Kazuaki Takano: Extinction
C. Bertelsmann Verlag, München 2015
560 Seiten, 14,99 Euro
Eskalation im kongolesischen Dschungel
In seinem Roman "Extinction" - einem Hybrid aus Action- und Wissenschaftsthriller, lässt Kazuaki Takano Fiktion und Wirklichkeit auf subtile Weise kollidieren, vor dem Hintergund der Snowden-Enthüllungen und der Ebolakrise in Westafrika.
Die US-Regierung entsendet ein vierköpfiges Spezialeinsatzkommando in den kongolesischen Ituri-Regenwald. Natürlich ist der Auftrag streng geheim. Und natürlich soll schnell und lautlos getötet werden. Warum und wen, das wissen selbst die Söldner nicht. Klar ist nur: Es geht nicht allein um die Sicherheit der Vereinigten Staaten, sondern – natürlich – um das Überleben der Menschheit. Gleichzeitig macht sich in Japan ein Pharmakologie-Student daran, den letzten Wunsch seines Vaters zu erfüllen: die Entwicklung eines Medikaments gegen Lungensklerose.
Kazuaki Takanos Roman "Extinction" ist ein Hybrid aus Actionfilm und Wissenschaftsthriller. Die Dialoge sind pathetisch und hölzern, die Charaktere oberflächlich gezeichnet und der Plot wirkt überkonstruiert. Denkt man, bis man das Erscheinungsjahr des japanischen Originals "Jenosaido" registriert, die Realität mit Takanos Fiktion abgleicht und sich der prophetischen Kraft des 1964 in Tokio geborenen Autors bewusst wird.
Datensammelwut der Geheimdienste
Neben Folter und Drohnenkrieg schildert Takano die umfassenden Überwachungsmaßnahmen der US-Geheimdienste. Seit den Snowden-Enthüllungen 2013 ist die Datensammelwut der NSA auch dem letzten Handybesitzer und Computernutzer der westlichen Welt ein Begriff. Das Original erschien jedoch bereits 2011 in Japan, und wurde dort zum Bestseller.
Viel subtiler kollidieren Realität und Fiktion allerdings, wenn man "Extinction" im Licht der jüngst veröffentlichten Laura-Poitras-Dokumentation "Citizen Four" über Edward Snowden betrachtet. Niemand, nicht der intelligenteste Hacker, habe der totalen Überwachung durch die US-Geheimdienste etwas entgegenzusetzen, so der NSA-Whistleblower in einer Szene des Films. Takano hat diesen Hacker entworfen. Das Kryptonit des US-amerikanischen Geheimdienstes ist ein kleiner Pygmäen-Junge. Weitere Details würden den Lesegenuss beträchtlich schmälern.
Dass Takano den Leser, genauso wie die entsandten Söldner, zu Beginn des Romans glauben lässt, bei der Bedrohung handle es sich um eine Form des Ebola-Virus, dürfte dem Buch angesichts der aktuellen Lage in Westafrika zusätzliche Aufmerksamkeit bescheren.
Gekonnt verwobene Erzählstränge
Ob bewusst, zufällig oder intuitiv - Takano operiert nah am aktuellen Weltgeschehen. Nur verleiht das weder Takanos Dialogen, noch Takanos Charakteren Tiefe. Schuld an diesen Schwachstellen - zumindest teilweise - könnte allerdings auch die Art und Weise der Übersetzung sein. "Extinction" wurde aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt, nicht aus dem Japanischen. Die Distanz, die durch die Übersetzung aus einer Brückensprache entsteht, glaubt man hier zu spüren.
Nichtsdestotrotz verwebt Takano, der sein Geld eigentlich als Drehbuchautor in Hollywood und Japan verdient, gekonnt verschiedene Erzählstränge und springt zwischen Schauplätzen in den USA, Japan und dem Kongo. Dabei lässt der Ideenreichtum des Romans regelmäßig dessen literarische Defizite vergessen. Als die Lage im kongolesischen Dschungel eskaliert und die US-Regierung auch nicht davor zurückscheut, lokale Milizen auf die eigenen Leute zu hetzen, schaltet eine raffiniert gekaperte Drohne des US-Militärs einen US-Minister in Dienst der Rüstungsindustrie aus. Allein wegen dieser Szene lohnt sich die Lektüre.