Rolle rückwärts in der Rentenpolitik

Von Holger Balodis |
Der SPD-Politiker Walter Riester versprach künftigen Rentnern höhere Alterseinkommen durch private Vorsorge. Dieser Traum ist geplatzt, meint der Journalist Holger Balodis. Das Geld für Riester-Produkte sollten Versicherte besser direkt in die Rentenkasse zahlen können.
Was waren das für Zeiten, kurz nach der Jahrtausendwende: Walter Riester und Gerhard Schröder versprachen allen künftigen Rentnern höhere Alterseinkommen. Was die beiden Reformer bei der gesetzlichen Rente kürzten, sollte locker durch die staatlich subventionierte private Riester-Rente ausgeglichen werden.

Um es kurz zu machen: Der Traum ist geplatzt. Vielleicht kannten sich die beiden schlicht nicht aus. Vielleicht war es aber auch von Beginn an nichts weiter als eine dreiste Lüge.

Die zusätzliche private Altersvorsorge erweist sich etwas mehr als zehn Jahre nach ihrer Einführung als Fehlschlag: Exorbitant hohe Kosten fressen die Rendite auf. Komplizierte Vorschriften sorgen dafür, dass nicht mal ein Drittel der Riester-Sparer die vollen Zulagen erhält. Nur 16 Prozent der Deutschen halten die Riester-Rente laut jüngster Postbank-Studie noch für eine sichere Anlage. Niederschmetternd.

Das einzige, was bei der Riester'schen Rentenreform wirklich funktioniert, ist die Absenkung des Niveaus in der gesetzlichen Rente. Diese Renten fallen bis zum Jahr 2030 für die meisten wohl um rund ein Drittel niedriger aus. Über zehn Millionen der heutigen Arbeitnehmer werden deshalb später Renten bekommen, die unterhalb des sogenannten Grundsicherungsniveaus liegen. Auch das: niederschmetternd.

Wäre Politik lernfähig, müsste sie eigentlich sagen: Schluss mit dem Experiment. Zurück zum alten Rentenniveau. Stopp mit dem Milliardensegen für die private Finanzwirtschaft.

In Wirklichkeit sagen die Politiker etwas ganz anderes: Zuschussrente, Solidarrente und Mindestrente lauten die Konzepte. Allen gemein: Es soll den Ärmsten im Alter ein klein wenig besser gehen. Je nach Lesart darf dafür der Steuerzahler oder die Rentenkasse aufkommen. Ebenfalls allen Konzepten gemein: Den allermeisten Versicherten werden sie rein gar nichts nutzen.

Und die fatalste Schwäche der neuen Rentenkonzepte: Sie machen die zusätzliche private Altersvorsorge zur Bedingung. Sozialministerin von der Leyen will 35 Jahre Riesterrente vorschreiben. SPD-Chef Gabriel jeden Arbeitnehmer zur Betriebsrente verdonnern.

Weiß die SPD etwa nicht, dass die betriebliche Altersvorsorge in der Regel von denselben Finanzkonzernen wie die Riester-Rente betrieben wird? Und dass hier die gleichen Spielregeln gelten? Und dass jeder Euro, der in Betriebsrenten fließt, letztlich über die Rentenformel dazu führt, dass die gesetzliche Rente für alle noch niedriger ausfällt?

Abermillionen Beschäftigte sollen Produkte abschließen, die sie sich eigentlich gar nicht leisten können. Werden mit Zulagen und Steuervorteilen geködert, die letztlich vor allem den Anbietern dieser privaten Rentenprodukte zu Gute kommen. Und was dem ganzen die Krone aufsetzt: Ihre Altersversorgung wird den Launen der Kapitalmärkte ausgesetzt. Für die gesetzlich Rentenversicherten ist das offen gestanden eine Zumutung.

Besser wäre die Rolle rückwärts in der Rentenpolitik - und sie wäre durchaus bezahlbar. Statt in Riester-Produkte zahlten die Versicherten das Geld direkt in die Rentenkasse. Sie bekämen dafür einen Arbeitgeberzuschuss und später deutlich höhere Renten. Der Staat würde seine Riester-Geschenke ebenfalls direkt an die Rentenkasse überweisen und müsste dafür später weniger Grundsicherung zahlen.

Gibt es etwa nur Gewinner? Natürlich nicht. Nachteile hätten Banken, Fondsgesellschaften und Versicherungen, die sich wieder ohne staatliche Schützenhilfe im freien Wettbewerb ihre Kunden suchen müssten. Und die Arbeitgeber. Sie würden wieder die Hälfte der Rentenbeiträge für ihre Beschäftigten zahlen. Doch das wäre auch nur gerecht.

Holger Balodis ist Volkswirt und beschäftigt sich seit 30 Jahren intensiv mit der deutschen Sozialversicherung und ihren privaten Alternativen. Über viele Jahre berichtete er für die ARD Magazine "plusminus", "monitor" und "Ratgeber Recht". In seinem Buch "Die Vorsorgelüge" (Econ Verlag, September 2012) begründet er seine These: "Politik und Finanzwirtschaft treiben in die Altersarmut."



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Der Journalist und Volkswirt Holger Balodis
Der Journalist und Volkswirt Holger Balodis© privat
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