Buchtipps aus der Literaturredaktion

Die zehn besten deutschen Romane 2024

Das Bild "Frau mit roter Schürze auf Balkon (Elisabeth)" von August Macke, 1910. (Elisabeth Macke, geb. Gerhardt, lesend). Öl auf Leinwand, 67 x 49 cm.
Bücher erscheinen sehr viele in einem Jahr - da sind Tipps hilfreich, in welches man sich mit Gewinn vertiefen kann. Wer wohl der hier porträtierten Frau von August Macke Hinweise gab? © picture alliance / akg-images
Von Jan Drees, Carsten Hueck, Stephanie von Oppen, Wiebke Porombka und Dorothea Westphal |
Welche deutschsprachigen Romane aus dem Jahr 2024 lohnen sich besonders zu lesen? Unsere Literaturredaktion hat eine Auswahl getroffen. Vertreten sind vor allem Frauen – sie schreiben etwa über Hasen, prägende Geschichtsereignisse und die Liebe.
Deutscher Buchpreis, Wilhelm Raabe-Literaturpreis, der Preis der Leipziger Buchmesse: Literaturpreise bestimmen nicht nur über Buchverkäufe, sondern auch über literarische Debatten. Jenseits aller Preise und Preislisten haben wir in der Literaturredaktion uns gefragt: "Welche deutschsprachigen Romane dieses Jahres haben uns am meisten beeindruckt, welche Lektüren werden bleiben?
Voilà, auf diese zehn Titel ist unsere Auswahl gefallen. Politisches, Poetisches und überaus Witziges ist dabei – die ganze Bandbreite also der Literatur. 

Ulrike Edschmid: „Die letzte Patientin“

Suhrkamp Verlag
111 Seiten, 23 Euro
Im 85. Lebensjahr gelingt Ulrike Edschmid ein großartiger Text über Traumata. Das kurze Bravourstück „Die letzte Patientin“ lässt zwei versehrte Frauen aufeinandertreffen: fatalerweise ist die eine die Therapeutin der anderen.

Lucy Fricke: „Das Fest“

Claasen Verlag
144 Seiten, 20 Euro
Ellen, eine langjährige Freundin von Jakob, hat zu dessen 50. Geburtstag heimlich ein Fest arrangiert. Zuvor trifft er in einer Art märchenhaftem Reigen auf Menschen, die ihm einst wichtig waren. Lucy Fricke erzählt mit Empathie und der ihr eigenen Lakonie und feiert die Freundschaft!


Maren Kames: „Hasenprosa“

Suhrkamp Verlag
182 Seiten, 25 Euro
Was für ein sprachsprühendes Vergnügen! Maren Kames hat den ungewöhnlichsten Roman des Jahres geschrieben, eine witzgesättigte, lyrische, wilde Reise durch Erdschichten und Pop-Geschichte. Nicht zu vergessen: der Reisebegleiter - ein ziemlich vorlauter Hase. Hier wird das Genre des Familienromans einmal aufs Schönste durchgerüttelt und auf den Kopf gestellt.

Judith Kuckart: „Die Welt zwischen den Nachrichten“

DuMont Verlag
192 Seiten, 24 Euro
Die Geschichte einer Frau und die der Bundesrepublik Deutschland: Judith Kuckart, Ende der 1950er-Jahre geboren, blickt zurück auf ihre Herkunft und ihre Entwicklung als Künstlerin. Ein ungemein dichtes Gewebe aus Zeitgeschichte und Autobiografie. Exemplarisch für eine ganze Generation starker Frauen. Hautnah erfahrbar die Risse und Moves eines Lebens, pointiert, überraschend, persönlich.

Jessica Lind: „Kleine Monster“

Hanser Verlag
256 Seiten, 24 Euro
Jessica Linds zweiter Roman ist als Thriller-Drama angelegt. „Kleine Monster“ beeindruckt mit einer Regretting-Motherhood-Geschichte, die umschlägt in eine Fallhistorie über Missbrauch, Familiengewalt und falsch verstandene Liebe.

Clemens Meyer: „Die Projektoren“

S.Fischer Verlag
1056 Seiten, 36 Euro
Auf über tausend Seiten wird sprachgewaltig, mit viel Fantasie und skurrilem Humor eine Geschichte des 20. Jahrhunderts, seiner Kriege und der daraus folgenden Traumata erzählt. Unter den Schauplätzen: eine Psychiatrie, das kroatische Velebit-Gebirge als Filmkulisse der Karl-May-Filme sowie während des Jugoslawienkrieges, Ostdeutschland und der Irak zur Zeit der IS-Herrschaft. Ein fulminanter, vielleicht sogar ein Jahrhundertroman.

Katja Oskamp: „Die vorletzte Frau“

park x ullstein Verlag
208 Seiten, 22 Euro
Wie schaffen es zwei vollends unterschiedliche Menschen, nicht nur in Leidenschaft füreinander zu entflammen, sondern eine beinahe zwei Jahrzehnte währende Liebesbeziehung zu führen? Indem sie sich einander zumuten, mit all ihren verborgenen Wünschen und Begehren. Katja Oskamp hat einen großen Liebesroman geschrieben, voller Witz, Menschenfreundlichkeit und Weisheit.

Ronya Othmann: "Vierundsiebzig"

Rowohlt Verlag
512 Seiten, 26 Euro
Der Völkermord an den Jesiden 2014 durch den IS gehört zu den grausamsten Verbrechen der jüngeren Geschichte. Die Autorin ist - unter anderem mit ihrem jesidischen Vater - mehrmals an die Tatorte gereist. Sie begegnet Überlebenden dort ebenso wie in Deutschland und setzt sich mit der hiesigen Flüchtlingspolitik auseinander. Vor allem aber versucht sie, Worte für das eigentlich Unsagbare zu finden.


Katharina Winkler: „Siebenmeilenherz“

Verlag Matthes & Seitz Berlin
240 Seiten, 24 Euro
Ein Roman, der sich gegen das Schweigen stellt. Der mit den Mitteln der Literatur den Missbrauch eines Kindes durch den eigenen Vater thematisiert. Geschrieben aus der Perspektive des Opfers. In einer Sprache, die voller Empathie erfahrbar macht, wie eine Seele Schaden nimmt, und die doch Halt gibt. Durch ihren besonderen Ton gelingt es Katharina Winkler, wie im Märchen, so zu erzählen, dass man das Schreckliche aushält.


Monika Zeiner: „Villa Sternbald oder Die Unschärfe der Jahre“

dtv
672 Seiten, 28 Euro
Die Geschichte einer fränkischen Fabrikantenfamilie, die seit mehreren Generationen Schulmöbel produziert, ist auch eine über Schuld und Verdrängung, wie Nikolas, das schwarze Schaf der Familie, herausfindet. Ein kluger, mitreißender, mit feiner Ironie erzählter Roman.

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