Roman

Transatlantische Reisen

Wellen auf dem Atlantik
Der Atlantik hält die Geschichten des Romans zusammen. © picture-alliance/ dpa
Von Knut Cordsen |
In seinem Roman "Transatlantik" schickt der Autor Colum McCann seine Leser auf eine Zeitreise - von Irland in die USA und zurück. Elegant verknüpft er die verschiedenen Erzählfäden miteinander, sodass aus drei Geschichten eine wird.
Dies ist ein Briefroman der besonderen Art. Denn ein Brief geistert durch diesen Roman: 1919 aufgegeben als erste transatlantische Luftpost überhaupt, der nie seinen Adressaten erreicht hat und 2011 immer noch ungeöffnet ist. Dieser Brief hat viel mit der hier ausgebreiteten Geschichte und ihren Figuren zu tun. Manche von ihnen sind fiktiv, aber vier von ihnen hat es wirklich gegeben.
Da sind jene beiden wagemutigen Männer, denen - lange vor Charles Lindberghs Alleinflug - 1919 der erste Transatlantik-Flug überhaupt gelang, von Neufundland nach Irland: Jack Alcock und Arthur Brown. Ferner historisch verbürgt: der afroamerikanische Schriftsteller Frederick Douglass, der für die Abschaffung der Sklaverei kämpfte, 1845 nach Irland und Großbritannien reiste und feststellen musste, dass auch eine Hungersnot, namentlich die Kartoffelfäule die Menschen wie in Ketten gefangen halten kann. Schließlich spielt in "Transatlantik" der ehemalige US-Senator George Mitchell eine tragende Rolle, jener vielreisende Politiker, der es mit großer diplomatischer Gabe nach zähem Ringen 1998 erreichte, dass das berühmte Karfreitagsabkommen unterzeichnet wurde, das Nordirland Frieden bringen sollte. Und das alles zwängt Column McCann in einen noch nicht einmal vierhundertseitigen Roman?
Ja, lautet die Antwort auf diese in ihrer Skepsis berechtigte Frage. Man staunt als Leser nicht schlecht, wie das geht. So wie George Mitchell mit großem Geschick bei den Gesprächen über den Friedensvertrag die Verhandlungen in den Strang 1, 2 und 3 aufteilte und "das unglaubliche Gewebe der Sprache" ebenso beachten musste wie "all die kleinen Fäden, die noch heraushängen", so verknüpft Colum McCann am Ende elegant die verschiedenen Erzählfäden miteinander, sodass aus drei Geschichten eine wird.
Die Magie des Romans liegt in seiner Sprache
Gegen Ende hin heißt es nicht ohne Grund einmal:"Die Tunnel unserer Existenzen kreuzen sich, brechen in den seltsamsten Augenblicken zum Tageslicht durch und reißen uns dann wieder ins Dunkel. Wir kehren zu den Existenzen jener zurück, die vor uns dagewesen sind, und bewegen uns - es ist verwirrend - auf einem Möbiusband, bis wir schließlich zu uns selbst heimkehren."
Mit anderen Worten: McCann verwebt drei wahre Begebenheiten mittels einer frei erfundenen Figur und ihrer Nachkommen. Lily Duggan, ein Dienstmädchen aus Dublin, das Frederick Douglass kennenlernt, tritt 1846 die Überfahrt in die Vereinigten Staaten an, ihre Tochter Emily Ehrlich wiederum ist als Reporterin dabei, als Alcock und Brown mit ihrer Vimers Vicky zu ihrem Flug über den Ozean starten und besucht einen der beiden zehn Jahre später, nach einer transatlantischen Schiffspassage mit ihrer Tochter Lottie Tuttle. Die wiederum begegnet George Mitchell Ende der 1990er-Jahre auf einem Tennisplatz.
Mit diesem Aufzeigen der Verbindungsfäden hat man nicht zuviel verraten, denn die Magie dieses Romans liegt in seiner Sprache, mit der er von Elend und Einsamkeit, von der zerstörerischen Kraft des Ruhms, von Fanatismus und von nie vergehendem Heimweh erzählt. Über Zimmer schreibt McCann an einer Stelle, sie "bildeten lange Fluchten wie gut komponierte Sätze". McCanns kurze, konzise Sätze bilden viele Fluchten und lassen einen lange an das Schicksal all seiner Charaktere denken. Darauf Brief und Siegel.
Colum McCann: Transatlantik
Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Dirk van Gunsteren.
Rowohlt Verlag, Reinbeck bei Hamburg 2014
382 Seiten, 22.95 Euro