Roman

Lustiges Mädchen mit Kopftuch

Von Hans von Trotha · 28.03.2014
Der Autor Anthony McCarten scheint ein Rezept für Bestseller zu kennen: Themen mit gesellschaftlicher Brisanz, gepaart mit einem Generationenkonflikt, gewürzt mit Dramatik, vollendet mit Happy End. Auch sein neues Werk "Funny Girl" ist nach diesem Rezept geschrieben worden.
Der in London lebende Neuseeländer Anthony McCarten hat eine Art Blaupause für die Produktion von Bestsellern entwickelt: Er kombiniert jeweils zwei zuvor gründlich recherchierte Themen von gesellschaftlicher Brisanz, die insbesondere junge Menschen angehen und damit Stoff für einen Generationenkonflikt bieten, zu einer dramatischen Versuchsanordnung, die er dann auf Umwegen einem Happy End zuführt. In seinem Welterfolg Superhero etwa verknüpfte er das Schicksalhafte der Diagnose Krebs mit dem Lebenshunger eines Jugendlichen; in Ganz normale Helden waren es die Trauerarbeit einer Familie und die Parallelwelt der Computerspiele an der Grenze zwischen Realität und Fiktion.
In Funny Girl hat McCarten nun im Setting eines Londoner Einwandererstadtteils und vor dem Hintergrund der Bombenanschläge auf die Londoner U-Bahn im Jahr 2005 zwei Universen zusammengemixt, die einen explosiven Cocktail ergeben: die Integration muslimischer Immigranten und die Szene der Stand up Comedians. Das Ergebnis der brisanten Mischung ist Azime: "Einfach nur Azime. Wie Prince. Wie Madonna. Wie Adele." - Die erste und einzige muslimische Bühnenkomikerin der Welt. Ihr Markenzeichen: Sie trägt auf der Bühne die Burka. - "In Wirklichkeit sehe ich hier drunter ein bisschen aus wie Claudia Schiffer - wenn sie einen Bart und dicke Beine hätte und klein wäre und dunkelhäutig."
Azime ist zwanzig Jahre alt, sie arbeitet im Möbelgeschäft ihres kurdischen Vaters, die streng gläubige Mutter führt ihr Heiratskandidaten im Dutzend zu, die Azime eins ums andere Mal abblitzen lässt, weil sie ihr Leben selbst bestimmen will. Das betrifft nicht nur die Wahl des Ehemanns, sondern auch die des Berufs. Der Zufall treibt sie als Komödiantin auf Kleinkunstbühnen. Am Ende füllt sie ganze Hallen. Auf die Frage eines Veranstalters, ob sie gefährlich sei, antwortet der Shooting Star: "Ich habe mir gerade einen Gürtel mit Witzen umgeschnallt."
Leser ist der lachende Dritte
Das Publikum jubelt der lustvoll ironisches Gift sprühenden jungen Frau unter der Burka zu. Muslimische Traditionalisten allerdings wollen ihre Auftritte verbieten. Sie bedrohen Azime, ja sie trachten ihr sogar nach dem Leben. Wobei sich die Geschichte mit den Morddrohungen wie auch der vermeintliche Selbstmord der Freundin, der Traditionalismus der Eltern, die Zurückweisung durch die angehimmelten Jungs und so manches andere in diesem Buch am Ende ganz anders darstellt, als der Leser lange Zeit denkt. Das ist typisch McCarten, wie auch der virtuose Umgang mit Scheinlösungen, die warmherzige Zeichnung origineller Figuren, die sprühenden Dialoge und der Showdown am Ende.
"Nähe erwächst daraus, dass man über dieselben Witze lacht", sagt Azime. Als sie bedroht wird, ruft sie ihren Verfolgern zu: "Es sind doch nur Witze! Nur Witze!" Der Witz, der gedankliche wie der sprachliche, ist so etwas wie der Nucleus von McCartens Schreiben. In Funny Girl macht er ihn zum Thema und nimmt ihn sehr ernst. Da ist der Autor ganz bei sich. Davon profitiert als lachender Dritter der Leser.

Anthony McCarten: Funny Girl
Aus dem Englischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié
Diogenes Verlag, Zürich 2014
384 Seiten, 21,90 Euro

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