Romanverfilmung

Männer diskutieren über die Liebe und das Leben

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Schauspieler Henry Hübchen und Martina Gedeck und Regisseur Markus Imboden (v.l.n.r.) © picture alliance / dpa
Markus Imboden und Martina Gedeck über ihren achten Film · 01.12.2013
Regisseur Markus Imboden und Schauspielerin Martina Gedeck drehten gemeinsam sieben Filme, wurden vor acht Jahren ein Paar und haben seither nicht zusammen gearbeitet - bis zu ihrem aktuellen mit dem Titel "Am Hang". Es ist die Verfilmung von Markus Werners Roman, in dem zwei Männer über eine Frau sprechen, bis sie feststellen müssen, dass sie dieselbe meinen.
Susanne Burg: Relativ früh im Film sitzen sich Thomas und Felix am Tisch gegenüber und unterhalten sich über ziemlich intime Dinge, über die Liebe. Der eine, der gegelte Jurist, der mehr Affären hat als Beziehungen, der andere, der in der Ehe, wie er sagt, seine Heimat gefunden hat und dann aber doch Abgründe hat, eifersüchtig ist. Es sind zwei Figuren, die sind überzeichnet, zwei Positionen, die sind überzeichnet, aber, Herr Imboden, wie viel Wahrheit steckt in diesen Positionen trotzdem für Sie, trotz dieser Überzeichnung?
Markus Imboden: Ich sehe die Überzeichnung eigentlich gar nicht so. Die sind natürlich herausgearbeitete Positionen, die ergeben sich auch durch die Begegnung. Sie ist insofern wahr oder … - weil dahinter ein Lebensbild, ein Menschenbild steht, nämlich die Ehe, das Zweisame, das auch dauert, und beim Jungen, na ja, der redet sich die Liebe, die kurz ist, ein. Man spürt aber im Laufe des Filmes natürlich auch, dass da ein Mangel herrscht, dass der eigentlich auch die Liebe sucht und einfach nicht Nähe aufbauen kann. Beide Figuren zeigen eigentlich was anderes, nicht nur das, was sie sagen.
Burg: Sie zeigen was anderes, nicht nur, was sie sagen. Frau Gedeck, möchten Sie dazu noch anschließen, wie haben Sie diese beiden Figuren empfunden?
Martina Gedeck: Ja, der Thomas, der Junge, der ist – das finde ich sehr schön – ein ängstlicher Mensch. Er fürchtet sich vor dem Alleinsein, und er steht unter dem Druck, dass er der große Zampano sein muss, der ganz viele Frauen hat und haben kann. Aber in Wirklichkeit gelingt es ihm nicht. Auch im Film schafft er es ja nicht mal, für eine Nacht eine Frau zu bekommen. Also, das gefällt mir eigentlich sehr gut, dass die Wirklichkeit so anders ist als das, was die Männer von sich behaupten. Der Felix, der Ältere, spricht von der Ehe als Heimat, ja, als Lebenserfüllung eigentlich, aber auch im Laufe des Films merkt man, dass es doch große Schwierigkeiten und Diskrepanzen und Disharmonien gibt auch in dieser Ehe, und viel Unverständnis herrscht. Das ist eigentlich das, was den Film für mich so reich und interessant macht, weil er sich mit diesen Fragen beschäftigt und weil wir in den Rückblenden, die der Film zeigt, immer wieder auch sehen, was sich in Wirklichkeit abspielt. Und die Frau bewegt sich eigentlich zwischen Männern, die wenig von der wirklichen Liebe wissen, die eigentlich nicht wirklich Liebe für sie empfinden, sondern Besitzanspruch oder eine Art von Trophäengier. Es geht eigentlich ganz wenig um diese Person, um diese Frau.
"Er stalkt, er ist obsessiv, er ist verletzt, er ist unglücklich"
Burg: Herr Imboden, Felix selber behauptet ja immer, er liebt seine Frau, er habe die einzig wahre, die richtige Position der wahren Liebe. Wie viel hat es für Sie, was er da tut, mit Liebe zu tun?
