Kein verlockender Stoff für Autoren

Terror und Gewalt sind beherrschende Themen in den Medien. Doch wie verarbeiten Schriftsteller dieses Phänomen? Sie halten sich weitgehend zurück, hat Literaturkritikerin Brigitte Neumann beobachtet.
Kann Belletristik den Schrecken besser fassen und erklären als wissenschaftliche Studien? Die Literaturkritikerin Brigitte Neumann hat sich neue und ältere Romane zu diesem Thema angeschaut und miteinander verglichen.
Aktuell gebe es allerdings nur wenige Titel, die sich mit Terror und Gewalt auseinandersetzten, so die Lektüre-Erfahrung von Brigitte Neumann:
"Ich hätte auch deswegen mehr erwartet, weil es ja in beinahe in jedem europäischen Land rechtsradikale, meist auch muslimfeindliche Parteien gibt. Und das seit geraumer Zeit schon. Also das Thema steht auf der Tagesordnung, es steht in der Zeitung. Aber bei Schriftstellern? Die beackern das im Moment nicht so."
Zu den Ausnahmen gehöre der im Januar 2015 erschienene Roman "Unterwerfung" von Michel Houellebecq , der von der Regierungsübernahme durch die Muslimbrüderschaft in einem Frankreich der nahen Zukunft handele. Dieser Roman sei nicht islamfeindlich, meinte Neumann:
"Im Gegenteil: Er stellt der säkularen Gesellschaft Frankreichs und ganz Europas sehr schlechte Noten aus. Der Mensch brauche die Religion als Halt, das ist eigentlich Houellebecqs Credo in diesem Buch. Sonst dreht er durch."
"Die Brücke über die Drina" als wichtiges Beispiel
Wenn sie die Literaturgeschichte betrachte, sei besonders ein wichtiger Roman zum Thema Gewalt und Terror zu nennen, sagte Neumann: "Die Brücke über die Drina" des Literaturnobelpreisträgers Ivo Andrić. Die Lektüre dieses Buches könne auch zu einem besseren Verständnis der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien beitragen:
"Der Roman aus dem Jahr 1945 handelt von den blutigen Konflikten zwischen Christen und Muslimen in dem Ort Višegrad, einem bosnischen Städtchen, das an der Grenze zwischen Orient und Okzident liegt. Andrić' Schilderung überspannt vier Jahrhunderte. Und was wirklich klasse ist in diesem Buch, das ist die Erzählperspektive, die er einnimmt: alles überblickend, alleserfassend."
Neumann nannte weitere Beispiele aus der jüngsten Literaturgeschichte. Eine wichtige Zäsur seien die Anschläge vom 11. September 2001 gewesen. Danach habe es eine neue Welle von Büchern über den islamistischen Terror gegeben.