Roman "Narrenleben"

Spaß muss sein

Der Schriftsteller Hans Joachim Schädlich.
Der Schriftsteller Hans Joachim Schädlich. © dpa / picture alliance / Carmen Jaspersen
Von Maike Albath |
In seinem Roman "Narrenleben" erzählt Hans Joachim Schädlich vom wechselvollen Schicksal zweier Männer, die im 18. Jahrhundert mit Scherzen und Späßen um die Gunst der Mächtigen warben. Ein historisches Panorama von vibrierender Intensität.
Hans Joachim Schädlich versteht sich auf die Kunst der Reduktion. Knapp, konzis und mit elegantem Understatement fächert er in seinem neuen Roman "Narrenleben" die Widersprüche des 18. Jahrhunderts auf und erzählt vom wechselvollen Schicksal zweier Herren, die mit Scherzen und Späßen um die Gunst der Mächtigen warben. Dass der Steiermärker Joseph Fröhlich und der Südtiroler Peter Prosch als Narren ihre Existenz bestritten, war keine freiwillige Entscheidung, sondern eher dem Zufall geschuldet.
Schädlich, bereits in seiner Novelle "Sire, ich eile. Voltaire bei Friedrich II" (2010) mit den Schattenseiten der Aufklärung befasst, beleuchtet dieses Mal die Randbezirke des höfischen Lebens. Dabei blendet er historische Materialien und Fiktion ineinander, operiert mit authentischen Figuren und schneidert seinen Helden erfundene Dialoge auf den Leib.
Im ersten Teil seines schmalen Bandes schlüpft der Schriftsteller in die Haut des Taschenspielers Joseph Fröhlich, Jahrgang 1694 und gebürtiger Steiermärker. Joseph tritt als Ich-Erzähler in Aktion und wird dann wieder von außen in den Blick genommen, wodurch sich reizvolle Brechungen der Perspektive ergeben.
Der einfallsreiche und gebildete Fröhlich, eigentlich gelernter Müller, amüsiert den Markgrafen von Bayreuth mit seinen Possen. Als August der Starke aus Sachsen ihn erlebt, findet er Gefallen an dem spitzfindigen Taschenspieler und bietet ihm eine Anstellung als Lustiger Rat. Fröhlich nimmt das Angebot an, auch um seiner Familie ein Auskommen zu verschaffen, und siedelt nach Sachsen über.
Bescheidene Bedürfnisse statt Vielweiberei
Obwohl August, den er duzen darf, die unverblümten Auskünfte seines Narren schätzt, muss Fröhlich immer wieder um seine Position bei Hofe kämpfen. Gezeichnet von Heimweh, dem Tod seiner ersten Frau und dem Verlust mehrerer Kinder, strebt er nichts anderes als ein würdevolles Leben an. Die bescheidenen Bedürfnisse Fröhlichs stehen in einem markanten Gegensatz zur Prasserei und Vielweiberei des Königs.
Schädlich läuft zu Hochformen auf, wenn er die verschiedenen Geliebten und die von August gezeugten Kinder aufzählt – die Sparsamkeit seiner Stilmittel erzeugt eine abgründige Komik. Auch die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Preußen und Sachsen gewinnen große Plastizität. Erst nach Fröhlichs Tod 1757 veröffentlicht einer seiner Söhne eine satirische Schrift, die für Peter Prosch, dem zweiten Helden des Romans, zur Inspiration für einen von Schädlich stammenden Lebensbericht wird. Dieses autobiographische Zeugnis, dessen Eckdaten allesamt nachweisbar sind, steht im Mittelpunkt des zweiten Teils.
Prosch, 1744 in Tirol geboren, besitzt ein fröhliches Naturell. Schon mit neun Jahren auf sich selbst gestellt, erweicht er mit seinem unverstellten Wesen Kurfürsten, Könige und schließlich sogar die Kaiserin Maria Theresa. Doch auch mit ihm treibt man die übelsten Scherze. Mit "Narrenleben" gelingt Schädlich, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiert, ein historisches Panorama von vibrierender Intensität.

Hans Joachim Schädlich: Narrenleben
Rowohlt Verlag, Reinbek 2015
170 Seiten, 17,95 Euro

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