Rom
Nach "Coriolan", "Julius Cäsar" und "Antonius und Cleopatra" von William Shakespeare
Regie: Karin Henkel
Deutsches Theater Berlin
Premiere am 16.3.2018
Süffige Geschichtsstunde über Herrscher und Beherrschte
Gleich drei Shakespeare-Stücke bündelt Regisseurin Karin Henkel in ihrem Abend "Rom" am Deutschen Theater Berlin. Abgearbeitet werden Experimente in frühere Demokratie von Tyrannenmord über Mitbestimmung bis zur Welteroberung - vom Ensemble präzise gespielt.
Die Stoffe können derzeit kaum groß genug sein für Regisseurin Karin Henkel, wie es scheint. Beim Theatertreffen 2018 jedenfalls wird sie mit "Beute Frauen Krieg" zu Gast sein, einer Produktion aus Zürich, die vom Trojanischen Krieg erzählt – und das gleich mit zwei antiken Stücken, den "Troerinnen" und der "Iphigenie in Aulis", beide von Euripides. Die direkte Fortsetzung dieses Projektes setzt sie nun am Deutschen Theater Berlin in Szene: "Rom" heißt der Abend und reiht im zügigen Schnelldurchlauf drei Shakespeare-Werke aneinander: "Coriolan", "Julius Caesar" und "Antonius und Cleopartra".
Experimente in früher Demokratie
Abgearbeitet werden Experimente in früher Demokratie, es geht um das Verhältnis von Herrschern und Beherrschten, um Volkstribune und Tyrannenmord, um Mitbestimmung, Ränkespiele und Welteroberung. Viel Stoff, zusammengezogen von Autor und Dramaturg John von Düffel zu einer oft süffigen Geschichtsstunde, in der nicht zuletzt die großartige Kate Strong als autoritäre Refernetin auftrit und uns, halb auf Englisch, halb auf Deutsch, immer wieder die wichtigsten Fakten in Erinnerung ruft - und sarkastisch kommentiert.
Dazu dreht sich die Bühne, holt Spielszenen, Opferlämmer, Leichen und Laufstege herbei, konzentriert sich aber im Wesentlichen auf Stühle, Tische, Schauspieler.
Herausragende Präzision und Artikulationsschärfe
Das Ensemble agiert unter Karin Henkels Leitung mit herausragender Präzision und Artikulationsschärfe, wechselt Rollen und Sprachstile und glänzt zu Beginn, im "Coriolan" in einem kaltschnäuzigen, hinreißenden Polit-Kabarett, das brutal und ehrlich von der Wahlkampfverweigerung eines volksverachtenden Kriegshelden erzählt. Das ist witzig, böse, unverschämt und gibt einen Ton vor, den der Abend leider allzu bald aufgibt und mit der Caesar-Tragödie zu ernsten Reden und alptraumhaften Stimmungen hinüberwechselt.
Rasch wird klar, dass es nicht einfach ist, sich hier zu positionieren - auf jedes Argument folgt ein gegnerisches, Anstand und Karrierismus finden sich nicht selten auf derselben Seite, und das Volk ist in seiner Grundempörung auch nicht immer sympathischer als die machtgierigen Politiker. Die Welt ist nicht leicht zu durchschauen bei Shakespeare, sie liegt im moralischen Halbdunkel, genau wie dieser Premierenabend.
Zwischen Größenwahn und munterer Satire
Gute drei Stunden lang ist "Rom" ein kopflastiges Spielereignis der politischen Verantwortungssuche zwischen Größenwahn und munterer Satire, gelingt aber am Besten, wenn er sich traut, dem Affen Zucker zu geben, zu überspitzen, aufs Tempo zu drücken. Deshalb ist Anita Vulesica schier grandios als realpolitische Diven-Kleopatra und Michael Goldberg ebenso als cholerischer Coriolan. Wiebke Mollenhauer weint zum Niederknien als zittrige Zeitbombe, Bernd Moss verdreht aufs Herrlichste die Augen und Manuel Harder ist ein effektvoll schmieriger, in Selbstekel und Suff festgefahrener Lederhosen-Antonius.
Man bewundert sie alle, auch die Kunstfertigkeit der Regie, ist beeindruckt, aber kaum ergriffen. Der Abend ist ambitioniert, will hoch hinaus und türmt Gestalten und Konflikte, scheitert auch nicht daran, bleibt aber letztlich zu voll und zu kalt, um wirklich zu gelingen. Es führen hier dann vielleicht doch ein paar Wege zu viel nach Rom.