Imboden: Vielleicht nicht sehr viel außer der Vorstellung eben und dem, was man sich schön schwatzt und was literarisch gut klingt und was auch sonst gut klingt. Ich denke, der Mann ist auf eine gewisse Art und Weise krank: Er besitzt, er stalkt, er ist obsessiv, er ist verletzt, er ist unglücklich, er weiß nicht mehr, wie sein Leben ist oder was er tun soll. Er ist ein armer Kerl, einer, der versucht, die Ordnung wiederherzustellen, die es eben mal gab vielleicht vor fünf Jahren, vielleicht vor zwei Jahren, und da auch eigentlich ein melancholischer Mensch ist.
Gedeck: Es ist ja eigentlich eine ganz narzisstische Haltung von beiden Männern, und ich glaube, dass das insofern auch mit unserer Welt und unserer Gesellschaft stark zu tun hat und dass dieser Narzissmus etwas ist, was man dann irgendwann nicht mehr erträgt, aus dem man sich herausbewegen möchte. Aber es gibt eine ganz wunderschöne Liebesszene in dem Film zwischen Felix und der Frau, nämlich wenn sie im Bett liegt, im Krankenhaus liegt und er ihr ein Lied vorsingt. Das ist sehr anrührend. Da spürt man auch, dass es eine tiefe Verbindung zwischen diesen beiden Menschen gibt. Und insofern tauchen diese kleinen Momente oder auch diese kleinen Ingredienzien von Liebe immer wieder auch auf, das blitzt immer wieder auf und man spürt so was wie eine Verheißung von dem, was möglich wäre zwischen Menschen.
Burg: Die Schauspielerin Martina Gedeck und der Regisseur Markus Imboden sind zu Gast im Deutschlandradio Kultur, wir reden über ihren neuen Film "Am Hang". Herr Imboden, das Drehbuch basiert ja auf einem Roman von Markus Werner aus dem Jahr 2004. Man könnte sagen, es gibt dankbarere Vorlagen, das Buch besteht nämlich zu großen Teilen aus Endlosdialogen zwischen zwei Männern, die sitzen da, unterhalten sich über Gott und die Welt und die Liebe. Nun haben Martin Gypkens und Klaus Richter sich damit herumgeschlagen, wenn man es so nennen kann, ein Drehbuch zu verfassen, Sie mussten dann aber sehen, dass daraus auch ein stimmiger Film wird. Worin bestanden für Sie die größten Herausforderungen?
"Das ist sozusagen der point of no return in ihrem Leben"
Imboden: Man sagt, es ist schwierig, wenn zwei Männer oder zwei Menschen miteinander sprechen. Das ist schwierig und das war natürlich die Herausforderung, die ich gerne angenommen habe, weil das interessant ist, Dialoge zu inszenieren. Die sind teilweise lang, wir hatten, glaube ich, sechs Tage saßen wir nur herum und sie haben gesprochen, da muss man sehr genau arbeiten, man muss natürlich Satz für Satz gestalten und eine Struktur geben. Das ist eine schöne Arbeit, die ich gerne gemacht habe. Ein Film besteht ja meiner Meinung nach nicht nur aus Action und nicht nur aus Bewegung, es sind ja hier auch Bewegungen zu sehen in den Gesichtern, es gibt Bewegungen in den Dialogen. Man rückt ab, man hinterfragt, man führt den anderen aufs Glatteis, man verführt, man ist Trauer … Es ist viel Bewegung da, aber halt einfach bei diesen Menschen.
Burg: Und es gibt ja auch immer diese latente Gewalt in der Figur von Felix. War das auch ein quasi Thriller-Element?
Imboden: Wenn ich den Roman lese, sehe ich das. Man kann das herauslesen, oder ich lese es heraus, dass natürlich, wenn man jetzt zwei, drei Jahre lang der Verlassene ist, auch ein großes Aggressionspotenzial da ist. Und es ist natürlich auch etwas, was der Zuschauer sehr wahrscheinlich immer mitdenkt, was würde ich eigentlich machen, wenn ich dem Mann gegenüber sitze, der mir meine Frau weggenommen hat!
Burg: Frau Gedenk, Sie sind im Buch ja mehr ein Phantom, über Sie wird geredet. Haben Sie denn den Roman trotzdem gelesen, um neben dem Drehbuch ein volleres Bild zu bekommen?
