War Rio Reisers Heimatbegriff naiv?
Er bekannte sich offensiv dazu, ein Volksdichter zu sein: Zum 20. Todestag von Rio Reiser sprechen wir mit dessen langjährigem Weggefährten Wolfgang Seidel über dieses Selbstverständnis des Ton-Steine-Scherben Sängers – und welche Probleme es machte.
Rio Reiser – Sänger, Texter und Songschreiber bei Ton Steine Scherben, "König von Deutschland", Volkssänger und Heimat-Fan, ist morgen vor 20 Jahren gestorben. Vielen gilt er als Übervater politischer Poetik im Rock-Pop-Zusammenhang. Zahllose Künstler haben ihn gecovert. Allgemein erweist die deutsche Öffentlichkeit - weit über die Popmusik-Szene hinaus - dem Künstler ihre Reverenz.
Jemanden zum Denkmal zu erheben - wie Rio Reiser - ist immer problematisch: Sein mangelndes Bewusstsein gegenüber Begriffen wie "Volk" und "Heimat" macht die Sache umso komplizierter. Volks- oder Heimatdichter zu sein - dazu bekannte sich Reiser dezidiert, offensichtlich kritiklos gegenüber der historischen Kontamination im deutschen Kontext.
Erster Scherben-Schlagzeuger erinnert sich
Über diese Seite des Rio Reiser sprachen wir mit einem seiner Weggefährten. Wolfgang Seidel war, zwei Jahre lang, erster Schlagzeuger von Ton Steine Scherben. Er blieb auch danach mit Rio befreundet und hat mit ihm Musik gemacht. 2005 erschien sein Buch "Scherben", in dem er und andere Autoren auch auf die nicht ganz unproblematische Rezeption der Scherben und Rio Reiser Bezug nehmen.
Dass sich Ton Steine Scherben in den frühen 1970er Jahren als "Volkskapelle" gegen Staat und Eliten verstanden habe, zeige, dass da einiges zusammenkam, was gar nicht so gut zusammenpasste, so Seidel im Deutschlandradio Kultur: "Mit der Rhetorik sind dann sofort einige Widersprüche auf der Tagesordnung, die uns damals nicht so klar waren. Wir waren eben aufgeregte junge Leute."