Michael Köhlmeier: Zwei Herren am Strand
Carl Hanser Verlag. 2014
253 Seiten, 17,90 Euro
Vereint in der Dunkelheit
Im seinem neuen Roman erfindet der großartige Erzähler Michael Köhlmeier eine Freundschaft zwischen dem Politiker Winston Churchill und dem Schauspieler Charly Chaplin. Die beiden Herren verbindet vor allem ihre Traurigkeit und Einsamkeit.
Nach dem Epochenroman "Abendland" (2007), nach den "Abenteuern des Joel Spazierer" (2013), nach vielen anderen Romanen und Gedichtbänden sollten es alle wissen: Der fünfundsechzigjährige Schriftsteller Michael Köhlmeier ist ein großartiger, genuiner Erzähler, sowohl der Wahrheit als auch den Unwahrheiten des Lebens auf den Fersen. Der Vorarlberger ist einer der wichtigen Erzähler des 20. Jahrhunderts, dessen historischer Gräuel und persönlicher Schicksale. Das ist in Deutschland immer noch nicht bekannt genug.
Nur einer, der so erfinderisch ist wie Köhlmeier, kann auf die Idee kommen, einen Freundschaftsroman über den Politiker und Literaturnobelpreisträger Winston Churchill (1874-1965) und dem größten Stummfilmer, Schauspieler, Tänzer, dem genialsten Hitlerdenunzianten aller Zeiten, Charly Chaplin (1889-1977) zu schreiben.
Wie immer in seinen Romanen nutzt Michael Köhlmeier auch hier den Trick der besonderen Perspektive: "Dies alles habe ich von meinem Vater erfahren", schreibt der Autor am Ende des ersten Kapitels. Dies liefert dem Erzähler, der mit dem Vater in einer Fantasiewelt zusammenlebt, Rahmen und Spielraum. Die Episode im Leben von Chaplin und Churchill sind eingebettet in die Freundschaftsgeschichte von Vater und Sohn.
Mischung aus realen Fakten und Fiktion
Churchill und Chaplin lernten sich 1927 auf einer Party in Santa Monica kennen. Köhlmeier denkt sich einen gemeinsamen Strandspaziergang aus. Chaplin war zu dieser Zeit in einem beklagenswerten Zustand, er hatte die Arbeit an "The Circus" abbrechen müssen, weil er die Diffamierungen seiner zweiten Ehefrau Lita nicht mehr aushielt. Churchill fragt ihn: "Sind sie krank". Chaplin sagt: "Wie sehe ich aus?" Churchill antwortet: "Wie ein Mann, der an Selbstmord denkt".
Wie viel ist Köhlmeiersche Fiktion, wie viel ist verbürgte Wirklichkeit? Gekannt haben sich die beiden Herren, das belegt ein Foto aus dem Jahr 1929. Viele andere Belege gibt es nicht. Köhlmeier nutzt die Freundschaft des ungleichen Paars, um eine Geschichte des "Schwarzen Hundes", eine andere Bezeichnung für Depression, zu erzählen.
Die Zweifel des Künstlers
Natürlich ist der Roman auch ein Buch über zwei Jahrhundertgestalten: Lebensgeschichte zweier Herren, zwischen weltpolitischen Entscheidungen und welthistorischen Kunstwerken, zwischen dem Ende der Stummfilmära und dem Zweiten Weltkrieg. Neben den bekannten Taten beider Herren ist das Hauptthema Köhlmeiers ihre Traurigkeit und Einsamkeit. Fundament und Geheimnis ihrer Freundschaft sind die Selbstmordgedanken.
So ist dieses großartige und wie vieles Traurige auch sehr komische Buch auch ein Buch über Michael Köhlmeier selbst. Über die Figur des Künstlers, seine Zweifel und sein Verzweifeltsein und sein Glück an der Erfindung. Es gibt, heißt es am Ende des Romans, "nur eine Beglaubigung für das Komische: das Lachen."