Yuri Herrera: Der König, die Sonne, der Tod. Mexikanische Trilogie
Aus dem Spanischen von Susanne Lange
S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2014
350 Seiten, 19,99 Euro
Mörderisches Mexiko
Yuri Herreras Roman-Trilogie "Der König, die Sonne, der Tod" ist eine Annäherung an die komplexe mexikanische Wirklichkeit im mörderischen Drogensumpf – und zugleich hochliterarisch. Jetzt erscheinen die drei Kurzromane zum ersten Mal auf Deutsch.
Es geht hart zur Sache bei Yuri Herrera. Da wird geprügelt, gefoltert und gemordet, bestochen, betrogen und gelogen, alles im Auftrag der mächtigen Familien, die im Monatsrhythmus ihre Einflussgebiete vergrößern. Jenseits dieser Clans gibt es nichts – keine staatlichen Strukturen, keine normalen Arbeitsplätze, keine Schulen. Wer irgend kann, begibt sich in den Schutz eines Mächtigen.
Herrera ist Mexikaner, und das erklärt einiges. Der Schriftsteller, dessen mitreißende Trilogie aus drei Kurzromanen jetzt zum ersten Mal komplett auf Deutsch vorliegt, wurde 1970 in Actopán geboren. Mittlerweile arbeitet der ausgebildete Politologe als Gastprofessor für Lateinamerikanistik an einer US-amerikanischen Universität in New Orleans. Seine Annäherung an die komplexe Wirklichkeit seines Heimatlandes im mörderischen Drogensumpf hat es in sich – und ist zugleich hochliterarisch.
Der Überlebenswille der Mexikaner
Die Kurzromane "Abgesang des Königs", "Zeichen, die vom Weltende künden" und "Körperwanderung" bilden eine Art Triptychon. Ein Triptychon, das zwar auch die Passion zum Gegenstand hat, zugleich aber von der Zähigkeit und dem Überlebenswillen der Mexikaner handelt und deshalb einen Funken Hoffnung birgt.
Der erste Teil "Abgesang des Königs" ist aus der Perspektive eines jungen Mannes erzählt, der nichts als ein Akkordeon besitzt und im traditionellen mexikanischen Stil Lieder auf die Großtaten der Drogenbosse komponiert. Seine Heldenballaden gefallen dem "König", er gewährt dem "Künstler" Unterkunft in seinem Palast und weist ihm einen Platz in seinem Hofstaat zu. Herrera bedient sich aus dem Stilrepertoire von Märchen und Fabeln und operiert mit Typologien: Als eine "Hexe" auftaucht, aus deren Bannkreis der Held die begehrte "X-beliebige" befreien muss, ist der erste Schritt in Richtung Freiheit getan.
Ein schillernd-schönes Mexiko-Gemälde
Im zweiten Teil der Trilogie begibt sich die junge Makina aus der Grenzregion zwischen Mexiko und den USA auf abenteuerlichen Wegen nach Nordamerika, um dort ihren Bruder zu suchen. Wieder wird die Geschichte aus der Perspektive der Heldin aufgerollt, wieder wählt Herrera eine bildhafte, metapherngesättigte Sprache und wieder gelingt es seiner Hauptfigur, sich inmitten widriger Umstände zu behaupten.
Im dritten Teil schließlich lernen wir den Alltag eines Handlangers kennen, "der Alfaki" genannt. Während in der Stadt eine Epidemie tobt, landet er im Bett der "Dreimalblonden", bis die Pflicht ruft und sein Boss ihn mit einer heiklen Mission betraut. Er muss im Kampf zweier rivalisierender Familien schlichten und für den Austausch ihrer Toten sorgen.
Wie schafft es Herrera, dass man trotz der Grausamkeiten bei der Stange bleibt und atemlos das Schicksal seiner Helden verfolgt? Es liegt an dem reizvollen Kontrast zwischen den kruden Geschehnissen, kolloquialen Redewendungen, Märchenelementen und poetischen Vergleichen. Eine Frau wird mit einem unruhigen Strom verglichen, "der über verborgenes Geröll" taumelt. Als ein Vater den Tod seiner Tochter hinnehmen muss, "schien die Straße sich vor ihm zu verkrampfen und zu zucken". Yuri Herrera gelingt ein schillerndes Mexiko-Gemälde: bedrängend und von eigener Schönheit.