Was Journalismus leisten muss
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Angefeindet, diffamiert und sogar bedroht: Öffentlich-rechtliche Medien und unabhängige Journalisten sind in immer mehr Ländern Europas Angriffen ausgesetzt. Dabei kommt ihnen eine wichtige Aufgabe bei der Wahrung der Demokratie zu.
Die Medien in Europa stehen unter dem Druck von Rechtspopulisten. Exemplarisch dafür ist der aktuelle Fall des ORF-Journalisten Armin Wolf, der nicht zum ersten Mal von der FPÖ attackiert wurde. Jetzt fordert sie seine Entlassung.
Aber nicht nur in Österreich wird Journalisten die Arbeit schwerer gemacht. Wenige Wochen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament ordnen "Reporter ohne Grenzen" die EU als einen der größten Absteiger in ihre Rangliste der Pressefreiheit ein.
Kontrollinstanz für Grundrechte
Was heißt das für Demokratien, die eine freie Presse lange als vierte Säule der Gewaltenteilung verstanden haben? Und was bedeutet eigentlich "Vierte Gewalt"?
"Wir sind eine Gewalt, die die Öffentlichkeit so informiert, dass sie weiß, wohin es gerade mit ihrem Staat geht", erklärt die Journalistin und Schriftstellerin Jagoda Marinić mit Blick auf den Begriff vierte Gewalt. Medien müssten sich als Kontrollinstanz der Mächtigen begreifen und überprüfen, ob Grundrechte eingehalten werden.
Der Berater Christoph Kappes findet hingegen den Begriff "Gewalt" in Bezug auf Medien unangemessen, da Massenmedien keinen Zwang ausübten, etwa wie das Parlament oder die Justiz. Er würde stattdessen den Begriff "Macht" wählen.
Auf Stichwortgeber der Politiker beschränkt
Auch den Anspruch einer Kontrollfunktion zweifelt Kappes an: "Ist der Journalismus grundsätzlich in der Position, die Wahrheit besser zu erkennen als andere? Ist er in der Lage, eine Art Kontrolle, im Sinne einer steuernden Funktion auszuüben?" fragt er.
Jagoda Marinić zeigte sich hingegen enttäuscht über den geringen Effekt, den journalistische Recherchen etwa im Fall Cum Ex hatten. "Die Behörden konnten sich herausreden. Da wünschte ich mir, dass die Medien auch Druck ausüben, dass die Staatsordnung eingehalten wird", sagte Marinić.
Mit Blick auf die Newsrooms der Parteien kritisierte die Schriftstellerin den Interviewstil, der zunehmend danach aussehe, als wären Journalisten die Stichwortgeber für die Politiker. Journalisten müssten sich stärker davon unterscheiden, forderte Marinić. Medien müssten sich das Terrain gegenüber den Mächtigen zurückerobern.
Dass Journalismus kein "Durchreicher" sein darf, meint auch Christoph Kappes. Die Aufgabe von Journalismus sei es, eine Reflektionsfläche zu schaffen, Dinge sichtbar zu machen und sie zu ordnen. "Und natürlich muss man auch gegen Rechtspopulisten und Nazis Position beziehen", so Kappes.
Angriff auf den medialen Kern
Mit Blick auf die Social-Media-Aktivitäten der Politik sagte Kappes, es sei richtig, dass immer mehr Stimmen in der Öffentlichkeit sind. Journalismus solle hier nicht mit Abwehr reagieren, sondern neue Möglichkeiten finden, wie er die Debatte gestaltet.
Marinić warf Kappes vor, dass er mit dem Blick auf die Methoden zu leicht darüber hinweggehe, dass die Medien im Moment ziemlich angegriffen würden. "Ich denke schon, dass das jeder sieht in Deutschland, dass wir seit zwei, drei Jahren ein ganz anderes Auftreten gegenüber den Medien haben", sagte Marinić. "Es ist ein Angriff auf den medialen Kern, den jeder demokratische Staat braucht."