John Williams: Butcher's Crossing
Aus dem Amerikanischen von Bernhard Robben
dtv Verlag, München 2015
368 Seiten, 21,90 Euro
Die Faszination des Tötens
Der US-amerikanische Hochschullehrer John Williams wurde mit seinem Roman "Stoner" posthum berühmt. Nun erscheint sein Roman "Butcher's Crossing" auf Deutsch. Darin erweist sich Williams als Meister der filigran präzisen Menschenbesichtigung.
Der amerikanische Schriftsteller John Williams ist in seiner Heimat wie kürzlich auch bei uns posthum berühmt geworden mit seinem Roman "Stoner", in dem er die Geschichte eines eher erfolglosen College-Professors erzählt, der von mancherlei Lebensverheerungen heimgesucht und gedemütigt wird, ihnen aber innerlich trotzt und als wahrhaft freier Mensch seine ergreifende Würde erringt. Eigentlich hatte Williams diesem Roman eine Zeile von Ortega y Gasset voranstellen wollen: "Ein Held ist, wer nur er selbst sein will." Er selbst sein will auch der junge Mann in dem jetzt auf Deutsch erschienenen Roman "Butcher's Crossing".
Heimat von Büffeljägern und Huren
Der Harvard-Student William Andrews glaubt allerdings im Gegensatz zu Stoner, das Geheimnis seines vagen Verlangens im Abenteuer der Wildnis finden zu können. Und so unternimmt er Ende des 19. Jahrhunderts eine beschwerliche Reise in eine dürftige kleine Stadt in Kansas, in der vor allem Büffeljäger und Huren zu Hause sind. Bald schon beschießt er, einen Jäger mit seinem bizarren Faktotum und einen angeheuerten Häuter auf Büffeljagd zu begleiten, und sie machen sich auf den Weg ins Ungewisse. Denn Miller, der Jäger, hat die Herde, die er finden will, seit fast zehn Jahren nicht gesehen. Nach einem nervenzerreibenden Treck erreichen sie Colorado, reiten hinein in ein unberührtes, stilles Tal von überwältigender Schönheit und finden eine riesige Büffelherde.
Miller triumphiert. Und mutiert. Vom Jäger zum Schlächter, der aus der Jagd ein Gemetzel macht. Das einst so stille Tal hallt wider von den Schüssen aus Millers Gewehr. Bald verwesen Tausende von abgeschlachteten und abgezogenen Büffelkadavern auf sanften Wiesen. Und mittendrin unser staunender Jungheld. Der so entsetzt wie gefangen ist, so willig mitmacht wie voller Abscheu sich zusieht dabei. Und doch auch das erhebende Gefühl hat, noch nie etwas so Existenzielles erlebt zu haben.
Menschenbesichtigung mit unerbittlicher Klarheit
Heraufbeschworen und grässlich decouvriert wird hier der große amerikanische Mythos von der Verheißung der Freiheit, vom Abenteuer des Wilden Westens, von der Sehnsucht nach der Erfüllung als Mensch. Williams ist ein Meister der filigran präzisen Menschenbesichtigung, der seinen Figuren nicht nur aufs Maul schaut, sondern mit unerbittlicher Klarheit auf jeden Schritt, jede Geste, jede Mimik. Ihren Gleichmut wie ihre Entgleisungen mit nüchterner Schonungslosigkeit in ein dichtes Wortnetz flicht, in dem man auch als Leser alsbald gefangen ist. Williams beschreibt das wilde Töten so minutiös und asketisch distanziert, dass einem als Leser kein Schlupfloch bleibt, keine Möglichkeit, sich davonzustehlen aus dem Entsetzen über die Spezies Mensch.
Da Miller nicht aufhören kann zu töten, werden die Männer vom frühen Winter überrascht – und das Drama nimmt seinen Lauf. William Andrews überlebt. Ahnt nun, dass es wohl Eitelkeit war, sein unveränderliches Selbst dort finden zu wollen und fragt sich verstört, ob das Böse denn in jedem lauere. Er ist sich erschreckend näher gekommen. Doch zurück nach Hause will er nicht. Und so macht unser Held sich wieder auf den Weg und reitet alsbald ohne Hast in eine ungefähre Richtung davon.