Als ein Drumcomputer die Dance Music revolutionierte
Der Drumcomputer Roland TR-808 veränderte als technisches Wunderwerk die Musikgeschichte. Ohne ihn sind die Hip-Hop Musik der 80er oder die Drum'n'Bass Musik der 90er quasi undenkbar. Jetzt erzählt die Doku "808: The music" diese Popgeschichte - sehr anschaulich und voller Bass.
Eine synthetische Kickdrum, sanfte Hi-Hats und ein paar klingelnde Kuhglocken. So könnte man den typischen Sound des Roland Rhythm Composer TR-808 beschreiben. Die Rhythmus-Elemente im Hintergrund bei dem Stück eben – das ist der Klang des 808. In Marvin Gayes Hit "Sexual healing" 1982 erlebte dieser Drumcomputer vielleicht seinen größten Moment. Einen großen Moment erlebten auch die Musiker der belgischen Band Soulwax, die in einem Second-Hand Shop einen gebrauchten 808 kauften, der vorher 20 Jahre in dem Studio schlummerte, in dem Marvin Gaye seinen Hit aufnahm. Die Band berichtet in dem Film "808: The music".
"Sie haben uns angerufen und erzählten, sie hätten einen 808. Wir haben dafür 808 Euro bezahlt und man sagte uns, dass dieses Instrument wahrscheinlich von Marvin Gaye auf 'Sexual healing' verwendet wurde. Das haben wir natürlich nicht geglaubt. Dann schlossen wir es in unserem Studio an. Und ich drückte die erste Einstellung, die noch gespeichert war … und konnte es kaum glauben."
Roland TR-808: für Bands ohne Drummer
Der japanische Elektro-Tüfler Ikutaro Kakehashi baute in den 60ern Heimorgeln mit einer einfachen Rhythmus-Elektronik. Die Rhythmus Einheit wurde irgendwann eigenständig und mündete 1980 in dem Drumcomputer "Roland TR-808". Gedacht für alle Musiker, die Rhythmus brauchen, sich aber keinen Drummer leisten konnten. Dieser Drumcomputer klang eigentlich auch nicht nach einem Schlagzeug, aber das machte ihn so interessant. Einer der ersten, der den schwarzen Kasten ausprobierte, war der New Yorker Hip Hop DJ Afrika Bambaataa. Er schrieb mit dem neuen Spielzeug auch gleich Musikgeschichte.
"Damals Anfang der 80er lief bei uns immer Soul und Funk. Das waren die vorherrschenden Stile. Ich stand aber noch auf andere Bands – das Yellow Magic Orchestra aus Japan und diese deutsche Truppe, Kraftwerk. Naja und den Funk von James Brown oder Sly & The Family Stone den wollte ich nun mit deren Sounds aufmischen. Und daraus wurde dann der Elektro-Funk der 80er."
Erstes Ergebnis dieses Mash-Ups war Afrika Bambaataa's Song "Planet Rock" 1982. Über Nacht machte Hip Hop mit diesem Song einen Quantensprung nach vorne.
Ein Bass, den noch niemand gehört hatte
Das Stück brach mit allen Regeln. Ein Beat, viel zu schnell für die damalige Tanzmusik, ein Bass, den noch niemand gehört hat, tief und wummernd. Fans und Kritikern standen die Haare zu Berge. Der Produzent des Stücks Arthur Baker erinnert sich.
"Den Rappern hat das überhaupt nicht gefallen. Sie dachten, das ist ein viel zu abgefahrener Beat, und denen war das auch viel zu schnell. Für mich hat sich das eher wie ein Song von den Talking Heads angehört, wegen des Clavinets usw. Ein aufregenden Stück, fand ich, selbst ohne den Rap."
Dutzende Bands, Hip Hopper und Songwriter schlossen daraufhin den neuen synthetischen Drumsound des 808 in die Arme. Public Enemy, die Beastie Boys, in England gab es sogar eine Band, die sich gleich nach dem Instrument benannte: 808 State. Zu hören war er auch bei der Sängerin Shannon und ihrem Song "Let the music play".
Höhepunkt war der größte Hit von Phil Collins. Genau – die Rhythmus-Spur dieses Songs stammt auch aus dem berühmten Drumcomputer TR-808...
Phil Collins: "Ich benutze Drumcomputer wie ein Werkzeug. Für mich hat das eine neue Welt eröffnet. Wenn ich schreibe, brauche ich eine Atmosphäre. Die Atmosphäre sagt Dir, wo Du als nächstes hingehst, was nach diesem Akkord hier kommt usw. Und die Muster des 808 geben einem eine großartige Plattform dafür. Und zwar ohne, dass da viel passieren muss. Deshalb gibt’s in meinen Songs auch so viel Raum, da wo ich einen Drumcomputer verwende."
Der Siegeszug des berühmten japanischen Drumcomputers ging weiter über den Drum'n'Bass der 90er- und den Dance der 2000er-Jahre. Und er ist nach wie vor immer noch zu hören, im aktuellen Hip Hop. Lil Wayne und Charlie Puth haben für den Film zum Beispiel einen Track produziert...
Heute sind die Kistengroßen Drumcomputer von damals unsichtbar geworden. Sie vollführen ihre Arbeit fast nur noch als unsichtbare Software-Module von Produktionssystemen im Computer.
Der Film "808: The music" von Alexander Dunn ist eine klassische Musik-Doku wie man sie aus Amerika etwa kennt. O-Töne prominenter Zeitzeugen und Musiker reihen sich neben Grafiken und viel Musik. Als Off-Sprecher konnte man den renommierten britischen Radio-DJ Zane Lowe gewinnen. Man vermisst vielleicht einen Musikwissenschaftler oder Journalisten, der das Geschehen fachlich einordnet. Popgeschichte wird hier dennoch auf besondere Weise erzählt – sehr anschaulich, authentisch – und voller Bass.