Gedeck: Ja, ich habe ihn gelesen. Das Bild, was ich von dieser Frau habe, setzt sich dann doch auch aus den Informationen zusammen, die auch im Roman angesprochen werden, aber auch im Drehbuch. Und das ist tatsächlich eine Transformation, die bei ihr passiert in dem Moment, wo sie erfährt, dass sie diese Erkrankung hat. Und das ist sozusagen der point of no return in ihrem Leben. Wir haben uns entschieden, das nicht äußerlich darzustellen. Es ist ja so aufgebaut, dass die Männer sich erinnern und ich bei jedem Mann ein bisschen anders bin, aber nicht, dass man jetzt sagt, gut, hier hat sie kurze Haare, da hat sie lange Haare, das wollten wir nicht, das wollten wir nicht aufs Äußere jetzt beziehen. Wir sind eigentlich davon ausgegangen, dass das dieselbe Person und dass sie sich nur anders verhält. Und das ist natürlich, als Figur ist es für mich sehr, sehr spannend, schauspielerisch einfach eine Frau zu zeigen, die mehrere Facetten, mehrere Möglichkeiten hat.
Burg: Sie beide arbeiten ja schon seit vielen Jahren zusammen, seit 1998, wenn ich das richtig sehe, seit der Komödie "Frau Rettich, die Czerni und ich", insgesamt acht Filme haben Sie zusammen gedreht. Frau Gedeck, was schätzen Sie eigentlich an Herrn Imboden als Regisseur?
"Ich liebe es sehr, wenn ich bei der Arbeit von Markus kritisiert werde"
Gedeck: Abgesehen von der Arbeit am Drehort selbst, die mit sehr viel Konzentration und Freude eigentlich stattfindet, das ist ein wirklich schönes Arbeiten, ist es auch, dass die Szenen und die Struktur so genau durchdacht ist und dass eigentlich alles, was man als Schauspieler zu tun hat, Sinn macht. Und das ist eine große Qualität, die Szenen kommen eigentlich so bereitet, dass, wenn wir ans Set kommen, dann spielt sich das sozusagen wie vom Blatt. Und dann kann man sich wirklich voll und ganz auf den Partner einlassen und sich der Szene sozusagen hingeben. Und das spielt sich wirklich von selbst. Das ist ein ganz großer Schauspielerregisseur!
Burg: Herr Imboden, jetzt muss ich Ihnen natürlich die gleiche Frage noch umgekehrt stellen!
Imboden: Martina ist eine leidenschaftliche Schauspielerin, ist jemand, der gerne oder die gerne spielt, und das ist das, was ich liebe natürlich. Das ist ja der Job des Schauspielers. Ich habe ja nicht viel zu tun. Ich meine, ich lese die Szene, ich verstehe sie, ich setze die Leute in den Raum, ich setze sie in Beziehung zueinander, spielen müssen Sie! Und es gibt niemand, der das besser tut wie Martina!
Gedeck: Der Regisseur muss vor allen Dingen eins können, er muss zuhören können und er muss zuschauen können. Und das wissen die wenigsten noch oder machen die wenigsten noch, und er macht es. Und wenn dir jemand wirklich zuhört und zusieht, dann kannst du plötzlich alles machen. Dann fühlst du dich frei. Und das ist eigentlich das ganze Geheimnis.
Burg: Apropos Geheimnis, ich verrate, glaube ich, keins, wenn ich sage, dass Sie auch als Paar liiert sind. Wie ist es denn nun, wenn es auch Kritik gibt bei der Arbeit? Ist es ein Vorteil, sich so nahe zu stehen, oder manchmal auch problematisch? Wie gehen Sie bei der Arbeit miteinander um?
Gedeck: Ich liebe es sehr, wenn ich bei der Arbeit von Markus kritisiert werde, weil ich weiß, dass er genau hinsieht und dass es Sinn macht, wenn es etwas gibt, was anders gespielt werden soll. Ich bin froh, wenn ich ein Gegenüber habe, was mir was entgegensetzt oder was mich auch spiegelt oder mir ein Feedback gibt, darauf bin ich absolut angewiesen als Schauspielerin, weil, ich merke nicht, wie ich spiele. Bei ihm kann ich mich darauf verlassen, dass es Hand und Fuß hat und dass er ein starkes und intensives, klares Empfinden hat, über das, worum es geht. Insofern mag ich das gerne, wenn er mir was sagt, egal was. Loben tut er ja sowieso eigentlich viel. – Nie!
Imboden: Nie!
Burg: "Am Hang", so heißt das neue Projekt von Regisseur Markus Imboden, in der Hauptrolle Martina Gedeck. Vielen Dank für Ihren Besuch!
Gedeck: Danke!
Imboden: Danke schön!
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