Ursula Ackrill: Zeiden im Januar
Wagenbach Verlag, Berlin 2015
256 Seiten, 19,90 EUR
Einsam in der Ablehnung des Hitlerregimes
In den nationalsozialistischen Taumel rumänischer Siebenbürgener im Jahr 1941 wirft Ursula Ackrill die Protagonistin ihres Erstlingsromans "Zeiden im Januar". Die steht mit ihrer Ablehnung Hitlers sehr allein. Ein reiches Figurengeflecht macht die ethnische Vielfalt dort anschaulich.
Dem Erscheinen dieses Debütromans ging ein leises Erwartungsgemurmel im Literaturbetrieb voraus. Seine Platzierung auf der Shortlist des Preises der Leipziger Buchmesse ist auch insofern nicht allzu überraschend, als sich dessen Profil von dem des Deutschen Buchpreises unterscheidet. Traditionell verspüren die Leipziger Jurys eine geringere Neigung zum durchschnittlichen Lesergeschmack als die Frankfurter und eine etwas größere zu literarisch ambitionierter Prosa.
Das Sujet ist typisch für ein Debüt
Ambitioniert in mehrfacher Hinsicht ist das Debüt von Ursula Ackrill allemal. Sie wurde 1974 im rumänischen Kronstadt geboren, als Angehörige der deutschsprachigen Minderheit der Siebenbürger Sachsen. Sie studierte in Bukarest und lebt heute als Bibliothekarin und Schriftstellerin in Nottingham. Das Sujet, das sie für ihr Erstlingswerk wählte, ist in gewisser Weise debüttypisch: Die Welt und die Geschichte ihrer Herkunft. Unmittelbar autobiografisch ist ihr Roman allerdings nicht. Denn Ursula Ackrill greift historisch in die Zeit ihrer Eltern- und Großelterngeneration zurück, in die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur, die auf die Volksgruppe der Siebenbürgener Ansprüche erhob. Ort der Romanhandlung ist das Städtchen Zeiden, das es tatsächlich gibt, es liegt etwa 20 Kilometer von Kronstadt entfernt.
Vorteilsgier in allen Spielarten
Zeitkern der Geschichte, die Ursula Ackrill in Erzählsprüngen um diesen Kern herum organisiert, sind ein paar Tage im Januar 1941. Hauptfigur des Romans ist die 53-jährige Leontine Philippi, eine ebenso eigenständige wie gebildete Patriziertochter, die den nationalsozialistischen Taumel, der die Siebenbürgener um sie herum erfasst hat, für "defensiven Schwachsinn" hält. Mit ihrer Ablehnung des Hitlerregimes steht sie indes auf einsamem Posten. Sie erlebt Opportunismus, Verblendung, Feigheit und Vorteilsgier in all ihren Spielarten. Mit Franz Herfurth, ihrem alten Kinderfreund, spricht Leontine kein Wort mehr. Der Schularzt untersucht neuerdings SS-Rekruten, die das deutsche Reich aus Siebenbürgen anfordert. Nun, im Januar 1941, befindet sich Leontine Philippi in einem Viehwaggon unterwegs nach Deutschland, umgeben von jungen Männern, die der Propaganda der NSDAP folgen und sich zum Dienst in der Waffen-SS transportieren lassen, vor allem, um nicht in der rumänischen Armee dienen zu müssen.
Unchronologische Erzählform
Ursula Ackrill inszeniert auf ihrer Romanbühne ein reiches Ensemble an Stimmen und Figuren, denen nicht zuletzt die Aufgabe zukommt, das ethnische Geflecht aus Rumänen, Ungarn, Deutschen, Juden anschaulich zu machen. Für den geschichtlich nicht einschlägig bewanderten Leser ist es eine gewisse Herausforderung, hier den Überblick zu bewahren. Die unchronologische Erzählform des Romans, seine Mischung aus referierenden Dialogen und inneren Monologen erleichtern die Lektüre nicht unbedingt. Auch stilistisch und sprachlich erweist sich Ackrills Debütroman über einen zweifellos bedeutsamen Abschnitt der Geschichte des 20. Jahrhunderts, als hoch ambitioniertes, wenn auch nicht ganz geglücktes Unternehmen.