Roman "Euphoria"

Porträt einer aufregenden Ethnologin

Die amerikanische Anthropologin Margaret Mead (r) spricht 1953 auf den zu Papua-Neuguinea gehörenden Admiralitäts-Inseln mit einer Manus-Mutter und deren Kind. (Aufnahme aus ihrem Buch "New Lives for Old").
Stand Pate für die Hauptfigur in "Euphoria": Die amerikanische Ethnologin Margaret Mead - hier im Gespräch mit einer Manus-Mutter in Papua-Neuguinea. Das Foto von 1953 entstammt ihrem Buch "New Lives for Old". © picture alliance / dpa / DB UPI
Von Verena Auffermann |
Eine Forscherin begibt sich in "Euphoria" in den 30er-Jahren nach Neuguinea, um dort Naturvölker zu erforschen. Der Roman von Lily King erzählt von der Macht der Sexualität, dem Eigenleben der Frauen und den Irrwegen, die unsere westliche Zivilisation geht.
"Die Handlung dieses Buchs ist frei erfunden." Lily King, die 53-jährige amerikanische Autorin, behauptet, "Euphoria" sei Fiktion. Das ist so wahr wie falsch. Sie hat einen Roman über die weltberühmte Ethnologin Margaret Mead, ihren ersten Ehemann Reo Fortune und ihren zweiten, den Biologen Gregory Bateson, geschrieben. Lily King übernahm biografische Stationen und Fixpunkte ihres wissenschaftlichen Forscherlebens. Sie gab ihnen fiktiven Namen, nannte die erforschten Stämme und Dörfer um, siedelt ihre aufregend erzählte Geschichte aber ganz realistisch 1933 am Flusslauf des Sepik in Neuguinea an.
Lily King schildert die Erfahrungen und Erkenntnisse ethnologischer Feldforschung der dreißiger Jahre, als es noch unerforschte Naturvölker gab. Geschickt verbindet sie das Private mit dem Forscherleben. Nell, eine junge vor Wissendrang vibrierende Frau, zwischen den beiden Männern, die sie verehren, bewundern und sie im Fall des ersten Ehemanns Fen, um ihr methodisches Fragesystem, ihren Erfolg beneiden.
Lovestory mit "Out of Africa"-Einschlag
Atmosphärisch dicht schreibt Lily King über den Alltag im Siedlungsgebiet der "Tam" am oberen Flusslauf des Sepik. Vorbild für die fiktive Nell ist Margaret Mead, die weltberühmte und umstrittene Forscherin des kindlichen und weiblichen Sexualverhaltens auf Samoa und in Neuguinea. Sie folgt ihr auf Boote, in die Wohnhütten, an die Schreibmaschine, den Strand und in die Frauenhäuser.
Die Erzählperspektive wechselt zwischen Nell, Fen und Andrew. Jeder beobachtet jeden, damit entsteht Nähe und Distanz und der Anschein von Objektivität. Nells eingestreute Tagebuchaufzeichnungen sorgen für Authentizität gegeben und verleihen dem Forscherleben Plastizität. Lily Kings Roman ist eine Lovestory mit leichtem "Out of Africa"-Einschlag und mit kriminologischer Seitenhandlung.
Und "Euphoria" ist ein Roman mit ethnologischem Erkenntnisgewinn, zeigt die ethnologische Methode als Wissenschaft, die auch heute wichtige Aussagen zu Themen wie Migration und kultureller Identität macht. Die erörterten Fragen nach der Objektivität, nach dem, was "natürlich" ist, sind die interessantesten des Buches. "Euphoria" ist ein Roman über die Macht der Sexualität, das Eigenleben der Frauen und die Irrwege, die unsere westliche Zivilisation geht. Lily King zeigt das exotisierte Fremde und setzt es gegen das Vertraute. "Euphoria" ist weniger ein gelungener Roman über Margaret Mead und Gregory Bateson, als ein aufregender Einblick in das faszinierende Leben der Forscher oder die Rolle von Neugier und Interesse.

Lily King. Euphoria. Roman
Aus dem Englischen von Sabine Roth
C.H.Beck Verlag. 2015. 262 Seiten. 19,95 Euro

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