die Rebellen für ihre Produktion weniger verdienen.
Scholl: Was müsste denn Ihrer Ansicht nach noch geschehen, gesetzlich oder per internationaler Vereinbarung, dass kein War- oder Drogenlord, egal wo auf dieser Welt, mehr Geld mit solchen Rohstoffen verdient?
Manhart: Ich denke, es wird schwierig sein, dieses zu 100 Prozent zu erreichen. Es ist politisch aber durchaus wichtig, dass wir uns der Thematik annehmen. Die Probleme haben schließlich ganz deutlich mit unserer Industriegesellschaft zu tun, und sozusagen haben wir auch eine moralische Verantwortung. Auch, wenn es so ist, dass die deutsche Industrie oder die europäische Industrie sicherlich kein intrinsisches Interesse in diesem Konflikt hat, so denken wir doch, dass es so sein muss, dass auch Europa sich eine solche Regulierung ausdenkt, und das tut die Europäische Kommission gerade. Aber es gilt natürlich, aus den Fehlern des US-amerikanischen Dogg-Frank Acts zu lernen, und der Hauptfehler aus unserer Sicht ist, dass man eben Positivprojekte, also verantwortungsvollen Abbau im Kongo, nicht fördert, sondern indirekt ungewollt sogar noch erschwert.
Scholl: Das Konfliktpotenzial in unseren PCs und Handys, über die problematischen Metalle und Mineralien war das Andreas Manhart vom Ökoinstitut Freiburg. Herzlichen Dank für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.