"Licht, Liebe und Lebendigkeit"
Rolando Villazón kuratiert in diesem Jahr zum ersten Mal die Salzburger Mozart-Woche. Der Star-Tenor betrachtet Mozart als "guten Freund" und will ihn an seinem Geburtstag mit einer "Serenata Mexicana" ehren.
Mascha Drost: Mit einem Fußtritt wurde Wolfgang-Amadeus Mozart, der "elende Lump von einem Komponisten" aus Salzburg hinausbefördert, mit 25 Jahren, als er unverschämterweise keine Lust mehr hatte, sich wie ein Lakai behandeln zu lassen.
Aber die Stadt ist nicht nachtragend, aus dem "elenden Lump" von damals ist der Stadt liebster Bürger geworden – "Mozartstadt Salzburg" nennt man sich. Und jede Jahreszeit hat ihr eigenes Festival – heute etwa beginnt die Mozart-Woche, in diesem Jahr erstmals kuratiert von Rolando Villazón, dem Intendanten für die nächsten fünf Jahre.
Frage an ihn: Was bedeutet Mozarts Musik Ihnen ganz persönlich? Was geht in Ihnen vor, wenn Sie seine Musik hören oder selbst singen?
"In Mozarts Musik gewinnt immer das Licht"
Rolando Villazón: Das Licht. Ich glaube, viele Sachen, aber in Mozarts Musik gewinnt immer das Licht. Die Liebe, die es darinnen gibt. Weil Mozart hat immer für die Leute, mit den Leuten Musik gemacht, und man spürt das auch als Publikum. Mozart wollte immer geliebt sein. Ich glaube, es ist so ein Liebesgeschenk, diese Musik, und man spürt das.
Aber natürlich auch diese geniale Perfektion, diese absolut wunderbare Technik, diese unvergleichliche musikalische Sprache. Es ist ein bisschen paradox: Es ist eine Welt, die man sieht, wie ein Stern im Universum, die ist so unglaublich schön, wir bewundern sie. Und trotzdem hat sie einen Platz für uns, trotzdem finden wir uns drinnen in diesen Sternen, in dieser Architektur von Licht und Luft. Es hat einen Raum für uns, und das ist paradox, und das macht nur Mozarts Musik.
Ich glaube, dieses Licht, diese Liebe und diese Lebendigkeit darin.
Drost: Was gibt es denn unter seinen Kompositionen, die ja bestens erforscht und aufgenommen sind und immer wieder gespielt werden, was gibt es denn da noch zu entdecken?
"Jede Vorstellung ist neu"
Villazón: Jede neue Vorstellung ist neu. Die Musik kommt noch einmal, und durch die Kunst und die Individualität der Künstler, die es spielen, die Qualität dieser Künstler – es ist immer etwas zu entdecken, und natürlich, wenn man zum Beispiel ein Quintett oder ein Quartett von Mozart hört und man denkt, ach, wie schön, wie einfach. Diese Linien, wie schön die kommen.
Man sieht die Partitur, und es gibt nichts Einfaches, und es ist unglaublich schwierig, was er geschaffen hat. Er hat mit den Regeln seiner Zeit gespielt, und er hat es dann wirklich komplett anders gemacht. Er war kein Revolutionär, kein Rebell. Er wollte nicht eine neue Musik finden. Er ist zurückgegangen, aber mit den Regeln seiner Zeit. Und im Rückblick hat er wirklich diese Sprache gefunden. Und das liegt dann immer etwas neu mit jeder Vorstellung, mit jeder neuen Aufführung.
Drost: Was ist Ihnen denn als Kurator der nächsten Mozart-Wochen besonders wichtig? Was wollten Sie herausstellen?
Villazón: Für mich ist wichtig, dass das Publikum dieses Licht spürt, und dass das Publikum auch natürlich die wunderbare Musik genießen kann, aber auch Mozarts Welt spüren, in die Mozart-Welt hineinkommen. Das ist das größte Geschenk, das man als Publikum bekommen kann, glaube ich. Wenn man Mozart wirklich entdeckt, bleibt er an jedem Tag mit uns, in guten Zeiten, in schlechten Zeiten, in neutralen Zeiten, und er geht als guter Freund mit uns.
Und ich möchte, dass wir Mozart ganz nahe bei uns haben. Alles, was wir in der Mozart-Woche zeigen, hat eine Mozartian-Welle. Jede Vorstellung, jedes szenische Projekt, jedes neue Format und natürlich jedes Konzert. Ein Blick zurück. Wir machen nur Mozart mit einer Konzentration im Konzertprogramm und mit szenischen Projekten, weil Mozart ein Theatermensch war, und er liebte das Theater, das Drama war ganz wichtig für ihn. Und in diesem Sinne wollte ich, dass wir versuchen, so viele Figuren und Farben wie möglich zu sehen im Mozart-Kaleidoskop.
Drost: Und Sie ehren Mozart an seinem Geburtstag mit einer "Serenata Mexicana". Mozart und Mexiko, wie geht das zusammen?
Lieder am Fenster
Villazón: Ja, Mexikaner – wir singen immer zum Geburtstag, wir singen ein langes Lied, "Las Mañanitas". Und wenn es die Zeit und Lust hergibt, kommen wir spät nachts mit einem Mariacchi unter das Fenster der Person, die wir dann feiern. Und wir singen Lieder, die sind für diesen Moment geschrieben.
Die Person kommt, macht die Lichter an, und dann feiern wir ein bisschen. Es ist nur ein bisschen diese kleine Serenata fünf, gesungene Sachen. Und in diesem Sinne wollte ich diese Tradition ganz persönlich für Mozart bringen, dreimal, im Geburtshaus natürlich, im Wohnhaus und auf dem Mozart-Platz. Und alle sind eingeladen, und hoffentlich wird das Tradition, dass in ein paar Jahren alle mitsingen mit den Mariachis.
Drost: Herr Villazón, eine letzte, kleine Frage. Was mich wundert, ist, dass Sie selbst in diesem Jahr gar nicht als Sänger auftreten. Warum?
Als Sänger im Hintergrund
Villazón: Ich bin viel dabei, ich bin auch in verschiedenen Vorstellungen, als Leser oder als Moderator und so weiter. Und ich finde, meine Rolle hier ist die des Künstlerischen Leiters. Das heißt nicht, dass ich in den kommenden Jahren nicht als Sänger dabei sein werde. Aber es muss ein Projekt sein, wo ich wirklich reinkomme – sozusagen, dass der Künstlerische Leiter der Mozart-Woche denkt, okay, hier kann der Villazón singen.
Das ist nicht eine Bühne für Villazón, das ist eine Bühne für Mozart und all die wunderbaren Künstler, die bei diesem Projekt dabei sein werden. Und ich wollte auch das ganz klar machen, dass das Wichtigste Mozart ist. Als Sänger bleibe ich ein bisschen im Hintergrund hinter dem Künstlerischen Leiter. Und wenn mich der Künstlerische Leiter braucht, werde ich in den kommenden Jahren natürlich dabei sein.
Aber, ganz wichtig, dieses Jahr bin ich hundertprozentig jeden Tag hier dabei, mit vielen Terminen und überall bei diesen Konzerten, und mit großer Freude als Künstlerischer Leiter mit meinem ganzen Team.
Drost: Rolando Villazón. Viel Erfolg dafür, und besten Dank für das Interview!
Villazón: Vielen Dank, alles Gute, und – Mozart lebt!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.