Trotz des Klamauks bleibt die Würde der Musik
08:13 Minuten
Der Tenor Rolando Villazón ist äußerst umtriebig, seit acht Jahren betätigt er sich als Opernregisseur. In Dresden zeigt er jetzt die Ballettkomödie "Platée" von Jean-Philippe Rameau. Unser Kritiker war von der Musik begeistert, von der Inszenierung nicht.
Einen schrecklichen Scherz erlauben sich die Götter mit der hässlichen Nymphe Platée, die in einem Sumpfloch haust und sich für ungeheuer begehrenswert hält. Weil Jupiter die Eifersuchtsanfälle seiner Gattin Juno satt hat, soll eine Scheinhochzeit mit einer vollkommen ungeeigneten Braut arrangiert werden, die Juno entdecken soll.
Eine grausame Komödie
Damit soll ihr bewiesen werden, dass jegliche Eifersucht unbegründet ist, so dass Jupiter in Zukunft freie Bahn bei weiteren Eroberungen hat. Die Oper von Jean-Philippe Rameau kommt zwar immer wieder als Komödie daher, ist aber im Grunde ein abgründiges Werk über Grausamkeit und Demütigungen, über Selbst- und Fremdwahrnehmung, über die Skrupellosigkeit der Herrschenden.
Nichts davon interessiert aber den regieführenden Tenor Rolando Villazón. Er treibt die erschütternde Handlung stattdessen lieber in den Klamauk, reiht zusammenhanglose Gags an einander und gönnt den handelnden Personen weder psychologisches Profil noch die Tiefe einer erschütternden Erkenntnis.
Gemeinsam mit seinem Bühnenbildner Harald Thor siedelt er die Geschichte in einer Schule eines gesichts- und geschichtslosen Vororts an. Die Schülerinnen und Schüler suchen sich für ihren Spott jenen Mitschüler aus, der offenbar gerne im Rock zum Unterricht erscheint.
Schale Witze über Dixieklos
Schon falsch, möchte man rufen, denn in "Platée" geht es durchaus nicht um Geschlechterverwirrung und Gendergerechtigkeit, auch wenn Villazón im letzten Akt noch ein paar Witzchen über Dixieklos für Herren und Damen macht. Aber auch am Themenkreis um Schule, Mobbing und Diskrimierung verliert er schnell jegliches Interesse und umgibt Platée stattdessen mit neonfarbigen Plüschtieren, die von Kostümbildnerin Susanne Hubrich in denkbar billig wirkende Klamotten gesteckt wurden.
Schließlich verschlägt es das gesamte Personal noch auf einen Nostalgiejahrmarkt, wo die Juxheirat stattfinden soll. Eine noch so fadenscheinige Begründung für diese Verlegung bleibt Villazón schuldig, sein Hauptaugenmerk lag offensichtlich darauf, dass auf der Bühne stets Bewegung herrscht. Das ist schade, denn musikalisch gelingt der Abend exzellent.
Potenzial ist da
Der Tenor Philippe Talbot spielt eine ungeschickte Titelheldin, die durchaus Potenzial gehabt hätte, das Publikum nicht nur gesanglich, sondern auch szenisch zu erreichen. Inga Kalna ist hinreißend als personifizierter Wahnsinn, sie schafft es sogar, im blödesten szenischen Klamauk die Würde der Musik zu wahren.
Andreas Wolf singt einen würdig-eitlen Jupiter, die restlichen Rollen sind gut bis sehr gut besetzt, der Chor singt wie gewohnt auf höchstem Niveau. Dirigent Paul Agnew animiert die auf modernen Instrumenten spielende, klein besetzte Sächsische Staatskapelle zu farbenreichem und stilsicherem Spiel, durch das die Kühnheit und Ausdrucksstärke von Rameaus deutlich gemacht wird. Das klingt zwar anders als bei einem Originalklangensemble, ist aber ebenso nuanciert und virtuos wie effektvoll und bringt jene subtile Charakterisierungskunst in das Werk, die der szenischen Umsetzung so schmerzlich fehlt.