Roman

Abrechnung mit dem Bücher-Kommerz

Das Foto zeigt Bücher auf einem Ramschtisch.
"Kaufe-3-und-bezahle-2"-Angebote beherrschen das Buchgeschäft in "Im Zirkus". © dpa/Robert B. Fishman
Von Rainer Moritz |
Das neue Buch des britischen Man-Booker-Prize-Trägers Howard Jacobson, "Im Zoo", handelt von der Schaffenskrise eines eroto- und egomanischen Schriftstellers angesichts eines durchkommerzialisierten Buchmarkts. Es ist ein prall gefüllter Branchenroman mit gut platzierten Bosheiten, brillanten Dialogen - und einer überraschenden Wendung.
Seinen Durchbruch erlebte der englische Schriftsteller Howard Jacobson – obwohl er in den 80er-Jahren zu publizieren begann – erst 2010 mit dem Roman "Die Finkler-Frage". Er brachte ihm, als er bereits auf die 70 zuging, den Man Booker Prize ein und machte ihn endlich auch für einen deutschen Verlag interessant. Noch bevor er die erfreuliche Auszeichnung erhielt, hatte Jacobson seinen Roman "Im Zoo" angefangen, der den Niedergang eines Schriftstellers en détail beschreibt und sich auf den ersten Blick wie eine autobiografische Abrechnung mit einen nur noch auf Kommerz ausgerichteten Buchmarkt liest.
Guy Ableman heißt dieser Mittvierziger, der es – nachdem er zunächst die elterliche Damenboutique in der Kleinstadt Wilmslow geführt hatte – in jungen Jahren zu einigem Erfolg mit dem Roman "Wer schert sich einen feuchten Affen?" brachte. Dieser spielt im Zoo von Chester und handelt von der resoluten Schimpansenpflegerin Mishnah, die nicht einmal davor zurückschreckt, masturbierenden Tigern zur Hand zu gehen. Leider sind diese goldenen Zeiten des frühen Ruhms vorbei. Guy befindet sich in einer veritablen Schaffens- und Lebenskrise. Sein Verleger nimmt sich das Leben; der Nachfolger versteht von Literatur so viel wie eine Kuh vom Purzelbaum und rät den Autoren, auf neuen "Plattformen" zu publizieren. Guys Agent hofft inständig, von dessen Manuskripten verschont zu werden, und seine Leserzahl sinkt kontinuierlich in einem von "Kaufe-3-und-bezahle-2"-Angeboten beherrschten Buchgeschäft.
Branchenromane als Offenbarungseid
So gesehen ist "Im Zoo" ein Branchenroman, der reich bestückt ist mit gut platzierten Bosheiten, brillanten Dialogen und urkomischen Reflexionen (etwa über die Darmträgheit als Berufskrankheit von Autoren) und gleichzeitig die Überzeugung vermittelt, dass Branchenromane eigentlich einem Offenbarungseid gleichkommen: "Ich weiß, wann ein Schriftsteller in Schwierigkeiten steckt. Wenn er Zuflucht darin sucht, über das Schreiben zu schreiben."
Kein Mensch will mehr Romane des Erotomanen und Egomanen Guy Ableman lesen, und so sucht er in seinem Privatleben nach neuer Inspiration, personifiziert durch seine Schwiegermutter Poppy Eisenhower. Deren Tochter Vanessa, eine bildschöne Frau, die selbst an einem Roman schreibt und Guy als "solipsistischen Scheißkerl" betrachtet, ist dabei im Wege, und so ringt Guy fast das ganze Buch hindurch mit der Frage, wie es dennoch gelingen könnte, Poppy endlich auf die Matratze zu ziehen, um so Energie für neue Romanstoffe zu erlangen.
Notate mit dem Mittelfinger ausradiert
"Im Zoo" ist ein prall gefüllter Roman, der sich in Rück- und Vorausblicken über rund zwanzig Jahre erstreckt und keine Handlung im engeren Sinn aufweist – sieht man davon ab, dass Guy Ablemans Karriere am Ende eine überraschende Kehrtwendung erfährt und der missvergnügte Neurotiker plötzlich selbst bei jenen Leserinnen beliebt ist, die ihn zuvor als "Wüstling von Wilmslow" beschimpft haben. Manche Figuren aus "Im Zoo" bleiben unvergesslich, etwa ein alternder Kollege Guys, der seinen Wörtern so nah sein will, dass er seine Bleistiftnotate mit dem (dadurch verkrüppelten) Mittelfinger ausradiert: "Ich muss die Wörter berühren, selbst diejenigen, die ich verwerfe."
Das Buchcover zeigt übrigens einen Hund mit Krone auf lila Sofakissen. Keine Ahnung, warum.

Howard Jacobson: Im Zoo
Aus dem Englischen von Friedhelm Rathjen
DVA München 2014, 446 Seiten, 24,99 Euro

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